„Wir sind von den Fernsehübertragungen enttäuscht“

Der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum über die neue bundesweite Liga, deren mediale Wirkung und die Perspektiven seines Vereins

Die erste Euphorie nach der Qualifikation für die dritte Liga ist bei den Stuttgarter Kickers verflogen. Der Alltag hat den Verein vor dem Auftaktspiel am Samstag in Burghausen wieder und damit auch der Kampf ums Überleben. Wobei die Einigung mit dem Expräsidenten Hans Kullen ein wichtiger Schritt gewesen ist. „Unser Ziel ist es, die Verbindlichkeiten in geordnete Bahnen zu lenken“, sagt der Präsident Dirk Eichelbaum im Gespräch mit Joachim Klumpp.

Herr Eichelbaum, erst gab es lange Diskussionen um den Ausbau des Gazi-Stadions, jetzt steht nicht sicher fest, ob das erste Heimspiel am 2. August gegen Fortuna Düsseldorf überhaupt dort ausgetragen werden kann. Liegt ein Fluch darüber?

Wenn es sich bewahrheiten sollte, wäre das ein Fluch – aber noch hoffen wir auf einen Kompromiss. Es ist ja bekannt, dass unsere Anhänger alles lieber machen, als ins Daimlerstadion zu gehen. Schon gar nicht im ersten durchaus richtungsweisenden Spiel. Wir haben schließlich lange darauf gewartet, vor vollem Haus gegen den namhaftesten Gegner auf der Waldau spielen zu können.

Dritte Liga, namhafte Gegner, viele Zuschauer. Wie sieht Ihre Erwartungshaltung an die neue Spielklasse aus?

Sportlich stehen wir vor einer Saison mit vielen Unbekannten. Finanziell hoffen wir, dass sich die attraktiveren Gegner in höheren Besucherzahlen niederschlagen und ein insgesamt größeres mediales Interesse dazu führt, dass wir für Sponsoren noch attraktiver sind.

Stichwort Zuschauerinteresse. Der Dauerkartenverkauf ist im Vergleich zum Vorjahr nur um 200 auf 700 gestiegen.

Dabei darf man nicht vergessen, dass wir die Eintrittspreise erhöhen mussten.

Wofür es Kritik gab. Warum die, zum Teil deutliche, Anhebung?

Zunächst einmal haben wir ein attraktiveres Produkt. Zudem haben wir an allen Ecken und Enden gestiegene Kosten. Bei Reisen, Personal, Energie, Stadionmiete – und nicht zuletzt haben wir einen Sonderaufwand dadurch, dass wir die Verbindlichkeiten mit meinem Vorgänger Hans Kullen abtragen.

Sie haben diese Einigung als Quantensprung bezeichnet, weil Hans Kullen auf einen erheblichen Teil des Darlehens verzichtet hat. Ist das der Anfang eines Entschuldungsprogramms?

Das ist unser erklärtes Ziel, ganz klar. Die Verbindlichkeiten des Vereins in regulierbare Bahnen zu lenken. Da Herr Kullen zeitweise größter Darlehensgeber war und den Weg vors Gericht gesucht hat, war es besonders wichtig, diese Sache aus der Welt zu bringen.

Gibt es eine Größenordnung an Schulden, wo Sie sagen, damit könnte man leben?

Da hoffen wir, dass wir bis zur Mitgliederversammlung Nägel mit Köpfen machen können. Wir reden natürlich auch mit anderen Gläubigern, so dass der Verein künftig klar rechnen kann, wann er was zahlen muss, und den Kopf frei hat für andere Dinge.

Zum Beispiel für die Nachwuchsarbeit. Gibt es schon eine Einigung mit dem Jugendkoordinator Zoltan Sebescen?

Fakt ist zunächst, dass er einen Vertrag hat für diese Saison, in Teilzeit. Die Frage ist: möchte er mehr arbeiten. Wenn ja, auf welcher Basis? Jetzt ist volles Engagement gefordert, er muss sagen: ich will und kann das.

Bei der letzten Hauptversammlung war die Rede von einem Investor, ist das Thema noch aktuell?

Es ist nicht so, dass wir aus mehreren Angeboten aussuchen können, aber für jeden externen Investor ist es das A und O, dass die finanziellen Belange des Vereins geklärt sind, deshalb arbeiten wir daran.

Gibt es denn erste Erfolge in der Zusammenarbeit mit der Marketingagentur aus Leonberg zu vermelden?

Nein. Aber die Agentur macht Kaltakquisition mit Partnern, die noch nie etwas mit den Kickers zu tun hatten, da ist gewisse Anbahnungszeit nötig. Wir gehen davon aus, dass sich da noch einiges tut, sobald das Produkt dritte Liga entsprechend nachgefragt ist.

Der TV-Sender SWR hat zur Heimpremiere nicht nach einem Livespiel nachgefragt.

Es war sehr enttäuschend für uns, dass beide Liveübertragungen vom MDR gemacht werden. Das ist schließlich keine Neuauflage der Oberliga Nordost. Der Reiz der neuen Liga ist ja, dass Spiele gezeigt werden, die den bundesweiten Charakter zum Tragen bringen, da hätte dann durchaus eine Mannschaft des MDR dabei sein können. Aber am zweiten Spieltag kommt man um die Übertragung der Paarung Kickers gegen Düsseldorf eigentlich nicht herum.

Jetzt gibt es 590 000 Euro Fernsehgeld, nächste Saison vielleicht 825 000 Euro. Reicht das . . .

. . . Nein.

. . . auf Dauer für einen professionellen Spielbetrieb, hätte die Frage lauten sollen. Was muss sich also ändern?

Es muss eine Angleichung geben, wie das erfolgreich in der zweiten Liga passiert ist. Noch vor wenigen Jahren war jeder Abstieg aus der Bundesliga mit einer drohenden Insolvenz verbunden. Hier wurden sehr erfolgreich Verteilmodelle geschaffen, die es Mannschaften wie Köln, Freiburg oder Gladbach erlauben, auch mal einen längeren Zeitraum zweite Liga zu spielen. Wenn man sieht, dass dort im schlechtesten Fall 3,8 Millionen Euro gezahlt werden, ist der Absturz von 3,8 auf einen mittleren sechsstelligen Betrag in der dritten Liga viel zu hoch.

Die Fans haben gehofft, dass Mirnes Mesic zurückgeholt werden kann. Schmerzt es sehr, das der Transfer nicht geklappt hat?

Nein. Wir wollen eine homogene Struktur im Kader, ohne echte Ausreißer im Gehaltsgefüge nach oben. Natürlich hätten wir Mirnes Mesic gerne gehabt, aber ohne Aufgabe dieses Grundsatzes wäre das nicht gegangen. Und unsere Grundsätze wollen wir schon gerne einhalten.

Der Trainer Stefan Minkwitz hatte einen schlechten Einstand gehabt und war in der Winterpause nicht unumstritten. Dennoch haben Sie an ihm festgehalten. Zahlt sich Kontinuität also doch aus?

Nur von den Ergebnissen her war er am Anfang erfolglos. Mit Ausnahme des Ingolstadt-Spiels war eine deutliche Trendwende zu erkennen. Außerdem hat er der Mannschaft seine Handschrift verpasst, indem Weichenstellungen vorgenommen wurden, die, neben dem Glückgriff Alexander Rosen, eine Rolle gespielt haben. Gambo war im defensiven Mittelfeld überragend, Deigendesch hat eingeschlagen, Tucci Tore gemacht, Mann einen überzeugenden Innenverteidiger gespielt. Da hat man gesehen, der Trainer denkt sich etwas dabei. Und wenn jemand konzeptionell gut arbeitet, wird er irgendwann Erfolg haben – deshalb haben wir zu Stefan Minkwitz gehalten.

„Drin“ war das Schlagwort nach der Qualifikation für die dritte Liga. Was spricht dafür, dass die Kickers auch am Ende dieser Saison drinbleiben?

Sicher kann man nie sein, aber wir sind sehr zuversichtlich, weil es Vereine gibt, die mit uns – auch vom Etat her – auf Augenhöhe agieren. Zudem sind wir seit Jahren mit einem geringen Budget ganz ordentlich zurechtgekommen.

Die zweite Liga ist also kein Thema mehr?

Der Wunsch ist immer da, aber unter den Voraussetzungen sicher kein Saisonziel. Das lautet: sich in der neuen Liga etablieren.

Quelle: Stuttgarter Zeitung

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