Presse zur anstehenden Jahreshauptversammlung

„Die Konsolidierung des Vereins ist eine Herkulesaufgabe“

Interview mit dem Kickers-Präsidenten Dirk Eichelbaum zur wirtschaftlichen Situation des Fußballdrittligisten, dem verschobenen Stadionumbau und den Fernsehgeldern

Morgen steht die Hauptversammlung des Drittligisten Stuttgarter Kickers auf dem Programm. Während es sportlich beim Tabellenvorletzten nicht rund läuft, weist die Bilanz einen Gewinn von rund 170 000 Euro aus. Dennoch sagt der Präsident Dirk Eichelbaum im Gespräch mit Joachim Klumpp: „Wir brauchen aus den Fernsehgeldern mindestens einen siebenstelligen Betrag.“

Herr Eichelbaum, vor der letzten Hauptversammlung war die Rede von einem Investor für die Kickers. Wird der nun morgen aus dem Hut gezaubert oder ist das Thema abgehakt?

Das kommt darauf an, wie man das Thema angeht. Wir haben ja einen Investor, in Form einer Beteiligungsgesellschaft, die an den Spielerwerten partizipiert. Aber das Thema externer Investor steht aktuell nicht auf der Agenda. Und ich möchte auch nicht, dass es in Richtung Traumtänzerei gerückt wird.

Das bedeutet, die Kickers müssen vorerst mit einem Etat zwischen drei und dreieinhalb Millionen Euro pro Saison auskommen. Ist das machbar?

Das ist jedes Jahr aufs Neue sehr schwierig, weil alles auf Kante genäht ist und nirgends etwas dazwischenkommen darf.

Also keine zusätzlichen Kosten – wie ein Trainerwechsel?

Zum Beispiel.

Edgar Schmitt ist nun bereits der dritte Trainer innerhalb eines Jahres. Was macht Sie so sicher, dass es diesmal auf längere Sicht die richtige Wahl ist?

Weil er Begeisterung in der Mannschaft weckt – und das auch vorlebt. Und er es schafft, die Spieler so zu motivieren, dass sie wieder an ihre Stärken glauben. Und ich ganz sicher bin, dass wir, wenn die Saison zu Ende ist, mindestens drei Mannschaften hinter uns lassen.

Der Trainer hat den Wunsch geäußert, im Winter Verstärkung zu bekommen. Kann er das Präsidium motivieren, diesen zu erfüllen?

Wir haben das sehr wohl vernommen und werden sehen, ob das möglich ist. Aber versprechen kann ich das heute nicht. Das hängt von den Rahmendaten ab, wie sich wer noch engagieren möchte. Und ob wir eventuell Abgänge haben. Das planen wir zwar nicht, aber wir sind natürlich gesprächsbereit, wenn sich ein Spieler verändern möchte.

Beim Stichwort Engagement fällt uns der Vertrag mit der Agentur Event Sport Marketing in Leonberg ein. Da hört man wenig Erfolgsmeldungen. Warum?

Das läuft sicher für beide Seiten nicht zufriedenstellend. Aber auch da muss man die weitere Saison abwarten. Unsere Marketingeinnahmen insgesamt haben wir gesteigert, damit sind wir sehr zufrieden.

Weniger zufriedenstellend ist der Stadionumbau, der zunächst um zwei Jahre aufgeschoben wurde. Inwieweit belastet das die Planungen der Kickers?

Um es klar zu sagen: das belastet uns sehr, weil wir – Stand heute – für die nächste Saison in der dritten Liga keine geeignete Spielstätte haben. Und der DFB wird sicher nicht im Vorbeigehen sagen: dann spielt ihr halt so weiter.

Die Alternative wäre ja nur Mercedes-Benz-Arena, Reutlingen – oder?

Die Alternative wäre im Endeffekt, gar nicht für die dritte Liga zu melden, aber das kann“s ja wohl nicht sein. Deshalb wird es am Donnerstag ein Gespräch mit den Entscheidungsträgern des DFB geben. Wir müssen Klarheit haben, ob wir nochmal eine Ausnahmegenehmigung bekommen. Und zwar nicht erst im März, April – sondern zeitnah.

Wird auf der Hauptversammlung der alte und neue Vorstand komplett entlastet, also inklusive des Expräsidenten Hans Kullen, der gegen Jena auf der Tribüne saß?

Das hoffe ich und wünsche ich mir – und ich wüsste auch nicht, was dagegen spricht.

Sind denn beim Thema Satzungsänderung größere Änderungen zu erwarten?

Wir haben Satzungsänderungen vorbereitet, aber das sind eher Feinheiten, keine drastischen Dinge, wie eine Reduzierung des Aufsichtsrats. Und es gibt Anträge, die eher im weltanschaulichen Bereich liegen, von denen ich der Meinung bin, dass sie unsere Satzung schon hergibt.

Der Vertrag mit dem Hauptsponsor ist bereits verlängert worden, für die dritte Liga. Trotzdem gibt immer wieder Stimmen, die sagen, es ist zu wenig Geld.

Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Wir hatten eine klare Zielvorgabe, die haben wir erreicht, und es ist eine faire Lösung für beide Seiten. Der Hauptsponsor hat einen erstklassigen Vermarktungsbereich, weil vor allem der TV-Sektor über den Erwartungen liegt. Wir haben regelmäßig Sendezeiten zwischen 18 und 18.30 Uhr bei vier Millionen Menschen, mit einem Kernbereich der männlichen Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahre.

Wären die jetzt angekündigten gut 200 000 Euro Mehreinnahmen pro Saison aus dem Fernsehvertrag eine Summe, bei der Sie sagen: damit können wir leben?

Es ist immer noch weit von dem entfernt, was ich für angemessen halte. Vor allem, wenn man die Sendezeiten im dritten Programm, aber erst recht in der ARD sieht. Das einzige, wo wir keine größere Verbreitung haben, ist das ZDF. Mit 500 000, 600 000 oder auch 800 000 Euro ist das nicht gerecht honoriert; es müsste zumindest eine siebenstellige Summe sein.

Zumal der Forderungskatalog des DFB, zum Beispiel in Sachen Stadion, schon sehr nahe an der zweiten Liga ist.

Und der nächste Punkt ist die Jugendarbeit, wo Professionalisierung gefordert wird. Aber wenn ich Professionalisierung fordere, dann muss ich sehen, dass es Geld kostet, und zwar massiv Geld.

Wie weit ist man in Sachen des von 2010/11 an geforderten Jugendinternats?

Wir arbeiten daran. Wir sind zwar aus der A- und B-Junioren-Bundesliga abgestiegen, aber da wollen wir auf Sicht natürlich wieder hin. Nur konkurrieren wir dann mit Mannschaften, die einen Jugendetat haben, wie wir einen Gesamtetat.

Und wie sieht es mit dem Jugendkoordinator Zoltan Sebescen aus, um dessen Aufgaben es immer mal wieder Diskussionen gegeben hat?

Er hat uns davon in Kenntnis gesetzt, dass er sich in absehbarer Zeit beruflich verändern will. Deshalb muss man hier abwarten.

Auch wenn aktuell keine Neuwahlen anstehen: wie lange wollen Sie noch den Job des ehrenamtlichen Präsidenten der Stuttgarter Kickers machen?

Wenn“s jemand anders machen möchte und mit großem finanziellen Engagement an die Sache geht, dann bin ich auch bereit, das Amt außerplanmäßig abzugeben. Ansonsten ist es einfach so, dass wir uns vorgegeben haben, in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit dem Aufsichtsrat, die Konsolidierung des Vereins voranzutreiben. Das ist eine Herkulesaufgabe. Was die Altverbindlichkeiten angeht, haben wir große Erfolge erreicht. Allerdings ist es sehr schwierig, das Ganze mit einem wirtschaftlich einträglichen Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten.

Insofern wäre ein Weiterkommen im WFV-Pokal sicher hilfreich gewesen?

Vielleicht schafft es ja unsere zweite Mannschaft – die noch im laufenden Wettbewerb vertreten ist.

Stuttgarter Zeitung

Kickers-Präsident Eichelbaum im Interview

„Die Not schweißt zusammen“

Stuttgart – Die sportliche Situation beim Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers ist prekär, die Finanzlage wie immer angespannt. Dennoch blickt Präsident Dirk Eichelbaum der Mitgliederversammlung am Mittwoch, 26. November (19 Uhr/Kickers-Vereinsheim), gelassen entgegen.

Herr Eichelbaum, die Steilvorlage der Mannschaft für die Mitgliederversammlung blieb aus. Wie sehr tut das 0:3 gegen Jena weh?

Dieses Spiel ging leider total in die Hose. Und der Zeitpunkt der Niederlage war der denkbar ungünstigste.

Erwarten Sie eine turbulente Versammlung?

Nein, ich sehe dafür keine Ansatzpunkte. Die Mannschaft befindet sich nach dem Trainerwechsel, trotz des Rückschlags, auf einem guten Weg. Und finanziell können wir für das Geschäftsjahr 2007/08 einen Gewinn vermelden.

Sind Sie stolz auf diese 170.000 Euro?

Stolz nicht, da dieser Gewinn auf einen Sondereffekt zurückzuführen ist – die Einführung der Beteiligungs GmbH & Co. KG. Dies lässt sich nicht beliebig wiederholen.

Also droht in der einnahmefreien Winterpause wieder ein Liquiditätsengpass?

Derzeit nicht, aber wir haben einen auf der Kante genähten Etat und müssen ständig versuchen, neue Sponsoren zu generieren.

Stimmt es, dass Ex-Präsidiumsmitglied Walter Kelsch sein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro zum 31. Januar 2009 gekündigt hat?

Das ist leider richtig. Wir wundern uns nur, weil er vor einem Jahr der Initiator dafür war, dass die Gremiumsmitglieder den Verein finanziell unterstützen.

Besteht denn in Anbetracht der angespannten Finanzlage überhaupt die Chance auf Verstärkungen in der Winterpause?

Ohne Spielerabgänge oder Sponsoren geht absolut nichts. Was mich allerdings optimistisch stimmt: Bisher hat sich bei den Blauen diesbezüglich immer etwas getan.

Der drohende sportliche und finanzielle Exitus ist ein ständiger Begleiter der Kickers. Worin liegt für Sie eigentlich der Reiz, das Präsidentenamt auszuüben?

Der Reiz war von Anfang an, einen als unsanierbar geltenden Club doch zu sanieren. Was die Altverbindlichkeiten betrifft, ist uns das gut gelungen. Die Not schweißt zusammen, wir in der Führungsetage verstehen uns als Schicksalsgemeinschaft.

Die bei einem sportlichen Abstieg am Saisonende das Ende der Kickers verkündet?

Nicht zwingend das Ende des Vereins, aber das Ende professioneller Strukturen. Wir könnten dann mit einer verstärkten Amateurmannschaft im ADM-Sportpark spielen – und ich sehe schon die Schlagzeilen: Gipfel der Schande – Ex-Bundesligist in der Regionalliga. Aber so weit wird es nicht kommen.

Wie groß sind Ihre Sorgen, dass Ihnen die Stadt wegen der aufgeschobenen Stadionmodernisierung einen Strich durch die Rechnung macht?

Sehr groß. Stand heute hätten wir keine Spielstätte für die nächste Saison. Was mir nicht in den Kopf will, ist die Argumentation der Stadt, die unsere Situation mit der in Aue, Emden und Regensburg vergleicht. Dabei müsste für Stuttgart Frankfurt der Maßstab sein. Und dort bekommt der FSV ein Stadion für 16 bis 17 Millionen Euro.

Die Sicherheitsauflagen sollen aber doch sofort erfüllt werden – reicht dies dem DFB nicht für die Lizenzerteilung?

Wenn das so wäre, möchte ich das schriftlich.

Haben Sie für sich entschieden, wie lange Sie Präsident bleiben möchten?

Axel Dünnwald-Metzler hat auf die Frage, wie man Millionär wird, mal gesagt: Man muss als Multimillionär Kickers-Präsident werden. Ich will zeigen, dass es auch anders geht und möchte den Club komplett sanieren. Wenn das Amt danach jemand anderer ausüben möchte, gebe ich es gerne ab.

Jürgen Frey, Gunter Barner

Stuttgarter Nachrichten

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