Im Kickers-Sturm steckt der Wurm
Die Abschlussschwäche macht dem Regionallisten auch im Derby zu schaffen – und der Manager denkt schon mal an Verstärkungen
STUTTGART. Der Trainerwechsel ist verpufft. Auch unter Stefan Minkwitz können die Kickers in der Fußball-Regionalliga nicht mehr gewinnen. „Wir brauchen jetzt vor allem Geduld“, fordert der Manager Joachim Cast nach der 0:1-Niederlage gegen den VfB II.
Von Joachim Klumpp
Selbst Robin Dutt hat kein Glück gebracht. Der ehemalige Trainer der Stuttgarter Kickers sah zum ersten Mal wieder ein Spiel seiner früheren Mannschaft – und schien in Gedanken noch ganz nah bei ihr zu sein. Im Fernsehinterview sprach er jedenfalls zwei-, dreimal von „wir“, um sich dann zu korrigieren: die Kickers natürlich. Deren Niederlage konnte auch der Neu-Freiburger nicht verhindern. Im Daimlerstadion, im Derby, eine unnötige dazu, wie selbst der VfB-Trainer Rainer Adrion zugeben musste: „Wir haben das 1:0 über die Zeit gerettet und großes Glück gehabt, dass die Kickers nicht mehr zum Ausgleich kamen, den sie verdient gehabt hätten.“ Chancen dazu gab es jedenfalls, die größten vergaben Kacani und Gambo, die jeweils an Torwart Sven Ulreich scheiterten.
Pech oder Unvermögen? Dass der Wurm im Sturm steckt, hat Stefan Minkwitz erkannt und deshalb zuletzt vermehrt Torschussübungen absolviert. Doch das verpuffte ebenso wie der Effekt des neuen Trainers. Zwei Spiele, null Punkte. „Das ist frustrierend“, gesteht der Manager Joachim Cast und fügt hinzu: „Wer keine Tore schießt, kann nicht gewinnen.“ 14 Treffer in 16 Spielen lautet die magere Bilanz. Nur das Schlusslicht Oggersheim und der KSC weisen eine schwächere Bilanz auf. Abhilfe ist nicht in Sicht, es sei denn bei Nico Beigang, der erst in der Schlussphase zum Einsatz kam, platzt der Knoten. Der Neuzugang aus Darmstadt und Angelo Vaccaro galten vor der Saison als gesetzt, Tucci und Kacani sollten von der Bank aus Druck machen.
Doch Beigang macht bisher eher als Chancentod von sich reden, Vaccaro wiederum läuft seiner Form hinterher, dazu plagen ihn Rippenprobleme. Fazit Minkwitz: „Ich weiß, dass er es besser kann.“ Ob das für alle gilt? Kacani arbeitet unermüdlich, aber wenig effektiv, und der reine Strafraumstürmer Tucci kommt über die Jokerrolle nicht hinaus.
Wohl dem, der einen Manuel Fischer hat. Der VfB-Stürmer war zwar nicht überragend, markierte aber den Führungstreffer, der gleichbedeutend mit dem Endergebnis war. Der Torjäger hat zu alter Form gefunden (vier Treffer in vier Spielen), und sein Trainer Rainer Adrion muss den 18-Jährigen nur mental manchmal etwas bremsen, „sportlich macht er seinen Weg“. Vielleicht sogar noch mit einem Einsatz in der ersten Mannschaft, jedenfalls saß der Chefcoach Armin Veh überraschend schon mal auf der Tribüne.
„Das ist der Unterschied“ sagt Minkwitz, „die machen aus zwei, drei Chancen ein Tor; wir machen aus fünf, sechs keines.“ Dafür macht sich der Manager Gedanken über neue Spieler. „Darüber müssen wir uns in der Winterpause unterhalten.“ Doch guter Rat ist teuer, schließlich sind Torjäger überall begehrt und haben ihren Preis. Im Gegenzug müsste der Kader wohl um zwei, drei Spieler reduziert werden.
Der Trainer setzt zunächst auf die vorhandenen Spieler. „Wenn wir so weitermachen, bin ich sicher, dass die Leistung gegen Elversberg belohnt wird“, sagt Minkwitz. Allerdings muss er im nächsten Heimspiel nicht nur auf den gesperrten Mustafa Parmak verzichten (fünfte Gelbe Karte), sondern auch auf Jens Härter: Der Kapitän hat wohl zu früh mit dem Training begonnen, sich eine Entzündung im Innenband zugezogen und fällt bis zur Winterpause aus. Just in dieser schwierigen Phase, für die der Manager im Umfeld vor allem eines fordert: Geduld. Dass es mit der bei den Kickers manchmal nicht so weit her ist, haben die vergangenen Wochen eindrucksvoll demonstriert.
Der VfB-Trainer Rainer Adrion dagegen kann gelassen auf die Tabelle schauen. Spitzenreiter, das scheint ihm manchmal selbst etwas unheimlich, aber unverdient ist es nicht. Vor allem dank einer starken Defensive. Adrion: „Heute hat die Mannschaft auch mal die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient.“ Von offiziell 5900 Zuschauern. „Wenn wir so weitermachen, haben wir vielleicht frühzeitig die Qualifikation für die dritte Liga in der Tasche.“
Ganz im Gegensatz zum Lokalrivalen. „Wir werden uns für Elversberg etwas einfallen lassen“, sagt Minkwitz – und mit wir meint er nicht Robin Dutt, sondern seinen Exkollegen Alexander Malchow. Der soll heute Mittag als Co-Trainer einsteigen.
VfB Stuttgart II: Ulreich – Feisthammel, Pisot, Pischorn (58. Dangelmayer), Schwabe – Träsch, J. Schuster, Perchtold, Sauter – Fischer, Hofmann (46. Morys).
Stuttgarter Kickers: Yelldell – Steinle, Wildersinn, Rapp, Benda – Parmak, Akcay, Gambo (72. Yildiz), Stierle – Kacani, Vaccaro (66. Tucci).
Schiedsrichter: Wingenbach (Diez).
Tor: 1:0 Fischer (12.).
Stuttgarter Zeitung
Lob und Mitleid – aber keine Punkte
Kickers-Talfahrt hält an – Druck auf Minkwitz steigt
Stuttgart – Sie haben in der zweiten Halbzeit gut gespielt und wie schon in Unterhaching einen Punkt verdient gehabt. Doch unterm Strich steht nach dem 0:1 beim VfB Stuttgart II die nüchterne Erkenntnis: Die Lage für die Stuttgarter Kickers ist nach dem Trainerwechsel prekärer geworden.
VON JÜRGEN FREY
Beim letzten Regionalliga-Derby im Daimlerstadion 2001 hatte sich Stefan Minkwitz einen Schienbeinbruch zugezogen. Diesmal blieb der neue Kickers-Coach körperlich unversehrt, doch die Seele schmerzte: „Wir machen aus fünf, sechs Chancen kein Tor, der Gegner aus zwei, drei eines“, knurrte der 39-Jährige völlig frustriert. Neben ihm saß Rainer Adrion – und der VfB-Coach hatte Mitleid mit seinem Kollegen: „Ein 1:1 wäre gerecht gewesen. Die äußerst laufstarken und aggressiven Kickers haben ein sehr gutes Spiel gemacht“, lobte er den Gegner.
Kaufen konnten sich die Blauen davon nichts. Seit acht Pflichtspielen warten sie nun schon auf einen Sieg. Gerade mal drei Tore haben sie dabei erzielt. Die Talfahrt geht ungebremst weiter. Auch unter Minkwitz. Das letzte Vorrundenheimspiel am kommenden Samstag (14 Uhr) gegen die SV Elversberg (der gelbgesperrte Mustafa Parmak fehlt) wird zum Schlüsselspiel – möglicherweise auch für Minkwitz. Gelingt auch unter ihm nicht der erste Heimerfolg, werden die Rufe nach einer externen Trainerlösung lauter. Doch ohne die finanzielle Hilfe von Hauptsponsor Eduardo Garcia, der vom Verein zuletzt immer wieder um zusätzliche Unterstützung gebeten wurde, dürfte diese nicht zu realisieren sein. Genauso wenig wie die Verpflichtung einer dringend benötigten Verstärkung im Sturm.
Ein Silberstreif am blauen Horizont ist nicht in Sicht. „Wir brauchen Ruhe im Umfeld“, betont Manager Joachim Cast. Immer und immer wieder. Und ganz bewusst. Denn dass innerhalb des Präsidiums zuletzt selten Einigkeit herrschte, ist ein offenes Geheimnis. Auch was die Personalie Alexander Malchow betrifft, gingen die Meinungen auseinander. Wie es aussieht, wird der Ex-Profi nun am heutigen Montag einen Vertrag als Co-Trainer unterschreiben. Es gab auch Stimmen in der Führungsetage, die von einer schnellen Verpflichtung des Minkwitz-Intimus abrieten. Schließlich weiß keiner, ob der neue Chefcoach statt Lob, künftig auch die dringend nötigen Punkte ergattern wird.
Stuttgarter Nachrichten
Fischer mit Torinstinkt
Wieder entscheidet 18-jähriger VfB-Stürmer Derby
Stuttgart – Am 24. Februar hatte der VfB II die Kickers mit 1:0 besiegt. Torschütze: Manuel Fischer. Am Samstag gewannen die Roten in der Fußball-Regionalliga mit demselben Ergebnis gegen die Blauen. Wieder traf Fischer. „Ich freue mich über jedes Tor, aber gegen die Kickers zu jubeln, ist etwas ganz Besonderes“, sagt der 18-Jährige.
VON JÜRGEN FREY
Ausschlafen, entspannen, neue Kräfte tanken. Den freien Sonntag verbrachte der Torschütze des Tages zusammen mit Freundin Verena gemütlich zu Hause. „Ich freue mich, dass es derzeit so gut für mich läuft“, sagt Fischer – und schiebt kämpferisch hinterher: „Es geht immer noch ein bisschen mehr.“ In den vergangenen vier Spielen hatte der Stürmer immer ein Tor erzielt und damit großen Anteil an der Fortsetzung der Erfolgsserie des VfB II: Das Team von Trainer Rainer Adrion ist seit elf Spieltagen ungeschlagen, mit drei Punkten Vorsprung Tabellenführer und damit die mit Abstand beste zweite Mannschaft in Deutschland.
Auf Dauer will sich Fischer nicht damit zufriedengeben, in der Regionalliga auf Torejagd zu gehen. Er hat höhere Ziele. Er will in die Bundesliga. Und Adrion traut es ihm zu. Weil der U-19-Nationalspieler etwas hat, was man nicht lernen kann: Torinstinkt. „Manuel hat die natürliche Begabung, am richtigen Fleck zu stehen“, weiß sein Trainer. Was ihm noch fehlt, nennt Adrion „Ganzkörperstabilität“. Fischer muss robuster werden, an seiner Durchschlagskraft arbeiten. Deshalb schiebt er mit dem neuen Athletiktrainer Joachim Thomas Sonderschichten.
Die zusätzlichen Einheiten sollen auch Verletzungen vorbeugen. Nach seinem ersten Streich gegen die Kickers im Februar diesen Jahres warfen ihn Knieprobleme und eine Sprunggelenksblessur zurück. Auch die Einsätze beim U-19-EM-Qualifikationsturnier im September in Russland zehrten an den Kräften. Inzwischen hat Fischer die Defizite aufgeholt und sich einen Termin bestimmt schon im Kalender angestrichen: Das nächste Derby gegen die Kickers – am 24. Mai in Degerloch.
Stuttgarter Nachrichten
„Einfach frustrierend“
Das 0:1 beim VfB II stürzt die Stuttgarter Kickers tiefer in die Krise – Glücksgefühle beim Tabellenführer
Stuttgart – Jubelstimmung auf der einen, Tristesse auf der anderen Seite: Der VfB Stuttgart II hat das Derby in der Fußball-Regionalliga gegen die Stuttgarter Kickers mit 1:0 (1:0) für sich entschieden, die Tabellenführung damit auf drei Punkte ausgebaut – und die Not beim Stadtrivalen, der auf Platz 14 abrutschte, vergrößert.
Von Beate Wockenfuß
Während beim seit nunmehr elf Spielen ungeschlagenen VfB II jetzt laut Trainer Rainer Adrion „einfach Genießen“ angesagt ist, herrscht bei den Kickers nach sieben sieglosen Partien pure Verzweiflung. Die Spieler schlichen nach der zweiten Pleite unter Chefcoach Stefan Minkwitz mit hängenden Köpfen vom Platz. Die Fans verließen enttäuscht die Ränge. Gerade einmal 300 hatten ihre Mannschaft im Daimlerstadion trotz aller Turbulenzen unterstützt. Die „Blauen“ schlittern immer tiefer in die Krise. Und so langsam scheint auch der Kredit bei den treuesten Anhängern verspielt.Vom Präsidium war nach dem Abpfiff niemand mehr zu sehen. Manager Joachim Cast fiel nach der Niederlage, die wie jene in Unterhaching erneut in die Kategorie „unglücklich“ eingestuft wurde, nicht mehr viel ein. „Ich bin es leid, auch jetzt wieder nur das Gleiche sagen zu können“, ärgerte er sich. Und: „Es ist einfach frustrierend.“ Wieder gab es zwar Glückwünsche vom Gegner für eine gute Leistung, aber keine Punkte. Dabei hätten die „Blauen“ einen Zähler absolut verdient gehabt. Sie scheiterten aber wieder an ihrer Chancenverwertung. „Das ist schon seit Wochen unser Problem“, übte Stürmer Angelo Vaccaro berechtigte Eigenkritik. Coach Minkwitz brachte es gewohnt schnörkellos auf den Punkt: „Die Punkte holen wir, indem wir mal ein paar Tore schießen.“ Die Gäste hatten ein halbes Dutzend guter Möglichkeiten, den frühen Führungstreffer von Manuel Fischer aus der 12. Minute zu egalisieren. Letztlich hatte es der nur in der ersten halben Stunde dominante Tabellenführer auch dem starken Torwart Sven Ulreich zu verdanken, dass es beim 1:0 blieb. Daher gab es trotz aller Euphorie auch für VfB-Trainer Adrion Anlass zur Kritik: „Wir haben in der zweiten Hälfte zu viele Fehler gemacht, einige Spielzüge nicht zu Ende gespielt.“ Dennoch überwogen die Freude und der Stolz über den zehnten Saisonsieg: „Es ist toll, was die Jungs leisten.“Was die Kickers zumindest kämpferisch geleistet haben, stimmte auch Cast und Minkwitz positiv. „Wenn wir so weiterfighten, holen wir gegen Elversberg drei Punkte“, ist sich der Coach sicher. Und der Manager betonte: „Wir müssen in Ruhe weiterarbeiten können, sonst wird es schwierig, den Abwärtstrend aufzuhalten.“ Die Vorzeichen für die nächste Partie sind allerdings ungünstig. Mustafa Parmak ist gelb-gesperrt, Kapitän Jens Härter kehrt erst nach der Winterpause zurück – und nicht zuletzt spielen die Kickers zuhause, wo sie in dieser Saison immer noch sieglos sind.
statistik
VfB Stuttgart II: Ulreich – Feisthammel, Pisot, Pischorn (58. Dangelmayer), Schwabe – Träsch, Julian Schuster, Perchtold, Sauter – Fischer, Hofmann (46. Morys).
Stuttgarter Kickers: Yelldell – Steinle, Wildersinn, Rapp, Benda – Parmak, Akcay, Gambo (72. Yildiz), Stierle – Kacani, Vaccaro (66. Tucci).
Schiedsrichter: Wingenbach (Diez).
Zuschauer: 5900.
Tor: 1:0 Fischer (12.).
Gelbe Karten: Julian Schuster / Parmak, Steinle.
Beste Spieler: Ulreich / Akcay.
Eßlinger Zeitung