Stuttgart – Das Verhältnis zwischen Dirk Schuster und Marcel Rapp könnte man fast als Jugendliebe bezeichnen. Denn zu alten Bundesligazeiten des Karlsruher SC fungierte Rapp noch als Balljunge im Wildparkstadion, der dem damaligen Profi Schuster die Bälle zuwarf. „Wenn ich mal einen Einwurf machen durfte“, wie Schuster betont. Der ist inzwischen Trainer der Stuttgarter Kickers, Rapp sein Kapitän. Und so etwas wie der verlängerte Arm.
Denn der 30-Jährige ist nicht nur der älteste Spieler im Regionalligateam, sondern auch der letzte Mohikaner aus dem Stammpersonal der Vorjahresmannschaft. Nachdem ihn eine Verletzung in der Winterpause weit zurückgeworfen hatte, kam er in der Rückrunde allerdings nur noch in der Oberliga zum Einsatz. Aber alte Liebe rostet nicht: Schuster setzte dennoch auf den Innenverteidiger, den er prompt zum Kapitän ernannte.
„Er lebt den Fußball vor: auf und außerhalb des Platzes“, schildert Schuster die Vorzüge des Spielers, den er auch noch aus einigen Trainingseinheiten der gemeinsamen KSC-Zeit in bester Erinnerung hat. „Er steht auch für das Sinnbild der Kickers: ehrliche Arbeit abliefern.“
Aus dem Linksfuß wird kein Filigrantechniker mehr werden
Der ist sich seiner Rolle bewusst ist: „Ich versuche meine Erfahrung weiterzugeben, und mir macht die Rolle mit den jungen Spielern viel Spaß“, sagt Rapp. Das war nicht immer so. „Im vergangenen Jahr hat jeder mehr sein eigenes Ding gemacht“, erinnert er sich an die Abstiegssaison.
Rapp will versuchen, neue Brandherde gar nicht erst aufkommen zu lassen. „Wir müssen einfach intern viel kommunizieren, dazu werde ich meinen Teil beitragen.“ Wie es sein Naturell ist, da muss er sich gar nicht verstellen. Als Dirk Schuster frühzeitig wegen einer Vertragsverlängerung auf ihn zukam, hat Rapp nicht lange gezögert. „In der Regionalliga gibt es nicht viele interessante Vereine wie die Kickers“, sagt Rapp. Auch wenn ihm bewusst war, dass aufgrund des sehr engen Budgets keine Handvoll Stammspieler aus dem alten Kader gehalten werden kann.
Allenfalls 700.000 Euro stehen für das Team zur Verfügung, inklusive dem Kickers-Trainerstab. Auf Markus Mann als Pendant in der Innenverteidigung hat Rapp dennoch gehofft. „Ich war schon überrascht, dass er nach Saarbrücken gegangen ist, aber das muss man akzeptieren.“
Selbst Marcel Rapp hat keine Stammplatzgarantie bei den Kickers
Also bleibt Rapp als Hoffnungsträger. Aus dem Linksfuß wird zwar kein Filigrantechniker mehr werden, aber kämpferisch will des Ex-Pfullendorfer mit gutem Beispiel voranzugehen. Das Trainingslager der vergangenen drei Tage im Schwarzwald sollte nicht zuletzt dazu dienen, die Integration der Neuzugänge voranzutreiben. Das ist gelungen, auch weil sich viele Spieler schon von der zweiten Mannschaft her kennen. „Das sind alles unkomplizierte Jungs“, sagt Rapp.
Natürlich weiß der 30-Jährige, dass der Neuanfang in der Regionalliga für die Kickers auch Risiken birgt. Der Kader ist dünn besetzt, im Trainingslager waren nur 17 Mann dabei, weil Bashiru Gambo seinen verletzungsbedingten Rückstand derzeit im Rehamed aufarbeitet. Deshalb wurde am Donnerstag auch noch Simon Köpf verpflichtet, der in der Winterpause aus Aalen gekommen war und eigentlich nicht mehr auf der Liste stand.
Doch die Ausfälle der Abwehrspieler Marcel Charrier und André Olveira zwangen den Trainer zum Umdenken: „Ich freue mich, dass wir bei ihm Nägel mit Köpfen machen können“, sagt Schuster. Für die Spieler war der Fall bereits klar gewesen. Denn, anders als beim Kapitän, waren sie für den Mannschaftsrat zuständig: die Wahl fiel auf Moritz Steinle, Enzo Marchese – und eben auf Köpf.
Am Donnerstag stand zum Abschluss des Trainingslagers noch mal eine teambildende Maßnahme auf dem Programm: im Hochseilgarten von Sasbachwalden. Dabei haben einige durchaus Höhenangst, auch der Trainer soll dazugehören. Doch nicht nur deshalb betont Dirk Schuster: „Der Aufstieg ist kein Thema.“ Und in Richtung seines Lieblingsschülers Rapp fügt er hinzu: „Selbst er hat keine Stammplatzgarantie.“
Stuttgarter Zeitung