StZ: Wegen zu hoher Kosten: Stadt stoppt Sanierung des Gazi-Stadions

Kosten 27 Prozent höher als geplant – DFB ist informiert

Stuttgart – Das Kickers-Stadion wird im Winter keine Großbaustelle. Die Stadt verzichtet wegen der Finanzkrise vorerst auf die Modernisierung. Die Kosten wären von 5,4 auf 6,9 Millionen Euro gestiegen. Die Auflagen des Fußball-Bundes werden nun nicht erfüllt.

Von Jörg Nauke

Der Sportausschuss ist am Dienstag von der Absicht der Stadt informiert worden, das Gazi-Stadion auf der Waldau vorerst nicht so zu modernisieren, dass es die aktuellen Anforderungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an eine drittligagerechte Spielstätte erfüllt. In dieser Saison spielen sowohl die Kickers wie auch die Amateure des VfB mit einer Ausnahmegenehmigung. Der DFB fordert mindestens 10.000 Zuschauerplätze, davon 2000 in Einzelschalensitzen (1000 sind schon montiert), dazu großzügige Pressearbeitsplätze und VIP-Räume.

Hinzu kommen umfangreiche Sicherheitsauflagen, da vor allem mit Mannschaften aus den neuen Bundesländern die Gewalt Einzug in die Stadien der neu geschaffenen 3. Liga gehalten hat. Die Stadt hat einen hohen sechsstelligen Betrag in Provisorien für die Einsatzkräfte investiert.

Nun wäre der Beschluss für den anfangs auf 5,9 Millionen Euro geschätzten Umbau der Haupttribüne fällig gewesen. Doch in der Winterpause rücken keine Bagger an. Die Stadt hat am Dienstag dem Sportausschuss mitgeteilt, und wird heute den Finanzausschuss informieren, dass sie die Modernisierung zurückstellt. Begründet wird dies mit der „aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise“, so die Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann.

Die Verwaltung und der Gemeinderat vertreten die Ansicht, dass im laufenden Doppelhaushalt 2008/2009 nur die Bauprojekte weiterverfolgt werden sollen, die bereits beschlossen und für die auch die Mittel schon bereitgestellt sind. Der Ausbau des Gazi-Stadions ist noch nicht finanziert. Wann die Stadt das Thema wieder aufruft, ist nicht bekannt. Der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum hatte nach einem Gespräch im Rathaus bei der Mitgliederversammlung des Vereins von einer zweijährigen Verzögerung gesprochen; doch an ein derartiges Versprechen kann sich der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) nicht erinnern.

Die Realisierung käme die Stadt viel teurer als geplant. Für den CDU-Stadtrat Fred-Jürgen Stradinger ist es „sehr ärgerlich“, dass sich die Kosten binnen weniger Monate um 27 Prozent auf 6,9 Millionen Euro erhöhen konnten. Sportamtsleiter Günther Kuhnigk sagte, Preiserhöhungen und „technische Zusatzanforderungen“ hätten dazu geführt. Mehrkosten würden jetzt auch für den Brandschutz und die Ertüchtigung der Haupttribüne anfallen. Der Vorschlag, die Tribüne abzureißen und ganz neu zu bauen, ursprünglich auf sieben Millionen Euro taxiert, habe nicht an Charme gewonnen, sagte Kuhnigk. Wer diese Variante bevorzuge, müsste mittlerweile 8,5 Millionen Euro bezahlen.

Auch wenn auf der Haupttribüne alles beim Alten bliebe, müssten zumindest noch rund 150000 Euro in die Sicherheit des Stadions investiert werden. Die Polizei bräuchte für ihr Provisorium zwei weitere Container. Die Kanzel und die Videoüberwachung müssten auch verbessert werden. „Wir haben aber kein Sicherheitsproblem im Gazi-Stadion“, betonte die Bürgermeisterin. Mit diesen Maßnahmen könnten noch einige Bundesligarunden gespielt werden.

Das setzt allerdings voraus, dass der DFB das genauso sieht und im Lizenzierungsverfahren der Vereine ein Auge zudrückt – sofern er nicht ohnehin die aktuelle Finanzkrise, die Vereine und Kommunen hart treffen wird, zum Anlass nehmen wird, seine Politik noch einmal zu überdenken. Bürgermeisterin Eisenmann hat am Dienstag in einem kurzen Gespräch mit einem DFB-Vertreter den Eindruck erhalten, dass der Verband Übergangslösungen nicht ausschließt.

Das liegt offenbar daran, dass die Lage nicht nur in Stuttgart angespannt ist. Auch andere Drittligavereine können oder wollen die vielfach als überzogen betrachteten Forderungen nicht länger erfüllen. In Regensburg ist kein Geld für den Stadionumbau da, und die Ostfriesenkicker aus Emden müssten eine Spielstätte für 10.000 Zuschauer vorweisen, obwohl es in der Region nicht annähernd so viele Interessierte gibt.

Die Hälfte der Drittligateams hat übrigens weniger als 4500 Zuschauer pro Spiel. Und wofür brauchen die Amateure des VfB Stuttgart 1000 überdachte Sitzplätze? Am Sonntag sahen das Spiel nur 400 Fans. Bei der „Reserve“ von Werder Bremen sieht das nicht anders aus. „Der DFB muss sich jetzt endlich von seinem hohen Ross runterbewegen“, sagte der SPD-Stadtrat Rainer Kußmaul. Das Volk brauche zwar „Brot und Spiele“ – „doch jetzt wird das Brot wieder wichtiger“.

Stuttgarter Zeitung

Kommentar

Unnötig
Stuttgart – Die Sportverwaltung hat am Dienstag vorgeschlagen, den Umbau des Gazi-Stadions zurückzustellen. Das ist vernünftig, denn die Stadt muss auf nicht absehbare Zeit wegen der Finanzkrise auf Sicht fahren. Es wäre unverantwortlich, jetzt noch weitere Baustellen zu eröffnen. Außerdem kann man in Ruhe abwarten, wie die Kickers in dieser Saison abschneiden.

Von Jörg Nauke

Würden die Blauen absteigen, müsste nicht mehr länger über ein drittliga-taugliches Stadion debattiert werden. Auf der spärlich gefüllten Tribüne des Stadions auf der Waldau wird nun sicher wieder auf die Stadträte geschimpft, die für die Kickers nichts übrig hätten und nur an den VfB dächten, denn der bekomme schließlich seinen Stadionumbau. Die beiden Fälle lassen sich aber überhaupt nicht vergleichen. Im Neckarpark fungiert der Bundesligist künftig als Betreiber; es ist vereinbart, dass er die Finanzierungskosten für den Umbau selbst erwirtschaftet. Ein solches Modell wäre mit den Kickers, die übrigens beim Steuerzahler seit Jahren ganz tief in der Schuld stehen, gar nicht zu machen.

Im Übrigen könnte man sich diese Debatte sparen, wenn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) endlich seine völlig überzogenen Kriterien für die Spielstätten seiner Drittligisten reduzieren und an die örtlichen Gegebenheiten anpassen würde. Für ein Kleinstadtteam wie Emden im strukturschwachen Norden und die anhängerlosen VfB Stuttgart Amateure gelten heute die gleichen Bedingungen wie für die reiche Fortuna aus Düsseldorf. Dabei reicht das Stadion auf der Waldau im jetzigen Ausbauzustand völlig aus. Im Weltbild des DFB kreist aber eben alles um das runde Leder. Doch die Zeiten, in denen Vereine und Kommunen jede abenteuerliche Forderung erfüllten, sind jetzt vorbei.

Stuttgarter Zeitung

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