StZ: Tiefpunkt statt Wendepunkt

Bei den Stuttgarter Kickers regiert nach dem Drittligaderby gegen den VfB das Prinzip Hoffnung

STUTTGART. Schlimmer geht“s nimmer – auf diesen Nenner lässt sich der Auftritt der Stuttgarter Kickers beim 0:3 im Drittligaderby bringen. Die Frage im Abstiegskampf lautet nun: wer setzt jetzt neue Reizpunkte?

Von Joachim Klumpp

So stellt man sich ein Derby nicht unbedingt vor. Aber die Mannschaft des VfB Stuttgart II hat am Mittwoch einen geruhsamen Abend verbracht – und trotzdem drei Tore erzielt und drei Punkte gewonnen. Also sagte der Kapitän Marijan Kovacevic nach dem Spiel: „Ein wenig mehr Gegenwehr hatten wir schon erwartet, aber die Kickers haben eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten gespielt.“

Diese Möglichkeiten scheinen sehr limitiert zu sein, wenn man die letzten beiden Auftritte gegen die zweiten Mannschaften der Bayern und des VfB als Maßstab nimmt. Fazit: das reicht nicht für die dritte Liga. Das weiß auch der Präsident Dirk Eichelbaum, dessen Hoffnung darauf beruht, „dass wir zehn Endspiele haben“. Und das vornehmlich gegen Vereine aus der unteren Tabellenhälfte. „Die Mannschaft hat ja gezeigt, dass sie es besser kann, aber wir müssen die Lage genau analysieren“, sagte Eichelbaum in Richtung Trainer, wobei es keine Diskussion um die Personalie Edgar Schmitt geben soll.

Dabei hat auch der Coach seinen Teil zur Misere beigetragen. Mit reichlich taktischen und personellen Wechseln, so dass die Kickers in der Rückrunde, zuweilen auch verletzungsbedingt, nie zweimal mit derselben Startformation aufgetreten sind. Und der als Vorteil gedachte Konkurrenzkampf in dem auf 28 Mann angewachsenen Kader könnte nun zur Verunsicherung führen, namentlich bei Spielern wie Sokol Kacani und Marco Tucci, die mal in der Startelf standen und dann wieder in der zweiten Mannschaft wie am Mittwoch. Erst recht natürlich bei Bashiru Gambo, dessen Auswechslung noch vor der Pause den Ghanaer (Schmitt: „Er blieb nicht in der Ordnung“) in den Schmollwinkel treiben könnte. Gestern jedenfalls fehlte er prompt wegen Magen-Darm-Problemen.

Natürlich ist in erster Linie die Mannschaft gefordert. Die machte zuletzt einen desolaten Eindruck: leblos, lustlos, lieblos. Da fehlte das Herz, die Einstellung, der Siegeswille, nimmt man am Mittwoch Josip Landeka einmal aus. „Wenn man nicht ins Spiel kommt, kann auch kein Feuer aufkommen“, sagt dazu Markus Ortlieb. Edgar Schmitt kritisierte zuletzt die unprofessionelle Einstellung – offensichtlich zu Recht, wenn man Spieler sieht, die nach dem Training schnurstracks mit Zigarette im Mund das Gelände verlassen. Das ist amateurhaft.

Auch im Präsidium scheint es Misstöne zu geben. Dass der Marketingmann Dieter Wahl vor dem Spiel bei Erzgebirge Aue einen verbalen Reizpunkt gesetzt hat („Jetzt ist Schluss mit Schönreden“), kam beim Präsidenten nicht gut an, so dass Wahl sagt: „Solche Aktionen kann man nicht ständig wiederholen, wir müssen jetzt am Selbstvertrauen der Mannschaft arbeiten.“ Fragt sich nur wie? Die Liste der Möglichkeiten – von Zuckerbrot bis Peitsche – ist längst ausgereizt. „Wir werden sicher nicht auf die Mannschaft draufhauen“, sagte Edgar Schmitt.

Parallel zum Ligaalltag arbeiten die Kickers an einem Plan für den Fall des Abstiegs, denn just am Tag des Derbys mussten beim DFB auch die Lizenzierungsunterlagen für die Regionalliga eingereicht werden, für die mit circa 1,5 Millionen Euro kalkuliert würde.

Dabei tut der Verein zumindest abseits des Platzes alles, um auch wirtschaftlich weiter voranzukommen, nachdem beim laufenden Etat immer noch eine Lücke klafft. 54 000 Euro brachte das Benefizspiel gegen die VfB-Profis. Und eine neue Werbeagentur überlegt, mit welchen Aktionen man das Stadion bei den Heimspielen füllen kann. Wobei nach solchen Auftritten wie am Mittwoch selbst der beste Slogan Makulatur ist. Dessen ist sich der Kickers-Präsident Eichelbaum bewusst: „Das Spiel kostet uns gegen Offenbach am Dienstag tausend Zuschauer.“

Stuttgarter Zeitung

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