Kritische Presse der StZ zum Stadionausbau

Stadt will Millionen ins Waldaustadion pumpen
Rathausspitze plant aufwendige Modernisierung auch bei sportlichem Misserfolg der Kickers – Schicksalsspiel am Samstag

Die Kommunalpolitik schaut gespannt nach Elversberg, wo die Stuttgarter Kickers um ihre Zukunft spielen. Verpassen sie den Einzug in die 3. Bundesliga, droht die Pleite. Den Ausbau des Gazi-Stadions könnte sich die Stadt dann sparen – will sie aber nicht.

Von Jörg Nauke

Die Ausgangslage vor dem letzten Spieltag der Fußball-Regionalliga Süd ist klar: Die Kickers brauchen ein Wunder, um noch einen Startplatz in der neuen 3. Profiliga zu ergattern, der Zugang zu den Fleischtöpfen von Sponsoren und Fernsehsendern verspricht. Selbst dann wäre die sportliche Zukunft des finanziell angeschlagenen Vereins keinesfalls gesichert. Läuft am Samstag alles schief und die Kickers müssten erst einmal kleinere Brötchen als Amateurverein in der vierten Liga backen, stellte sich aber sogar die Existenzfrage. Der Hauptsponsor Eduardo Garcia hat jedenfalls schon angekündigt, für diesen Fall den Geldhahn zuzudrehen.

Das Schicksal des Fußballvereins berührt die Fans, aber auch die Verantwortlichen im Stuttgarter Rathaus, die entscheiden müssen, ob und in welchem Umfang die Heimstätte der Kickers, das Gazi-Stadion auf der Waldau, modernisiert wird. Unstrittig sind der Einbau von Schalensitzen auf der Haupttribüne sowie Investitionen in die Sicherheit für 300 000 Euro. Anders als die Blauen spielen die Roten, die Amateure des VfB Stuttgart, künftig nämlich in der 3. Liga. Mangels geeigneter eigener Sportstätte bestreiten die Wasen-Kicker ihre Heimspiele auf der Waldau.

Eine kontroverse Debatte deutet sich jedoch über den Vorschlag einer weitergehenden Sanierung des Stadions an, die bis zu 5,5 Millionen Euro kosten soll. Diese Investition wäre dann zwingend nötig, falls auch die Kickers Drittligist würden – die Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) überrascht gegenüber der Stuttgarter Zeitung nun mit der Aussage, sie wolle diesen aufwendigen Umbau sogar dann, wenn die Kickers abstürzten. Ein modernes Stadion stünde der Sporthauptstadt gut zu Gesicht, und man sollte das Schmuckkästchen bereithalten für den Fall, dass die Kickers irgendwann den Weg zurück in den bezahlten Fußball fänden. Um gewappnet zu sein, wollten Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und sie noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Beschluss erreichen. Reinhold Uhl, der Sprecher der CDU im Finanzausschuss, zeigt sich darüber ebenso verwundert wie SPD-Chef Manfred Kanzleiter, der sagt, es stehe jetzt erst einmal ein Gespräch mit den Kickers-Bossen an. Der Grünen-Vorsitzende Werner Wölfle meint: „Jetzt heißt es Daumen drücken und ansonsten Zurückhaltung üben.“ Diese Ansicht kommt nicht von ungefähr – in der Nachbarschaft wartet ein marodes Eislaufzentrum auf die Sanierung. Obwohl tausende Kinder dieses nutzen, hat der Gemeinderat dafür bisher kein Geld bereitgestellt.

Dagegen haben die Stadträte mit massivem Einsatz von Steuermitteln dafür gesorgt, dass die Kickers noch am Spielbetrieb teilnehmen können. Mit dem Hinweis, dass man einen so traditionsreichen Verein nicht pleitegehen lassen dürfe, hat die Stadt 2003 das Clubhaus im ADM-Sportpark für 1,36 Millionen Euro gekauft. Damit wurden die Banken bedient, bei denen die Blauen mit 830 000 Euro in der Kreide standen. Aus dem Verkauf des Namensrechts (eine Million Euro) an Gazi erhalten die Kickers fünfmal 100 000 Euro auf die Hand. Die übrigen 500 000 Euro hat die Stadt verwendet, um ihre Forderungen von 1,3 Millionen Euro gegen die Kickers aus dem Stadionumbau von 1998 zu reduzieren. Der Vertrag zur Refinanzierung ist ausgesetzt. Hier stehen rund 900 000 Euro aus. Nach Informationen der StZ drücken den Verein zudem beträchtliche Steuerschulden.

Stuttgarter Zeitung

Stadiondebatte, die Zweite

Blaues Wunder
Von Jörg Nauke
 
Kaum hat der Gemeinderat den Umbau des Daimlerstadions in eine Fußballarena abgehakt, steht schon die nächste Sanierungsdebatte an. Und diese könnte mehr Zündstoff bergen. Das hängt ganz davon ab, wie die Stuttgarter Kickers am Samstag beim letzten Saisonspiel in Elversberg abschneiden.

Bisher war die Ausgangslage auf der Waldau klar: Das Sportamt spendiert 300 000 Euro, damit von Juli an die Voraussetzungen für Drittliga-Fußball im Gazi-Stadion geschaffen sind. Das ist auch deshalb notwendig, weil die Drittliga-Amateure vom VfB Stuttgart künftig auf den „Golanhöhen“ ihre Heimspiele austragen. Und die Luxussanierung, mindestens 5,5 Millionen Euro teurer, kommt nur für den Fall, dass die Kickers sich für Liga drei qualifizieren. Eigentlich dürfte schon dieser Beschluss nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Während Woche für Woche Hobbyfußballer auf staubigen Hartschollen kicken müssen, weil die Stadt mit der Umwandlung in Rasenplätze nicht nachkommt, werden Anträge auf Unterstützung der Kickers nicht etwa kritisch hinterfragt, sondern als kommunale Pflichtaufgabe interpretiert. Die „Blauen“ sind das Sparkässle der Stadt. Tradition verpflichtet offensichtlich.

Dass Bürgermeisterin Susanne Eisenmann die Heimstätte der Kickers jetzt sogar selbst dann aufpeppen will, wenn der Verein sein blaues Wunder erfahren und ins Bodenlose fallen sollte, birgt zwar die Chance einer Ehrenmitgliedschaft. Der Vorschlag wird dem Stuttgarter Gemeinderat aber nicht zu vermitteln sein. Auch die Liebe zu den „Blauen“ hat ihre Grenzen.

Stuttgarter Zeitung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.