Die Konsequenzen des Abstiegs

Es war ein Abstieg auf Raten. Und trotz der bitteren und deutlichen 1:4 Niederlage gegen Aalen sind die Stuttgarter Kickers nicht gestern abgestiegen. Die Hinrunde war der Sargnagel. Im 14. Saisonspiel der erste Heimsieg, gerade einmal 13 Punkte in der Hinserie.

Doch die Weichen für diese verkorkste Hinserie wurden vor dieser Saison gestellt. Die Ausrede, die Qualifikation für die dritte Liga in letzter Sekunde kam zu spät, ist eine billige Ausrede, eben eine Ausrede. Die Kaderplanung war mehr als mangelhaft, als Verstärkung gedachte Spieler spielten selten oder nie. Viel zu viel Masse statt Klasse. Dazu das Festhalten an einem Trainerneuling, der trotz in letzter Sekunde erreichter 3. Liga in keinster Weise überzeugen konnte. Der noch dazu, wie spätestens seit einigen Woche alle wissen, schon zu Saisonbeginn die Mannschaft nicht führen konnte, genauso wie sein Nachfolger. An dem nach einem mehr als verpatzten Start in die 3. Liga viel zu lange festgehalten wurde. Von einer Euphorie die Dritte Liga erreicht zu haben, war absolut nichts zu spüren. Verpasste Chancen, allerorten.

Der Präsident Dirk Eichelbaum muss die Weichen unserer Stuttgarter Kickers für die Zukunft stellen. Und sich erklären: Wer trägt die Verantwortung für das Mißmanagement? Wer trägt die Verantwortung für die Verpflichtung der Trainer und der Spieler vor und während dieser Saison?

Wurden die Fehler von Manager Joachim Cast begangen, muss eine Trennung erfolgen. Wurden die Weichen mit Einverständnis oder auf Veranlassung des Präsidiums unwissentlich falsch gestellt, muss das Präsidium die Verantwortung übernehmen. Und sich entsprechend den Vereinsmitgliedern auf einer Jahreshauptversammlung stellen.

Es geht nicht darum, Sündenböcke auf die Schlachtbank zu führen. Es geht darum die Weichen des Traditionsvereins Stuttgarter Kickers auf eine positivere Zukunft zu stellen. Es geht um den Fortbestand eines Vereins, der tief im Herzen tausender blauer Fußballfans verankert ist. Tausender Fußballfans, die sich mit ihren Stuttgarter Kickers freuen und mit ihren Stuttgarter Kickers leiden. Wie in diesen Tagen.

StN: Leserbriefe zur Situation

„Cast muss ersetzt werden“
Zum großen Kickers-Kader:

Mathematikkenntnisse sind die Voraussetzung für die Führung eines Unternehmens. Leider wurde diese Notwendigkeit bisher in der Vorstandsetage der Stuttgarter Kickers nicht beachtet. Es ist doch bekannt, dass nur elf Spieler einer Mannschaft auf dem Feld sein dürfen, dazu können drei Spieler gewechselt werden, das sind höchstens 14 Leute, die eingesetzt werden können. Die Kickers leiden unter akuter Finanznot, deshalb ist es erstaunlich, dass dort 28 Vertragsspieler arbeiten und höchstens die Hälfte eingesetzt werden kann. Manager Joachim Cast gibt an, der Verein könne sich keine teuren Spieler leisten, weil dazu das Geld fehlt, deshalb kauft er Masse statt Klasse. Egal, in welcher Liga die Kickers nächste Saison spielen, es müssten mindestens zwölf Spieler gehen und dafür sechs Neue mit höherer Qualität geholt werden.

Die Verursacher des Niedergangs der Stuttgarter Kickers sind nicht nur die Trainer Minkwitz und Schmitt, sondern auch Manager Cast. Denn er hat diese nicht tauglichen oder einsatzfähigen Spieler für die 3. Liga verpflichtet. Aus Ackergäulen kann auch der beste Trainer keine Rennpferde machen. Manager Cast muss dringend ersetzt werden, damit er für die nächste Saison nicht das gleiche Unheil anrichten kann.

Oswald Reichert, Ammerbuch

Stuttgarter Nachrichten

„Nicht allein Frage des Budgets“
Zur Krise bei den Kickers:

In wenigen Wochen sind die Stuttgarter Kickers dort angekommen, wo sich ihr Management schon tummelt: in der Amateurliga. Was diese Herren dort seit Jahren ungestraft abliefern, ist noch grausamer als das Gekicke der talent- und willenlosen Mannschaft: Trainerwechsel im Rhythmus der Jahreszeiten, ein aus Ersatzbeständen der früheren Regionalliga zusammengeflickter Drittliga-Kader und das Unvermögen, in einer der reichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands größere Sponsoren als Gazi zu finden. Die Mannschaft und die Fans bekommen mit dem Abstieg die Quittung – hoffentlich auch die ganzen Blauäugigen vom Präsidenten bis zum Manager.

Der fast besiegelte Abstieg ist nicht allein eine Frage des Budgets. Auch andere klam- me Clubs haben es geschafft, sich mit gutem Näschen für Talente und ruhiger Hand in der zweiten oder dritten Liga zu etablieren. Wem es aber nicht gelingt, prominente Ehemalige wie Jürgen Klinsmann, Fredi Bobic oder Guido Buchwald für die Sponsorenaquise zu gewinnen, könnte in der Wüste nicht mal Wasser verkaufen. Eine Schande ist der Abstieg für die großen Sportsponsoren Stuttgarts wie Mercedes und EnBW: Einem betuchten Club wie dem VfB werden jährlich Millionen in den Rachen geworfen, für die Kickers blieben nicht mal Krümel.

Thomas Fischer, Stuttgart (per E-Mail)

Stuttgarter Nachrichten

Joe Bauer: Warum die Fußballzuschauer keine Rolle spielen

Null Respekt

Es war drei Stunden vor dem Anpfiff, als im Stuttgarter Westen ein einsamer Autofahrer seinen Wagen neben mir stoppte: „Scheff“, sagte er, „wo geht“s denn hier zum Weldouschdadion?“

Ein guter Mann, dachte ich, er ist für seinen Club auf der Straße, er fährt auf die Waldau zu den Kickers, und der Westen ist weit, von Dresden aus gesehen.

Nach der Aufholjagd des KSC zum 3:3 gegen Leverkusen sagte der Karlsruher Torschütze Antonio da Silva auf die Frage, wie er mit den jüngsten Pfiffen gegen ihn umgehe: „Es ist mir egal, was die Zuschauer von mir denken.“

Für dich, dachte ich, würde ich nicht mal von Stuttgart nach Cannstatt fahren. Und ich frage mich, welche Tipps die sogenannten Berater ihren Profis geben außer jenem, neben einem Porsche Cayenne auch gleich noch einen Privatjet zu finanzieren.

Von ihrem Publikum verstehen viele Spieler (und Trainer) so gut wie nichts. In Bielefeld rannte nach dem 0:2 gegen Gladbach Arminias erklärter Publikumsliebling Wichniarek an den Zaun und schiss die eigenen Fans zusammen. Und der große Münchner Bayern-Chef Rummenigge höhnte in Richtung Hoffenheim, wo denn die TSG die vergangenen 100 Jahre gewesen sei. Genau jene Hoffenheimer, die der Berliner Hertha am Sonntag einen Zuschauerrekord bescherten.

Diese Beispiele zeigen nur: Der Fan war und ist das unbedeutendste Wesen in unserem liebsten Spiel mit seinen vielen Großkotzen. Lustig in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet Rummenigges Verein einen „Arbeitskreis Fan-Forum“ mit 30 Fanclubchefs zur „Verbesserung der Stimmung im Stadion“ gegründet hat. Dieser Schritt war die Reaktion auf den Konflikt zwischen dem Manager Hoeneß und etlichen Fans bei der Jahresversammlung 2007 der Bayern. Vernünftig wäre inzwischen, den Umgang der Spieler, Trainer und Manager mit ihren Zuschauern generell infrage zu stellen.

Da man heute – viel später als in England oder Spanien – im traditionell unterhaltungsfeindlichen Deutschland erkannt hat, dass auch Fußball eine Sparte der Entertainment-Industrie ist, wäre es an der Zeit, Liga-Stars und -Regisseuren die Anstandsregeln für das Zusammenspiel mit ihrem Publikum beizubringen. Noch wäre es ratsam, den – finanziell gesehen – fast überflüssigen Statisten auf den Stadionrängen höflich zu dienen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass üppige Fernsehgelder auch in Zukunft kaum ohne Fußvolk bezahlt werden dürften.

Wenn ein Spieler wie da Silva sagt, das Publikum sei ihm wurscht, dann gehört er in die Sonderschule zur Erlernung fundamentaler Rummelplatz-Gesetze. Solange Fußball von Menschen und nicht nur von Börsencomputern verfolgt wird, haben sich die Darsteller gefälligst mit Respekt vor ihren Kunden zu verneigen.

So gesehen wäre es besser, der VfB würde eine Bühne wie das Stuttgarter Theaterhaus künftig nicht nur für die provinzielle Vorstellung einer fragwürdigen Präsidenten-Biografie und die bevorstehende Weihnachtsfeier buchen. Spieler und Trainer könnten dort lernen, warum man im Showgeschäft außer Kontakt zu Tattoo-Studios auch ein hautnahes zum Publikum und viel Demut braucht.

Dieses Verständnis von kultureller Dienstleistung stellt auch nicht her, wer wie der VfB-Präsident Staudt mitten in der sportlichen Krise das Wildspezialitäten-Lokal Hegel Eins im Stuttgarter Linden-Museum für eine weitere „Buchpräsentation“ seiner dürftigen Bio-Kost (am 23. November) reserviert. Zu dieser Matinee mit B-prominenten Hirschlenden-Vips und „feinen Tropfen aus der Region“ eilen zwar der Ministerpräsident Oettinger und Staudts „Lieblingswinzer“ herbei. Der geneigte Fußballfreund aber fragt sich: Hat der VfB-Boss angesichts der Tabelle nichts Besseres zu tun?

Bei den Kickers, wo die Vereinsführung jahrzehntelang ihr Publikum dumm und arrogant behandelt hat, sah ich ergriffen zu, wie die Fans im Dresdner Block neunzig Minuten lang auf der Stelle hüpften und ihre Hälse in die Höhe reckten: Mann, dachte ich, die halten noch wie früher Ausschau nach dem guten Westen.

Stuttgarter Nachrichten

StN-Leserbriefe zur aktuellen Situation

Aufwachen, Kickers!
Zur Situation beim Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers:

Es bricht mir fast das Herz, wenn ich verfolgen muss, wie es mit den Blauen stetig abwärts geht. Nach dem Rauswurf des notorischen Querulanten Hans Kullen wurde leider nichts zur Verbesserung der Vereinssituation getan. Die Außenwirkung der Kickers ist katastrophal. Das Präsidium ist nun gefordert, seinen, wenn auch geringen, Fußballsachverstand einzusetzen. Es sollte die Chance ergreifen, einen klaren Schnitt zu machen und die sportliche Leitung auszutauschen. Zuallererst den nur durch Wehklagen auf sich aufmerksam machenden Manager Joachim Cast. Er trägt die Hauptschuld, dass die Spieler stets Ausreden haben und es nicht vorwärtsgeht. Die Kickers sind zwar in einer Profiliga, werden jedoch von Amateuren geführt – aufwachen!

Bernd Klingler, Stuttgart (per E-Mail)

Nachbarschaftshilfe vom VfB
Zum gleichen Thema:

Leider stehen die Kickers finanziell und sportlich kurz vor dem Aus. Gegenseitige Schuldzuweisungen würden die Lage nur verschlechtern. Es heißt jetzt für alle zusammenzustehen – unter dem Motto: Rettet die Kickers vor dem Untergang. Die Bevölkerung und Unternehmer sollten prüfen, wie viel sie den Kickers spenden können, um ihnen aus der Notlage herauszuhelfen. Einer der Hauptgründe für die Kickers-Nöte ist der Sponsoren- und Zuschauersog zum VfB, deshalb sollte gerade dieser Verein in der jetzigen Notlage Nachbarschaftshilfe leisten. So könnte doch der VfB in der Winterpause ein Benfizspiel zugunsten der Kickers austragen. Weiter sollte geprüft werden, ob nicht einige gute Spieler kostenlos an die Blauen ausgeliehen werden sollten, anstatt auf der Ersatzbank zu versauern. Was aber jetzt sofort notwendig ist, ist die Hilfe des zwölften Mannes, der Zuschauer. Ein volles Stadion und lautstarkes Anfeuern durch die Zuschauer würde die Leistung und Moral der Spieler beflügeln – vor allem am Samstag gegen Aue. Die Kickers müssen als Traditionsverein der Stadt Stuttgart erhalten bleiben, und dazu sollten alle mithelfen!

Oswald Reichert, Ammerbuch-Pfäffingen

Cast hat unfähige Spieler geholt
Ebenfalls zum Thema Kickers:

Wenn ein ein ehemaliger Spieler wie Demir Hotic sich anbietet,Türen zu öffnen, warum lässt man ihn dies nicht tun? Hat Marketingleiter Martin Kurzka Angst um seinen Job? Darin sehe ich das totale Desinteresse der Führung der Kickers. Was macht eigentlich Manager Joachim Cast den ganzen Tag? Er hat unfähige Spieler verpflichtet. Wieso müssen dies Spieler sein, die aus Reutlingen kommen, hat hier Ex-Präsident Hans Kullen durch seine Verbindungen mit Cast die Hände im Spiel? Die Kickers sollten sich von ihrem Manager trennen, dann ist auch Geld für Neuverpflichtungen da.

Heinz Heim, Stuttgart (per E-Mail)

StN: Die Angst vor der Heimfahrt

Der Kickers-Bus rollt ohne uns ins Saarland, weil die Griechen schon genug verloren haben

Dies ist die Geschichte von der Tragik alter Säcke. Wir kennen alles schon. Wir lassen unsere Déjà-vu-Erlebnisse beim Psychiater behandeln, wir schwören, den gleichen Mist nicht noch einmal zu veranstalten. Und dann sitzen wir tiefer im Schlamassel als je zuvor.

Es ist gerade mal acht Jahre her. Am Freitag, dem 27. Mai 2000, fuhren wir nach Karlsruhe. Es hat nie viele Gründe gegeben, nach Karlsruhe zu fahren. Diesmal schon. Am letzten Spieltag der zweiten Liga kämpften die Kickers beim KSC gegen den Abstieg. Ausgerechnet in Baden.

Der berühmte Kickerspräsident Axel Dünnwald-Metzler (ADM) regierte noch, aber jeder wusste, dass auch Patriarchen nicht ewig an der Macht bleiben. Wenn Patriarchen gehen, hinterlassen sie keinen Unterbau. Das System bricht zusammen.

Noch aber war der Präsident wohlauf und sein Club nicht ohne Chance. Ein Sieg würde uns retten und ein Unentschieden genügen, würde St. Pauli in Oberhausen verlieren. Wir spielten 1:1, aber St. Pauli leider auch. Der verehrte Piratenclub schoss das 1:1 in letzter Sekunde.

Das Schlimmste war der Rückweg. Ich schrieb noch einen kleinen Zeitungsbericht, er endete mit dem Satz: „Es wurde, mit Verlaub, eine beschissene Heimfahrt.“ Der Zensor hat das anstößige Adjektiv in der Eile akzeptiert, der Schreiber befand sich im Ausnahmezustand.

Das Scheißadjektiv habe ich in der Zwischenzeit öfter gebraucht, wenn es um die Kickers ging. Wir im Kickers-Tross sind ständig in einer Ausnahmesituation. Da ich heute ein hoffnungsloser Fall für den Psychiater bin, wäre ich an diesem Samstag beinahe im Fanbus nach Elversberg/Saarland gefahren. Aber George der Grieche, mein Stehtribünennachbar vom Kickersplatz, hat gesagt, er würde die Heimfahrt im Fall des Abstiegs nicht überleben. Er könne das seiner Familie nicht antun.

Gut, habe ich gesagt, das Glück ist eine Hure. Ich will George den Griechen nicht sterben sehen. Die Griechen haben schon genug verloren, seit sie die Demokratie erfunden haben. Wir werden in die Stuttgarter Rock“n“Roll-Kneipe Schlesinger gehen und das Drama live auf der Leinwand verfolgen. Wir wollen nicht in einem Reisebus zu Grunde gehen, womöglich im Saarland. Wir sterben lieber an Gram und Ungerechtigkeit in der Kneipe. „Begrabt mich hinter der Theke“, hat Dean Martin gesagt.

Selbstverständlich hat mir der Psychiater dieses pathetische Geschwafel verboten. Haben Sie nichts dazugelernt seit dem 27. Mai 2000 in Karlsruhe?, hat er gesagt. Doch, habe ich gesagt, aber Sie nicht. Seinerzeit ging es nur um den Abstieg in die dritte Liga. Diesmal aber fahren wir in die Hölle der vierten Liga. Der Psychiater wird die Behandlung abbrechen und mich von seiner Liste streichen, noch bevor ich ihm die ganze Wahrheit erzählen kann. Wir sind 2000 überhaupt nicht abgestiegen, weil der Berliner Pfeifenclub TeBe keine Lizenz erhalten hat. Und unser damaliger Trainer, der gelernte Kneipenwirt Stepanovic, hat später vor Gericht noch seine Nicht-Abstiegsprämie erstritten. Im Fußball ist nicht nur das Glück eine Hure.

Stuttgarter Nachrichten

JOE BAUER – Heute alles live aus der globalen Arena

Im K-Block 

Wir sind zurück im Innern der Welt, in der Seele des Fußballs, und wir sind nicht in München. In Stuttgart diskutieren sie noch über die neue Mercedes-Arena, da haben wir längst Platz genommen im mondänsten aller Stadien. Ich sitze, den kleinen Computer vor der Nase, in der Fußballkneipe. Mag die Bar selbst rauchfrei nicht nach Glanz und Gloria von Thurn und Taxis riechen, mag sie nicht als Vip-Room taugen, so dient der Strafraum am Tresen doch immer noch als Hip-Lounge: alle Mann auf Ballhöhe. Die Bildschirme sind flacher geworden. Das Publikum ist so klug und gerecht wie eh und je.

Es ist kurz vor fünf, in München geben sie den Südgipfel Bayern vs. VfB, in der Fußballkneipe Ackermanns dröhnt Rock“n“Roll. Die Kneipe ist voll, neben mir hat der Kfz-Meister Eddy, 41, als mein Co-Kommentator Position bezogen. Eddy weiß wie ich, dass die Stimmung in der Kneipe ein Spiel beeinflussen kann. Diese These hat der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit formuliert, und sie ist wahr. Der Glaube kann Berge versetzen und der Kneipen-Groove Bälle fernlenken. Die Kneipe – der Sound lässt keine Zweifel – ist bereit: Wir sind die Arena. Die Wände werden zittern, die Wellen die Straße erfassen und über die A 8 nach München jagen.

Es geht, verdammt, nicht um viel in diesem Spiel? Quatsch, sagt Eddy, alles eine Frage der Ehre. Es gibt jeden Tag einen Grund, die Bayern in den Sack zu hauen. Heute ist ein guter Tag: Der alte Meister, sagt Eddy, wird den neuen schlagen.

Es geht um alles, man macht keine Witze. Der Südgipfel ist, Weizenbier hin oder her, kein Weißwurstzipfel. Alles klar, sage ich – und Luca Toni schießt das 1:0 für Bayern. Eddy leidet still und bewegungslos. Ein Schock in Zeitlupe. Nirgendwo benehmen sich Fans anständiger als im globalen K-Block, der großen Fußballkneipe. Gott dankt es, ein paar Minuten später haben die Wellen die A 8 verlassen und erreichen die Allianz-Arena: da Silva schießt das 1:1. Und wenn Sie, meine Damen und Herren, neben mir säßen wie Eddy, würden Sie mir glauben: In der Kneipe könnten Sie fühlen, wie es ist, einem Bazi ins Gesicht zu schauen. Im Flohzirkus des Daimlerstadions können Sie nicht mal unterscheiden, ob gerade Luca Toni oder der Eisverkäufer durchs Stadion läuft.

Eddy sagt, er muss für kleine Jungs, und das ist korrekt, denn in der Kneipe singt zur Pause der alte Schleimer Campino von den Toten Hosen: „Ich würde nie zum FC Bayern München gehen.“ Sag ich doch, dieser Song bringt Unglück. Warum, fragt Eddy, macht sich der Schäfer im VfB-Tor nicht länger? Heißt er vielleicht Bastürk? Van Bommel trifft zum 2:1. Soll ich noch mehr erzählen aus der Fußballbar? Geht nicht. Hörsturz. Strich. Punkt. Koma.

Wenn Sie meinen Live-Report aus der Fußballkneipe lesen, meine Damen und Herren, mag er Ihnen kälter aufstoßen als Ihr Kaffee. Aber ich habe den Auftrag, es Ihnen auch im Namen von Eddy zu sagen: Der FC Bayern ist Pokalsieger. Der FC Bayern wird deutscher Meister. Aber den Triumph des Triples haben Gottes Wellen verhindert: Der FC Bayern liegt abgeschlagen auf Platz acht der Regionalliga Süd, nur einen Rang vor den Stuttgarter Kickers.

Stuttgarter Nachrichten

Ein Herz für die Kleinen

Viele fragen sich: Warum ist bei den Stuttgarter Kickers nie Geld da? Ich halte es für angebracht, dazu etwas zu sagen. Das Problem ist die gewaltige Einnahmenschieflage im Umfeld. Beginnen wir mit den Vereinsmitgliedern, dann ist festzustellen, dass der VfB Stuttgart mindestens 20-mal so viele zahlende Mitglieder hat wie die Stuttgarter Kickers. Der VfB hat in einem einzigen Spitzenspiel mehr Zuschauer als die Kickers in 17 Heimspielen zusammen. Der Etat der Blauen für alle Spieler inklusive der Vereinsangestellten liegt bei 2,5 Millionen Euro. Beim VfB verdient ein Teil der Profis jährlich mehr, als die Kickers für die gesamte Saison zur Verfügung haben.

Ein Durchschnittsverdiener kommt in 80 Lebensjahren inklusive Rente nicht auf dieses Bruttoeinkommen. Es klingt deshalb wie Hohn, wenn VfB-Aufsichtsratchef Dieter Hundt die zu hohen Lohnerhöhungen kritisiert, für VfB-Profis aber ein Millionengehalt für gerechtfertigt hält. Es ist ein Umdenken bei Zuschauern und Sponsoren notwendig – hin zu mehr Fair Play. Auch die kleinen Vereine sollten existieren können.

Oswald Reichert, Ammerbuch-Pfäffingen

Stuttgarter Nachrichten

Leserbriefe zur aktuellen Situation der Kickers

Benefizspiel für die Blauen
Zur Situation der Stuttgarter Kickers:

Im Sport ist Fair Play das oberste Gebot. Die Stadt Stuttgart hat davon offenbar noch nichts gehört, ebenso wenig wie die Sponsoren des VfB Stuttgart. Das Geld für den Stadionumbau steht sofort bereit, auf die Sanierung der sanitären Anlagen in der Eissporthalle auf der Waldau warten die Sportler dagegen seit Jahren.

Im Übrigen gab oder gibt es in Stuttgart auch noch andere Sportvereine als Werbeträger. Zum Beispiel die Wasserballer des SV Cannstatt und die Hockeyspieler des HTC Stuttgarter Kickers. Vor allem die kleinen Vereine leiden unter dem Sponsorensog des VfB Stuttgart – auch die Handballer von Frisch Auf Göppingen.

Dem VfB stünde ein wenig Solidarität mit diesen Clubs sicher gut zu Gesicht. Weshalb ich den Vorschlag des Leserbriefschreibers Konrad Fiebig gut finde. Der VfB sollte in einem Freundschaftsspiel im Daimlerstadion gegen die Stuttgarter Kickers antreten. Die Freikarten für die Fans werden von den VfB-Sponsoren zur Verfügung gestellt. Der Reinerlös des Benefizspiels kommt den Blauen und anderen kleinen Clubs zugute. Der VfB steckt vor allem tief in der Schuld der Kickers. Seine Erfolge hatte er immer auch Spielern, die von der Waldau kamen, zu verdanken.

Oswald Reichert, Ammerbuch

Stuttgarter Nachrichten

Unausgewogene Berichte
Göttlicher Beistand würde ihrem Autor Jürgen Frey auch sehr gut tun. Seit Monaten frage ich mich, welches Ziel er verfolgt. Was für ein Problem hat er mit den Kickers ? Und wenn er eines hat, warum muss gerade er über die Blauen berichten?

Sicherlich wurden und werden bei den Blauen Fehler gemacht. Diese müssen auch aufgearbeitet und mitgeteilt werden. Wenn dies aber so unausgewogen und tendenziös geschieht wie in Ihrem Sportteil, dann habe ich keine Lust mehr auf Ihr Blatt.

Sicherlich kann man über die Papst-Aktion diskutieren. Die kritischen Stimmen im Kickers-Forum wurden richtig wiedergegeben. Völlig verschwiegen wurde jedoch, dass die Mehrheit in besagtem Forum der sicherlich medienwirksamen Aktion positiv gegenübersteht. Als Journalist sollte man dies erwähnen.

Peter Walter, Denkendorf (per E-Mail)

Stuttgarter Nachrichten

Von Eichelbaum lernen
Zum Beitrag „Kickers bitten Papst zum Spiel“:

Was lernen wir aus der „Aktion“ von Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum? Mit göttlichen Ideen solcher Art ist der Weg in die Hölle eigener Unvernunft gepflastert.

Werner Hornung, Stuttgart

Stuttgarter Nachrichten