Kritische Presse zur bevorstehenden Entscheidung zur Stadionsanierung

Stadträte träumen vom Kickers-Erfolg
Im Rat zeichnet sich eine Mehrheit für eine weitergehende Sanierung des Gazi-Stadions ab

Das Gazi-Stadion auf der Waldau, Heimstätte der Kickers und der VfB-Amateure in der neuen dritten Bundesliga, soll so saniert werden, dass ein späterer Ausbau auf 15 000 Zuschauer möglich ist. OB Schuster warnt jedoch vor Konflikten mit den Anwohnern.

Von Jörg Nauke

Der Profifußball ist ein schnelllebiges Geschäft: Noch vor wenigen Wochen standen die Stuttgarter Kickers mit einem Bein in der Regionalliga (vierte Klasse) und kurz vor der Insolvenz. Durch eine Verkettung glücklicher Umstände schafften es die Blauen in der Qualifikation dann aber doch noch in die neue dritte Bundesliga – und jetzt träumt man im Stuttgarter Rathaus bereits vom Aufstieg in die nächsthöhere Klasse.

Nach Äußerungen von Stadträten in der Sitzung des Technischen Ausschusses ist abzusehen, dass der Gemeinderat am kommenden Donnerstag den Beschlussantrag der Stadtverwaltung zum Ausbau des Gazi-Stadions zum Drittligastadion erweitern wird (bisheriger Kostenrahmen: 5,4 Millionen Euro). Statt nur die alte Haupttribüne zu sanieren und zu verbreitern, um 2000 Sitzplätze zu erhalten, steht jetzt ein Abriss zur Debatte. Denn nur eine neue, steilere Tribüne könnte im Falle eines Aufstiegs der Kickers noch einmal vergrößert werden, um dann auf die in der zweiten Liga geforderten 3000 Sitzplätze zu kommen. Das würde den Steuerzahler eine weitere Million Euro kosten. Damit nicht genug: man bräuchte 1,2 Millionen für die 1000 Plätze, dann eine Rasenheizung (für 1,2 Millionen Euro und 80 000 Euro Betriebskosten pro Jahr). Die Erweiterung der Westtribüne um 2650 Stehplätze würde 800 000 Euro kosten, die Überdachung der Hintertortribünen 1,4 Millionen Euro.

Der Finanzbürgermeister Michael Föll hat sich ebenso wie Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (beide CDU) kritisch zu der von den Fraktionen ins Auge gefassten Ausgabe geäußert. Man solle die sportliche Situation realistisch betrachten, sagen sie. Die Kickers müssten sich in der starken dritten Liga eher nach unten als nach oben orientieren, die sportliche Zukunft sei ungewiss; außerdem müsse es eine Lösung geben, den Ausbau für die zweite Liga erst dann anzugehen, wenn der Erfolgsfall auch eintrete. Wolfgang Schuster sagt, dass es bereits heute bei einem Fassungsvermögen von 12 000 Zuschauern Probleme auf der Waldau gebe; ein Ausbau auf 15 000 (die Mindestanforderung des Deutschen Fußball-Bundes für die zweite Liga) werde „diese Schwierigkeiten vor allem im Verkehrsbereich weiter vergrößern“.

Besonders fürchtet Schuster die Auseinandersetzungen mit den Anwohnern, die künftig ohnehin doppelt so oft Belästigungen ausgesetzt seien, da auch die Amateurmannschaft des VfB Stuttgart ihre Heimspiele im Gazi-Stadion austrägt und dort auch noch die Footballmannschaft der Scorpions im Einsatz ist. Kämmerer Michael Föll verweist zudem auf die Notwendigkeit, in andere Sportstätten zu investieren, beispielsweise in das Eislaufzentrum Waldau, für das Investitionen von zehn Millionen Euro nötig werden.

Sollten die Fraktionen den Tribünenneubau beschließen, müsste mit den Bauarbeiten unmittelbar nach dem letzten Spieltag der Vorrunde Mitte Dezember begonnen werden. Bis Saisonende könnte nach Ansicht der Sportverwaltung während der Bauzeit im Gazi-Stadion nicht gespielt werden. Folglich müssten die Partien des VfB Stuttgart II und der Kickers in dieser Zeit im Daimlerstadion stattfinden. Dies wäre zwar möglich, weil der Umbau in eine Fußballarena erst Ende Mai beginnt, allerdings würde der sensible Stadionrasen durch die Dreifachbelastung über Gebühr strapaziert. Bei einem Austausch fallen Kosten in sechsstelliger Höhe an.

Anders als der VfB Stuttgart, der nach einer finanziellen Durststrecke seinen Verpflichtungen gegenüber der Stadt wieder nachkommt, stehen die Kickers bei der Kommune aber noch dick in der Kreide. Rund 800 000 Euro werden dem Traditionsclub seit Jahren gestundet – und dabei sind die Zinsen, wie man sie dem VfB auferlegt hatte, noch gar nicht berücksichtigt. Die Rückzahlung ist vorerst bis zum Ende der übernächsten Saison ausgesetzt. Als Zweitligist würden die Kickers aber sofort zur Kasse gebeten.

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Stuttgarter Zeitung

Zweite Liga, wir kommen!

Aufstiegssorgen
Von Jörg Nauke
 
Im Gemeinderat sitzt der Geldbeutel locker wie nie zuvor, auf eine Million Euro kommt es in Anbetracht der sprudelnden Steuerquellen nicht mehr an. Anders ist jedenfalls nicht zu verstehen, warum sich die Kommunalpolitiker beim Ausbau des Gazi-Stadions plötzlich nicht darauf beschränken wollen, die Anforderungen für die 3. Fußball-Bundesliga zu erfüllen, sondern ausgerechnet jenem Verein eine Luxussanierung gönnen, der ihnen seit Jahren wie kein anderer auf der Tasche liegt. An den allzu sorglosen Umgang mit Steuergeldern für den Profifußball sollten die Bürger ihre Vertreter erinnern, wenn diese sich mal wieder außerstande sehen, für wichtige lokale Projekte und Einrichtungen Zuschüsse in Peanuts-Größe zu gewähren.

Noch vor wenigen Wochen sahen die Kickers-Fans im Gemeinderat den Traditionsverein am Ende – sportlich und finanziell. Ohne etwas dafür getan zu haben, sind die Blauen nun aber nicht mehr Abstiegskandidaten, sondern Titelaspiranten. Die Stadträte haben so große Aufstiegssorgen, dass sie sofort die Voraussetzungen für die 2. Liga schaffen wollen – das nennen sie dann vorausschauende Planung. Nun ist im Fußball nichts unmöglich, aber es müssen dann auch die Rahmenbedingungen stimmen. Auf der Waldau würde man mit einem Zweitligabetrieb aber die Kapazitätsgrenze überschreiten. Im Erfolgsfall würde wohl die Arena auf dem Wasen die bessere Perspektive bieten.

Stuttgarter Zeitung

Zitterspiel ums Waldaustadion
Für zweite Liga vorsorgen?
 
Das Gazistadion auf der Waldau wird ausgebaut. Ob es aber danach nur für die dritte Liga fit ist oder für die zweite nachrüstbar wäre, soll sich erst am Donnerstag entscheiden. Am Dienstag beanspruchten die Fraktionen im Technik-Ausschuss noch einmal eine Bedenkzeit. Es läuft ein Zitterspiel.

VON JOSEF SCHUNDER

Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann möchte das Stadion so anpassen, dass es den Ansprüchen des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) an Drittligavereine gerecht wird. „Die zweite Liga ist zwar eine Option, aber doch noch ziemlich weit weg“, sagte sie mit Blick auf den Leistungsstand der Stuttgarter Kickers, die wie der VfB Stuttgart II auf der Waldau spielen. Sie schlägt daher die Renovierung der Haupttribüne und die Erweiterung vor, so dass es die vom DFB geforderten 2000 überdachten Sitzplätze gibt. Das Dach will man nicht nur verstärken, dass es neuesten Regeln entspricht, sondern neu bauen. Gesamtkosten: 5,4 Millionen Euro.

Die Fraktionen ließen am Dienstag aber offen, ob die Stadt nicht eine weitere Million drauflegen sollte. Das hätte den Effekt, dass man später noch einmal nachrüsten könnte, sollten auf der Waldau wieder einmal Zweitligaspiele stattfinden können. Jedoch wäre dann erneut ein Millionenaufwand nötig. Die Fraktionen scheinen nicht abgeneigt, obwohl das Stadion in der Rückrunde dann nicht genutzt werden könnte. Sie wollen sich aber erst am Donnerstag entscheiden.

Die Lust, bereits jetzt eine Million Euro in die mehr als vage Aussicht auf eine Zweitklassigkeit der Kickers zu investieren, ist aber nicht überall vorhanden. Notfalls wäre mit der Mercedes-Benz-Arena auch ein tolles neues Stadion für Zweitligaspiele vorhanden, meinte Rainer Kußmaul (SPD). Ansonsten solle man auf eine alte Ausnahmeregelung des DFB über die notwendige Zahl von Besucherplätzen bauen. Das möchte auch Eisenmann tun. In Cannstatt wären „Probleme für den Rasen“ zu erwarten, würden dort außer den Bundesliga- und Pokalspielen sowie möglichen Champions-League-Spielen des VfB auch alle Zweitliga-Heimspiele stattfinden, räumte sie ein.

Bereits für die Verwaltungs-Variante will die Stadt die Vereine stärker zur Kasse bitten. In der Saison 2008/2009 müssen die Kickers mit doppelter Miete – 40 000 Euro – rechnen. Zudem will die Stadt künftig vom VfB Stuttgart II auch 40 000 Euro kassieren. Nach völliger Fertigstellung des Stadionausbaus zur Saison 2009/2010 wird es noch teurer. Insgesamt peilt die Stadt Mehreinnahmen von 100 000 Euro pro Saison an.

Stuttgarter Nachrichten

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