Die Geduldsprobe bestanden
Kickers Der Regionalligist kommt spät zum 2:0 gegen Memmingen.Von Joachim Klumpp
Als zwölf Minuten vor Schluss das erlösende Führungstor der Stuttgarter Kickers gegen den FC Memmingen fiel, da blieb der Präsident Edgar Kurz seelenruhig auf seinem Platz sitzen, während weiter unten auf der Tribüne der jüngere Vorstandskollege Axel Kohlberg Freudentänze vollführte. Diese Gegensätze in der Führungsriege verdeutlichen zumindest ansatzweise die Bandbreite, die der Fußball-Regionalligist aufweist. Und die sich auch ein wenig auf dem Platz niedergeschlagen hat beim verdienten 2:0 (0:0) gegen den Aufsteiger zum Auftakt der Saison. „Wichtig ist, dass man so ein Spiel gewinnt, das haben wir gemacht“, sagte Kurz.
Es war ein Geduldsspiel – und diese Probe haben die Kickers bestanden, nachdem in der Pause der Trainer Dirk Schuster und später auf dem Platz auch der Kapitän Marcel Rapp darauf hingewiesen hatten, Ruhe zu bewahren. Erst recht, nachdem die Gäste von der 55. Minute an in Unterzahl operieren mussten und es die Kickers zuvor verpasst hatten, aus einer Reihe von Chancen Kapital zu schlagen. Als der Ball nach Aktionen von Marcel Brandstetter und später Patrick Auracher doch im Netz lag, verweigerte der Schiedsrichter wegen Abseits und einem Foul die Anerkennung. Rapp: „Aber wir wussten: wenn wir so weiterspielen, wird ein Tor fallen.“
Auch wenn es bis zur 78. Minute dauerte, ehe Philip Türpitz nach einem Doppelpass mit dem ebenfalls eingewechselten Denis Videc zum 1:0 traf – und gut und gerne zwei weitere Tore hätte machen können, ja müssen. „Da hat mich die Mannschaft aufgebaut“, sagt der 18-Jährige zu den vergebenen Chancen. Dass der ebenfalls frisch gekommene Daniel Reule den Schlusspunkt setzte, spricht für das Händchen des Trainers Dirk Schuster. Aber auch für die Alternativen im Kader. Dort fehlen zwar nach dem Abgang des Torjägers Mijo Tunjic auf dem Papier 19 Treffer, dennoch hat der Trainer jetzt mehr die Qual der Wahl.
„Im Moment kann ich nicht sagen, wie die Rangordnung exakt aussieht“, sagt Schuster. In der Tat werden die Karten speziell im Angriff noch kräftig gemischt. Marcel Brandtsetter war gesetzt, zudem begann Ali Pala, allerdings weniger überzeugend, später kamen die genannten drei Bankdrücker, wobei der routinierte Reule in der Hierarchie nur die Nummer fünf war. „Normalerweise muss ich mich nicht mehr empfehlen“, sagt der 27-Jährige zu seiner Rolle. „Es freut mich, dass er und Philip Türpitz die richtige Reaktion gezeigt haben, nachdem sie nicht in der Anfangsformation standen“, so Schuster, der seiner Linie treu blieb. Namen zählen nicht. Jeder Spieler muss sich empfehlen.
So fand sich auch der in der Vorbereitung hochgelobte Jerome Gondorf auf der Bank wieder, wenngleich Marcel Ivanusa und Fabian Gerster über die Außenbahnen nicht immer den gewünschten Druck ausüben konnten. Das gelang Oliver Stierle etwas besser, der links erst defensiv, dann offensiv agierte.
Es bleibt noch reichlich Luft nach oben. Das Spiel ist unter anderem teilweise noch zu sehr auf Enzo Marchese als Dreh- und Angelpunkt ausgerichtet, was es dem Gegner auf Dauer leicht macht, die Kickers auszurechnen. Mit Patrick Milchraum hätten sich das vielleicht schnell ändern können, der Trainingsgast schließt sich jedoch dem Zweitligisten FC Erzgebirge Aue an.
Es kommen noch andere Gradmesser als die tapferen Feierabendkicker aus Memmingen. „Trainiert wird viermal abends, alle Spieler gehen einer Ausbildung oder einem Beruf nach“, sagte der Coach Esid Kahric. Da geht es bei den Kickers professioneller zu, was die Trainingsintensität betrifft. Das zahlte sich aus. „Wir haben 90 Minuten lang Gas gegeben“, sagte Stierle.
Das galt auch für Kohlberg, der auf der anschließenden Fanparty unter dem Fernsehturm kräftig einheizte, während es den Präsidenten ins Theaterhaus zog, wo unter dem Kickers-Motto „Hurra, wir kicken noch“ gefeiert wurde. Am Freitag (18 Uhr) geht es im württembergischen Pokalwettbewerb zum Verbandsligisten Nagold, am Mittwoch darauf zum Punktspiel nach Pfullendorf, danach kommt die SG Sonnenhof. Und dann weiß man auch schon mehr, was der Sieg gegen Memmingen wert war.
Stuttgarter Kickers Wagner – Abruscia, Auracher, Rapp, Stierle – Gerster, Rizzi, Marchese, Ivanusa (64. Türpitz) – Pala (53. Videc), Brandstetter (73. Reule).
Stuttgarter Zeitung
Die Offensive kommt schwer in Schwung
Die Stuttgarter Kickers besiegen den Aufsteiger FC Memmingen zum Saisonauftakt mit viel Geduld und 2:0
Stuttgart – Der Verzweiflung folgte die Erleichterung: Erst in der Schlussviertelstunde hat die neue Offensive der Stuttgarter Kickers dem Fußball-Regionalligisten einen erfolgreichen Saisonstart gesichert. Beim 2:0 (0:0)-Heimsieg gegen den Aufsteiger FC Memmingen war vor allem eines gefragt: Geduld.
Von Beate Wockenfuß
„Aller Anfang ist schwer. Aber letztlich bin ich zufrieden, dass wir die drei Punkte geholt haben. Das war unser Ziel“, bilanzierte Kickers-Trainer Dirk Schuster nach den 90 Minuten, von denen ihn mindestens 70 einige Nerven gekostet hatten. Schließlich war sein Team von Beginn an in allen Belangen überlegen, machte Druck, erspielte sich immer wieder gute Chancen – doch ein Tor gelang nicht. Das wussten die nervösen Debütanten aus dem Allgäu zu verhindern, weil sie sich in erster Linie darauf konzentrierten, in der eigenen Hälfte eng zusammenzustehen und die temporeichen Angriffe der Gastgeber abzubremsen. Nach vorne blieben sie dagegen harmlos und bescherten Kickers-Torhüter Daniel Wagner damit einen relativ ruhigen Nachmittag.Doch die Uhr tickte. Und als die Schlussviertelstunde anbrach und es immer noch 0:0 stand, wurde es unruhiger unter den 2790 Zuschauern im Gazi-Stadion. Erst recht, weil die „Blauen“ seit der 55. Minute wegen einer Gelb-Roten Karte gegen Daniel Böck in Überzahl waren, doch auch daraus kein Kapital schlugen. Und weil Schuster in Ali Pala und Marcel Brandstetter bereits zwei Stürmer aus- und in Denis Videc (53.), Philip Türpitz (64.) und Daniel Reule (73.) drei neue eingewechselt sowie Oliver Stierle aus der Abwehr in die Mitte beordert hatte. Volle Kraft voraus also. Schließlich hatte der Trainer vor dem Saisonstart immer wieder betont, dass man sich in der Offensive qualitativ verstärkt und nun auch mehr Variationsmöglichkeiten habe. Nur an der Effektivität mangelte es bis dahin.Doch in der 78. Minute wurde die Ausdauer der Hausherren belohnt – dank der eingewechselten Stürmer. Nach einem Doppelpass mit Videc sorgte Türpitz für das erlösende 1:0. „Das Tor kam zum richtigen Zeitpunkt“, freute sich der 18-Jährige über die Initialzündung. Nur drei Minuten später erzielte Reule mit einem satten Schuss aus 30 Metern den 2:0-Endstand (81.). Schuster freute sich für die Torschützen. „Das war die richtige Reaktion darauf, dass sie nicht zur ersten Elf gehörten“, sagte der Trainer, der nun ein kleines Luxusproblem bei der künftigen Auswahl der beiden Spitzen haben dürfte.
Und so waren alle Beteiligten erst mal froh, mit einem Positiverlebnis in die Runde gestartet zu sein. „Wir wollten den Platz unbedingt mit einem Sieg verlassen. Das ist gelungen“, sagte Rückkehrer Stierle, der sich nach zwei Jahren beim FC Bayern München II bei seinem ehemaligen Verein schon wieder sichtlich wohl fühlt. „Es war schön, wieder für die Kickers spielen zu dürfen“, strahlte der 27-Jährige und räumte ein, am Anfang sogar etwas aufgeregt gewesen zu sein.
In der Liga müssen die „Blauen“ erst am 18. August (19 Uhr) wieder ran, dann auswärts gegen den SC Pfullendorf. Davor gilt es, am Freitag (18 Uhr) beim Verbandsligisten VfL Nagold die dritte Runde des WFV-Pokals zu überstehen – und der neuen Offensive dabei weitere Empfehlungschancen zu geben.
Eßlinger Zeitung
Der gute Geist verhilft nicht zum Punktgewinn
FC Memmingen – Aufopferungsvoller Einsatz wird am Ende in Stuttgart nicht belohnt – 0:2 im ersten Regionalligaspiel
Otto König ist hinterher kaum zu trösten. «Nur zwölf Minuten», so hadert er, «haben gefehlt, um hier einen Punkt mitzunehmen». Nach dem Duschen und vor der Rückfahrt mit dem Mannschaftsbus ist Zeit für den Tross des FC Memmingen, auf dem Parkplatz der Stuttgarter Kickers die 0:2 (0:0)-Niederlage im ersten Spiel des Klubs in der Regionalliga zu analysieren.
Mittendrin Otto König: Ausgebreitet hat er am Bus allerhand Leckeres, mit dem sich die Kicker für die Heimreise stärken können. Der Rentner ist seit nunmehr neun Jahren bei jedem Auswärtsspiel des FCM dabei. Zusammen mit Sohn Michael, 15, der seit seinem sechsten Lebensjahr mit von der Partie ist, sorgt König für die Verpflegung der Kicker. Er gehört mithin zu den «guten Geistern», die jeder Verein braucht, wenn alles reibungslos laufen soll.
Obwohl sich die Mannen um Trainer Esad Kahric am Aufgetischten kräftig bedienen, ist König am Samstagnachmittag auf der Waldau nicht zufrieden. Seine Glücksbringer, ein kleines Schwein aus Stein sowie einen gepunkteten Käfer, hat er diesmal nicht ins Stadion nehmen können. Aus Angst, sie würden ihm – wegen der verschärften Sicherheitsbestimmungen in der Regionalliga – abgenommen. Könnten ja als kleine Wurfgeschosse taugen.
Dabei hat König nichts weniger im Sinn, als seine Mitbringsel derart zu missbrauchen. Immerhin benetzt er vor jedem FCM-Spiel das Schweinchen in der Memminger Johannkirche mit Weihwasser. Dazu betet der gebürtige Hesse, dass für «seinen» FCM (er lebt seit rund 30 Jahren in der Maustadt) alles, wenn nicht siegreich, so doch wenigstens gut ausgehen möge.
Vermisst habe er seine gewohnten Glücksbringer aus Stein schon, betont König, als der Bus schon wieder Richtung Allgäu unterwegs ist.
Zusammen mit fast 3000 weiteren Zuschauern hatte er davor im Gazi-Stadion in Stuttgart erlebt, welch schwere sportliche Aufgaben in der vierthöchsten deutschen Spielklasse auf die Jungs warten, denen er regelmäßig Gefolgschaft leistet. Er hat auch gesehen, was möglich gewesen wäre, wenn…
l …Stefan Zobel in der 35. Minute mit seinem blitzschnell abgegebenen Direktschuss erfolgreich gewesen wäre, l …Daniel Böck sich in der 55. Minute kein zweites Foul im Mittelfeld geleistet hätte, l …Harald Holzapfel in der 67. Minute nicht verletzungsbedingt das Feld hätte verlassen müssen, l …Christoph Mangler in der 73. Minute eine sich urplötzlich ergebende Chance genutzt hätte.
Hätte, wenn und aber: Es hat am Samstag nicht gereicht. Gleichwohl hat sich die fußballerische Nummer zwei in Schwaben gegen einen starken Gegner respektabel geschlagen, wie beide Trainer hinterher zu Recht betonten (siehe «Stimmen zum Spiel»).
Vielleicht hat dem FCM letztlich die nötige Cleverness gefehlt. Oder es war auch nur die Verbindung nach ganz oben gestört. Man braucht ja nur mal bei Otto König nachzufragen, worans gelegen haben kann. Allgäu Sport
Zwei Joker schlagen Memmingen
(Memmingen/ass) Bis zur 78. Minute stand die Null. Durch zwei Joker-Tore in der Schlussphase brachten die Stuttgarter Kickers dem FC Memmingen bei dessen ersten Auftritt in der Fußball-Regionalliga Süd mit 0:2 (0:0) die erste Niederlage bei.
Irgendwie war an diesem Nachmittag vor der tollen Kulisse von 2790 Fans in Stuttgart bei herrlichem Sommerwetter alles drin. Eine noch höhere Abfuhr, aber auch eine Sensation, weil Memmingen „durch die starke Defensive“, wie Kickers-Trainer Dirk Schuster befand, den Hausherren „das Leben mehr als schwer gemacht hat“.
Zweimal zappelt der Ball zwar schon in der ersten Halbzeit im Memminger Tor, doch Stuttgart wurde einmal wegen Abseitsstellung und zum anderen wegen eines vorangegangenen Foulspiels an Torhüter Tobias Kirchenmaier zurückgepfiffen.
Knackpunkte des Spiels waren der Platzverweis für Daniel Böck und der Ausfall von Harald Holzapfel in der Abwehrkette. Böck hatte sich zwei Foulspiele im Mittelfeld geleistet, sah die Ampelkarte und muss am Donnerstag gegen Vize-Meister 1. FC Nürnberg II zuschauen.
Hätte Memmingen nicht in Unterzahl gespielt, es wäre für Stuttgart sehr schwer geworden, die Abwehr zu knacken – darüber waren sich beide Seiten einig. Holzapfel zog sich bei einer Rettungstat eine Platzwunde zu, die mit vier Stichen genäht werden musste. Als er fehlte, fiel just über seine Abwehrseite die Stuttgarter Führung durch Philipp Türpitz. Die Entscheidung fiel drei Minuten später mit einem satten 30-Meter-Schuss, ein weiteres Joker-Tor durch Daniel Reule.
So blieb FCM-Trainer Esad Kahric nicht anderes übrig als dem „starken Gegner zum verdienten Sieg“ zu gratulieren, zeigte sich mit der Leistung seiner Mannschaft aber trotz der Niederlage zufrieden. „Es hat Spaß gemacht hier zu spielen. Leider dauerte der Spaß nicht ganz bis zum Schluss“, so Kahric.