StN: Stuttgarter Kickers werben mit Internet-Aktion um Geldgeber

Bauen für die Blauen

Studenten sind gewöhnlich keine Millionäre. Manche aber wären es gern. Besonders in England, wo hohe Studiengebühren zu berappen sind, ist ein dickes Konto nicht von Nachteil. Alex Tew aus Nottingham war so ein armer Schlucker und wollte es nicht bleiben – also hatte er die Idee, auf seiner Homepage einzelne Bildpunkte (Pixel) für je einen Dollar zu verkaufen.

VON JÜRGEN KEMMNER

Wohl auch zu seiner eigenen Überraschung ging die Rechnung tatsächlich auf. Am 26. August 2005 schaltete Tew die Homepage frei, am 11. Januar 2006 wurde der letzte Pixel verkauft. Der 23 Jahre alte Student verkündete: „Ich bin Millionär.“

Was das mit Stuttgart zu tun hat? Die Kickers sind ebenfalls finanziell mau. In der Fußball-Regionalliga kämpfen sie um die Qualifikation für die dritte Liga – dafür bräuchten sie dringend neue Spieler, aber das nötige Kleingeld fehlt. Deshalb setzten sich Offizielle und Fans an einen Tisch. Nach dem dritten oder vierten Bier – so genau weiß das keiner mehr – hatte einer einen Einfall. „Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber einer machte den Vorschlag, Pixel-Bausteine zu verkaufen“, erzählt Kim Stehle, „alle waren begeistert.“ Der Mann von der Geschäftsstelle krempelte die Ärmel hoch, schaltete den Computer ein und noch vor der Mitgliederversammlung am 26. November war die Seite im Netz.

Seitdem staunen Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum und seine Kollegen Bauklötze, wenn sie die Homepage aufrufen. Ihre Erkenntnis: Die Freunde der Blauen sind zahlreicher und großzügiger als angenommen. Bis Donnerstag wurden 1865 von 10 000 Pixeln verkauft – beim Preis von 18,99 Euro pro Bildpunkt macht das 35 416,35 Euro. Bauen für die Blauen. „Die Geschichte boomt“, freut sich Stehle, „täglich werden zwischen 50 und 100 Bausteine gebucht.“ Mit der Bearbeitung hat das Geschäftsstellen-Personal nur wenig Arbeit. Im Internet werden ein oder mehrere Pixel gebucht und reserviert – es werden lediglich die Zahlungseingänge überwacht und die Punkte dann freigeschaltet.

Selbstredend, dass Präsident Eichelbaum, Manager Joachim Cast, die Präsidiums- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Hauptsponsor Eduardo Garcia Bausteine gekauft haben. Aber die Homepage hat auch ihre Überraschungen. Ex-Coach Robin Dutt hat sich ein Plätzchen reserviert – direkt an seiner alten Trainerbank. Als Bild hat er allerdings das Logo seines neuen Brötchengebers SC Freiburg gewählt. Die Kickers werden“s verschmerzen. Auch Stürmer Mirnes Mesic unterstützt seinen ehemaligen Club genauso wie das blaue Urgestein Ralf Vollmer. „Von unseren aktuellen Profis haben etwa 80 Prozent ebenfalls mindestens einen Baustein gekauft“, sagt Stehle.

Nun haben die Kickers Tews Idee verfeinert. Jeden Monat verlost der Club unter den Baumeistern einen Preis. Der letzte Gewinner durfte an der Weihnachtsfeier des Vereins teilnehmen. „Wir bieten einen Mehrwert, den man für Geld nicht kaufen kann“, sagt Stehle. Zeitlich befristet ist die Aktion nicht, erst wenn die Seite mit kleinen und großen Logos zugepflastert ist, gilt der Baustopp. Dann hätten die Kickers 189 900 Euro verdient. „Ich befürchte“, sagt Stehle, „wenn ich realistisch bin, dass wir das womöglich nicht packen.“ Selbst wenn er recht behält, die Baustein-Aktion zeigt, dass sich der Traditionsverein nicht seinem Schicksal ergibt und ungewöhnliche Wege einschlägt. Und dass der oft strapazierte Begriff der Kickers-Familie tatsächlich mehr als nur ein Wort ist.

Übrigens: Jung-Millionär Alex Tew wurde im Januar 2006 von Hackern erpresst, kurz bevor die Seite ausverkauft war. Er sollte 50 000 Dollar zahlen, sonst wurde gedroht, die Homepage lahmzulegen. Tew zahlte nicht, einen Tag lang war die Seite blockiert. Dann konnte der Internet-Betreiber den Angriff abwehren. Den Kickers bleiben solche kriminellen Attacken hoffentlich erspart.

www.believe-in-blue.de

www.milliondollarhomepage.com

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