„Die dritte Liga hat fast schon existenzielle Bedeutung“
Interview mit dem Kickers-Manager Joachim Cast über die Neuzugänge und über die richtungsweisende Saison in der Fußball-Regionalliga
Über mangelnde Arbeit hat sich der Kickers- Manager Joachim Cast zuletzt nicht beklagen können. Erst musste der 39-Jährige einen Trainer suchen, um dann mit Peter Zeidler das Team für die nächste Saison zusammenzustellen. Zum gestrigen Trainingsauftakt waren bis auf den entschuldigten Bashirou Gambo alle Mann an Bord, darunter ein halbes Dutzend Neuzugänge. „Wir haben einen homogenen Kader“, sagt Cast im Gespräch mit Joachim Klumpp.
Herr Cast, in der Vergangenheit musste zum Trainingsauftakt bei den Kickers schon mal der Manager mit aufs Gruppenfoto, um den Kader zu füllen. Dieses Jahr drängeln sich gleich 24 Spieler, ist bei den Kickers der Wohlstand ausgebrochen?
Das hat mit Wohlstand überhaupt nichts zu tun. Aber auf Grund der extremen Qualifikationssituation für die dritte Liga ist uns bewusst, dass ein größerer Kader nötig ist. Dabei muss man berücksichtigen, dass fünf von 23 Spielern – Tucci, Kacani, Rodrigues, Deigendesch und Genisyürek – aus der Oberliga und aus der Verbandsliga stammen. Dass sie sich entwickeln, ist für uns klar, sonst wären sie nicht in unserem Kader.
Die Situation mit der Qualifikation für die eingleisige dritte Liga, wofür mindestens der zehnte Platz nötig ist, kann zu einem Hauen und Stechen führen. Braucht man da einen langen Atem?
Es ist auf alle Fälle intern ein größerer Konkurrenzkampf notwendig, deshalb sind auch alle Positionen doppelt besetzt. Bei einer ganz „normalen“ Saison wären wir vermutlich mit zwei Spielern weniger in die neue Runde gegangen.
Zuletzt haben gerade die überregional geholten Spieler nicht immer die in sie gesteckten Erwartungen erfüllt. Was spricht dafür, dass in dieser Saison nicht nur Masse, sondern auch Klasse dabei ist?
Es stimmt schon, dass wir im Endeffekt mit den eigenen Leuten oder denen aus der Umgebung die besten Erfahrungen gemacht haben. Aber Neuzugänge wie Marcel Rapp oder Marcus Mann kommen aus der Region, das hat bei unserer Entscheidung sicher eine Rolle gespielt, weil es aus unserer Sicht die Identifikation mit den Kickers stärkt. Zu uns kommt kein Spieler, dessen höchste Priorität auf den Finanzen liegt. Wir haben nur Spieler geholt, die in ihren Klubs Stammkräfte waren. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass wir eine homogene Mannschaft besitzen.
Wie sieht es mit Laszlo Kanyuk aus, der ja grundsätzlich den Verein verlassen kann, sich nun aber hier durchbeißen will?
Natürlich muss man sich in manchen Situationen fragen, ob es für beide Seiten nicht besser ist, einen kompletten Neuanfang zu machen. Aber Laszlo Kanyuk hat sich hier immer tadellos verhalten und in einem persönlichen Gespräch mit dem Trainer versichert, dass er sich hundertprozentig für die Kickers einsetzt. Wir werden das jetzt im Laufe der Vorbereitung genau beobachten.
Das Verhältnis Trainer und Manager gleicht heutzutage oft einer Schicksalsgemeinschaft. War es für Sie keine Überlegung, wie der langjährige Trainer Robin Dutt die Kickers zu verlassen?
Nein, zu keinem Zeitpunkt. Natürlich muss man das erst einmal verdauen, wenn man so lange und so gut zusammengearbeitet hat. Aber letztlich ist es eine Herausforderung, einen Neuanfang zu schaffen. Und ich spüre von Tag zu Tag mehr, dass es mit Trainer Peter Zeidler fachlich wie persönlich passt.
So gut, dass einige Fans nach dem vierten Platz der Vorsaison – hinter den beiden Aufsteigern und dem nicht aufstiegsberechtigten VfB Stuttgart II – vielleicht nicht nur von der Qualifikation für die dritte Liga träumen, sondern sogar von der zweiten?
Es ist ja bei den Kickers beinahe schon an der Tagesordnung, dass die Erwartungshaltung zu hoch ist. Aber man darf nicht vergessen, dass die Punktabstände im Vorjahr sehr gering waren – und wir kein souveräner Vierter. Die Verantwortlichen sind sich einig, dass das Ziel allein die Qualifikation für die dritte Liga sein kann, was ja fast schon existenzielle Bedeutung hat. Alles andere ist zunächst einmal unrealistisch.
Der Präsident Dirk Eichelbaum hat sich vor Kurzem in seiner 100-Tage-Bilanz enttäuscht davon gezeigt, dass sich auch nach dem Führungswechsel im Sponsorenbereich wenig tut. Woran liegt das?
Das ist aus meiner Sicht im Moment schwer zu beurteilen, weil ich in letzter Zeit zu 90 Prozent mit sportlichen Dingen beschäftigt war. Aber wenn jemand nicht investieren will, findet er immer einen Grund, egal ob der Präsident Kullen oder Eichelbaum heißt. Generell muss man sich Konzepte erarbeiten und umsetzen. Daran arbeiten unser Marketingmann Martin Kurzka und Hans-Jürgen Wetzel, der ja erst seit Kurzem im Präsidium dafür zuständig ist, mit Hochdruck.
Einmal unterstellt, die Stuttgarter Kickers schaffen die dritte Liga. Ist der Verein dafür gewappnet oder beginnen dann nicht erst recht die Probleme?
Eine schwierige Frage, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr vage sind. Da schwirren ja verschiedene Zahlen durch den Raum. Aber wenn die 650 000 Euro TV-Geld zutreffen sollten, ist das viel zu wenig, um existieren zu können, weil künftig eine Leistungskonzentration von 37 auf 20 Mannschaften stattfindet. Wenn sich die Zahlen bestätigen sollten, müssen sich die Vereine wehren und das nicht nur hinnehmen. Da steht auch der DFB ganz klar in der Pflicht. Die Anforderungen werden stetig in Richtung zweite Liga angehoben, bei der Finanzierung werden die Klubs aber im Regen stehen gelassen.
Es geht zum Beispiel um die Verbesserung der Infrastruktur. Droht nach dem VfB auch bei den Kickers eine Stadiondiskussion. Wie ist der Stand der Dinge ?
Es gab bereits Gespräche mit der Stadt. Dabei ging es in erster Linie um die geforderten 2000 Einzelsitzplätze im Gazistadion, aber auch um diverse Funktionsräume, die gefordert werden. Im Herbst ist dann mit näheren Informationen zu rechnen.
Stuttgarter Zeitung
Das Vorbereitungsprogramm der Stuttgarter Kickers
Samstag, 30. Juni, von 15 Uhr an
Präsentation im ADM-Sportpark
Sonntag, 1. Juli (17 Uhr)
Freundschaftsspiel beim SV Sillenbuch
Freitag, 6. Juli (17.30 Uhr)
Freundschaftsspiel gegen FC Thun
in Hilzingen bei Singen
Sonntag, 8. Juli (17 Uhr)
Jubiläumsspiel beim SV Aidlingen
12. bis 15. Juli 2007
Trainingslager in Böbingen
Freitag, 13. Juli (Anstoßzeit noch unbekannt)
Freundschaftsspiel gegen N. Gmünd in Böbingen
Sonntag, 15. Juli (16.30 Uhr)
Freundschaftsspiel in Bitz bei Albstadt
Donnerstag, 19. Juli (18.30 Uhr)
Freundschaftsspiel gegen SC Freiburg
Dienstag, 24. Juli (18 Uhr)
Freundschaftsspiel gegen Borussia Dortmund
im Gazistadion
Wochenende 27.-29. Juli
1. Spieltag Regionalliga Süd
Stuttgarter Zeitung
Zeidler setzt neue Akzente
Kickers-Coach versprüht beim Trainingsauftakt Optimismus – Gambo fehlt
Stuttgart – Seit dem gestrigen Montag rollt beim Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers wieder der Ball. Eines wurde schon beim Trainingsauftakt deutlich: Trainer Peter Zeidler setzt neue Akzente.
VON JÜRGEN FREY
Die 20 Kiebitze schauten etwas ungläubig auf den Nebenplatz im ADM-Sportpark. Am Ende der eineinhalbstündigen Trainingseinheit am Vormittag traben dort die Spieler wie an der Schnur gezogen nebeneinanderher und klatschen im Takt in die Hände. Zeidler feuert seine Spieler an. „Zeigt, dass ihr eine Mannschaft seid“, ruft er mit lauter und klarer Stimme. Neuer Trainer, neue Sitten. „Solche Dinge stärken das Rhythmus- und das Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagt der 44-Jährige – und ergänzt mit einem Lächeln: „Einen Joker habe ich sogar noch in der Hinterhand.“ Er denkt an Bashiru Gambo. Afrikaner haben Rhythmus im Blut. Und starke Heimatgefühle. Jedenfalls fehlte der Mittelfeldspieler als Einziger beim Trainingsauftakt. „Seine Mutter in Ghana ist krank“, erklärt Zeidler, „am Dienstag wird Gambo zum Team stoßen.“
Er meint es ernst. Trotzdem lächelt Zeidler wieder. Bei seiner Premiere in Degerloch präsentiert er sich gut gelaunt, kommunikativ und kooperativ. Der Nachfolger von Robin Dutt versprüht Optimismus: „Ich bin zufrieden mit dem Kader. Wir können zwar auch mal auf Platz 13 stehen, aber ich garantiere, dass wir am Ende die Qualifikation für die dritte Liga schaffen werden.“ Dies ist das klar definierte Ziel. Die zweite Liga ist weit weg. Zeidler: „Arm sind die, die keine Träume haben, aber ein Aufstieg ist einfach nicht realistisch.“ Mit der Hochfinanz aus Burghausen, Unterhaching und Ingolstadt könne man sich nicht messen. Die Blauen setzen auf ein ausgeglichenes Team. Das zeigt auch die Auswahl der sechs Neuzugänge Marcel Rapp (SC Pfullendorf), Markus Ortlieb (Wuppertaler SV), Marcus Mann, Nico Beigang (beide Darmstadt 98), Benedikt Deigendesch (1. FC Nürnberg II) und Saban Genisyürek (FV Illertissen). „Unser Star ist die Mannschaft“, sagt Manager Achim Cast. Und auch er lächelt zufrieden.
Fahrplan bis zum Ligastart am 27./28./29. Juli:
30. Juni, 15 Uhr: Saisoneröffnungsparty mit Mannschaftspräsentation im ADM-Sportpark
1. Juli, 17 Uhr: SV Sillenbuch – Kickers
6. Juli, 17.30 Uhr: FC Thun – Kickers in Hilzingen/Singen
8. Juli, 17 Uhr: SV Aidlingen – Kickers
12. bis 15. Juli: Trainingslager in Böbingen
13. Juli (Uhrzeit offen): FC Normannia Gmünd – Kickers in Böbingen
15. Juli, 15.30 Uhr: SF Bitz – Kickers
19. Juli, 18.30 Uhr: Kickers – SC Freiburg
24. Juli, 18 Uhr: Kickers – Borussia Dortmund
Stuttgarter Nachrichten
Die dritte Liga im Visier
Trainingsauftakt bei Regionalligist Stuttgarter Kickers mit sieben Neuen
Stuttgart – Mit sieben neuen Gesichtern ist Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers gestern in die Saison 2007/2008 gestartet. Beim ersten Training unter dem neuen Coach Peter Zeidler war der Kader allerdings nicht vollzählig.
Von Beate Wockenfuß
Zeidler musste bei der 90-minütigen Übungseinheit auf der Waldau sowohl auf Mittelfeldspieler Bashiru Gambo als auch auf Verteidiger Moritz Steinle verzichten. Gambo kehrt erst heute aus seiner Heimat Ghana zurück. Der Verein hatte den Urlaub des 28-Jährigen aufgrund eines Krankheitsfalls in der Familie um einen Tag verlängert. Steinle kann wegen Rückenproblemen derzeit nur Lauftraining absolvieren. Er wird morgen zur Mannschaft stoßen, die am Samstag (15 Uhr) im ADM-Sportpark gemeinsam mit den Fans die Saison eröffnet.Mit dem Trainingseinsatz seiner neuen Schützlinge zeigte sich Zeidler zufrieden. „Man hat gesehen, dass sie großen Spaß haben, miteinander zu spielen. Und das ist schließlich die Voraussetzung für Erfolg“, sagt der 44-Jährige, der vom 1. FC Nürnberg II gekommen ist, um die Nachfolge von Robin Dutt anzutreten – und die Kickers in die neue dritte Liga zu führen. Dafür muss in der neuen Spielzeit mindestens der zehnte Platz erreicht werden. „Die Qualifikation ist ganz klar unser Ziel“, betont Zeidler, der vom Umfeld aber Geduld erwartet: „Es sollte niemand hektisch werden, wenn wir in der Tabelle mal nicht unter den ersten Zehn stehen.“ Der Aufstieg sei für ihn kein Thema, sagt der Coach, der sich ab Saisonbeginn am letzten Juli-Wochenende ausschließlich auf die „Blauen“ konzentrieren kann, da er seine Tätigkeit als Französisch-Lehrer an einem Gymnasium in Heubach zum Schuljahresende beendet.In Nico Beigang und Marcus Mann (beide SV Darmstadt), Benedikt Deigendesch (1. FC Nürnberg II), Markus Ortlieb (Wuppertaler SV), Marcel Rapp (SC Pfullendorf) und Saban Genisyurek (FV Illertissen) stehen sechs Neue im 23 Mann starken Kader der Kickers. „Wir haben jede Position doppelt besetzt“, sagt Zeidler, der sich auf einen großen Konkurrenzkampf freut. Die Personalplanungen sind laut Manager Joachim Cast abgeschlossen. Einzig hinter der Zukunft von Laszlo Kanyuk steht noch ein Fragezeichen.
Eßlinger Zeitung