Presse: Nachbetrachtungen zur Jahreshauptversammlung

„Ich arbeite lieber im Hintergrund“

Interview mit Walter Kelsch über seine neue Funktion im Aufsichtsrat der Stuttgarter Kickers und die Perspektiven des Regionalligisten

Walter Kelsch ist Fußballprofi bei den Stuttgarter Kickers, dem VfB Stuttgart und verschiedenen Klubs im Ausland gewesen. Inzwischen ist der Exnationalspieler in der Versicherungs- und Immobilienbranche selbstständiger Unternehmer. Am Dienstag wurde er in den neunköpfigen Aufsichtsrat des Regionalligisten Stuttgarter Kickers gewählt. „Ich halte nichts von Versprechungen und Visionen“, sagt der 49-Jährige im Gespräch mit Joachim Klumpp.

Herr Kelsch, früher sind Sie als Spieler in die Offensive gegangen, inzwischen sind Sie erfolgreicher Geschäftsmann. Wo sehen Sie im Aufsichtsrat Ihren Schwerpunkt?

Mein Augenmerk liegt sicher im sportlichen Bereich, mit der notwendigen betriebswirtschaftlichen Erfahrung. Ich weiß, was möglich ist – und was nicht.

Und was ist bei den Kickers möglich?

Der Verein hat über Jahre – mit wenigen Unterbrechungen – auf den Nachwuchs gesetzt. Darauf müssen wir weiter Wert legen, das ist das Potenzial der Kickers, weil sie nicht in der Lage sind, nur Qualität zukaufen zu können. Außerdem müssen wir auch dahin kommen, dass wir wie eine Familie sind, in der sich die Spieler wohl fühlen.

Aber ganz ohne fremde Spieler geht es nicht, wenn man in der Regionalliga Erfolg haben möchte?

Das stimmt, auch wenn wir das Beispiel Hoffenheim mal außen vor lassen sollten. Aber Verpflichtungen von außen erfordern sehr viel Fingerspitzengefühl und ein glückliches Händchen. Denn sind wir mal ehrlich: welcher gute Spieler geht schon freiwillig in die Regionalliga.

Was hat Sie denn überhaupt dazu bewogen, für den Aufsichtsrat zu kandidieren?

Nachdem ich bei den Kickers einmal zu einer Sponsorentalkrunde eingeladen war, gab es grundsätzliche Gespräche, ob ich mich nicht in irgendeiner Form engagieren wolle. Und da ich hier zehn sehr schöne Jahre verbracht und dem Verein viel zu verdanken habe, habe ich mir gesagt: warum soll ich nicht mein Knowhow und meine Kontakte zu ehemaligen Spielern, die im Profifußball zu Hause sind, zur Verfügung stellen. Also habe ich gerne zugesagt.

Können Sie sich vorstellen, eine andere maßgebliche Funktion zu übernehmen?

Nein, das habe ich von vornherein gesagt, weil mir dazu alleine schon die Zeit fehlt. Außerdem bin ich lange genug in der ersten Reihe gestanden. Ich habe nicht das Bedürfnis, die Nummer eins zu sein, ich arbeite lieber im Hintergrund. Die Entscheidungen treffen sowieso Präsidium, Manager, Trainer.

Robin Dutt etwa. Haben Sie das Gefühl, dass der gerne mal Tipps von Ihnen holt?

Nein, das muss er auch nicht. Aber natürlich tauschen wir uns aus. Und ich habe schon den Eindruck, dass er sich gerne mit jemandem unterhält, der auch die sportliche Kompetenz hat. Denn von der Tribüne oben sieht man manche Dinge eben anders. Ich denke, wir liegen auf einer Welle, das ist eine sehr fruchtbare Geschichte.

Sie werden sich also dafür einsetzen, dass Dutt Trainer bei den Kickers bleibt?

Ja, dafür spreche ich mich klar aus. Er passt auch menschlich und charakterlich zu den Kickers. Die können froh sein, dass sie so einen Trainer haben. Was in diesem Geschäft aber nie ausschließt, dass es irgendwann anders kommt.

Und das sportliche Ziel heißt Aufstieg in die zweite Liga?

Natürlich muss man Ziele haben. Aber ich halte nichts von Versprechungen und Visionen. Es wäre fahrlässig, wenn man so einen Druck aufbauen würde, der dem nicht gerecht wird, was an wirtschaftlichem Potenzial vorhanden ist. Also muss man die Mannschaft sukzessive verstärken.

Schon in der Winterpause?

Da muss man abwarten. Es macht keinen Sinn, in Aktionismus zu verfallen. Man muss ja immer auch schon die nächste Saison im Auge haben, wenn es um die Qualifikation für die eingleisige dritte Liga geht. Falls es jetzt mit dem Aufstieg nicht klappt, ist es ein Muss, dass die Kickers da dabei sind. Denn der Fußball darunter spielt künftig, ohne das abwerten zu wollen, keine große Rolle mehr.

Wie sehen Sie generell die Entwicklung des Vereins in den vergangenen Jahren?

Zunächst einmal ist der Verein konsolidiert worden. Das ist schon mal eine große Leistung – und das hat auch künftig Priorität. Denn es bringt ja nichts, wenn die Kickers finanziell irgendwann handlungsunfähig sind und Insolvenz anmelden müssen. Und ich werde auch nur vertretbare Akzente setzen, dazu bin ich Realist genug. Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, deshalb braucht man auch Geduld.

Was sagen Sie zu manchen Querelen zwischen einigen Mitgliedern, die auch auf der Hauptversammlung deutlich wurden?

Die Suppenkocherei bringt nichts. Wer kritisiert, der muss erst einmal beweisen, dass er es besser macht. Und mir geht es ganz klar um den Verein – nicht um Personen.

Stuttgarter Zeitung

Kluge sucht noch Mitstreiter
Nachspiel zur Kickers-Wahl?

STUTTGART (ump). Bei der Jahreshauptversammlung haben die Stuttgarter Kickers am Dienstagabend nochmals an die Erfolge im DFB-Pokal erinnert, wo man bekanntlich in der Verlängerung gegen den Hamburger SV gewonnen hat. Nun droht ein weiteres Nachspiel – auf juristischer Ebene. Das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Gerhard W. Kluge, der sein Amt wegen eines Strafverfahrens seit April ruhen ließ und seine Kandidatur in letzter Minute zurückzog, ließ gestern noch offen, ob er die Wahl anfechten wird. „Die rechtlichen Voraussetzungen wären vorhanden“, sagt Kluge und bezieht sich auf den Umstand, dass als Wahlleiter nicht wie in der Satzung eigentlich vorgesehen der Präsident fungierte, sondern wie schon in der Vergangenheit das frühere Präsidiumsmitglied Hermann Mäurle. Dazu kämen die Drohungen gegen seine Person von Seiten zweier Aufsichtsratsmitglieder, nicht mehr für das Gremium zu kandidieren. „Ich werde abwarten, ob ich zwei oder drei Mitstreiter finde.“

Auf das ehemalige Präsidiumsmitglied Michael Hofstetter kann er dabei nicht setzen. Der war zwar mit dem Procedere der vollzogenen Blockwahl des Aufsichtsrats nicht einverstanden, sagt zu einer Anfechtungsklage: „Juristisch hat sie vielleicht eine Chance, aber es bringt letztendlich nichts und schadet nur wieder dem Verein.“ Kluge selbst überlegt indes, ob er hauptberuflich bei einem anderen Fußballverein arbeiten wird, tendiert aber im Moment eher zu einem Engagement beim Eishockeyklub Stuttgarter EC.

Stuttgarter Zeitung

Die Kickers-Gremien

Präsidium: Hans Kullen (Präsident), Dirk Eichelbaum (Finanzen und Recht), Dieter Wahl (Marketing), Edgar Kurz (Jugend und Amateure), Jürgen Köhn (übrige Abteilungen).

Aufsichtsrat: Christian Mauch (Vorsitzender), Christian Dinkelacker, Rainer Lorz, Kai-Uwe Völschow; neu: Walter Kelsch, Klaus Lang, Friedrich Kummer, Heinz Höfinger, Alexander Lehmann.

Stuttgarter Zeitung

Dem neuen Kickers-Aufsichtsrat droht Ärger

Gerhard W. Kluge spricht von Drohungen nach Bekanntwerden seiner Kandidatur

Stuttgart – Die Aufsichtsratswahl bei der Mitgliederversammlung der Stuttgarter Kickers könnte ein Nachspiel haben. Ex-Aufsichtsrat Gerhard W. Kluge erhebt schwere Vorwürfe gegen Mitglieder des neuen Gremiums.

VON DIRK PREISS

Als sich der Abend im Clubhaus der Stuttgarter Kickers dem Ende zuneigte, fiel es Christian Mauch sichtlich schwer, seine Müdigkeit zu verbergen. Die Augen des Orthopäden wurden kleiner, Mauch wirkte erschöpft. Es war ja auch kein leichter Abend gewesen für den Aufsichtsratsvorsitzenden der Blauen. Zwar wurde er samt seinem Team in das neue Kontrollgremium gewählt, allerdings könnte dieses Votum der Mitglieder unter Umständen bald nur noch Makulatur sein. Dann nämlich, wenn der ehemalige Kickers-Aufsichtsrat Gerhard W. Kluge seine Ankündigung wahr macht. Kluge hatte zuletzt sein Mandat ruhen lassen. Gegen ihn läuft im Zusammenhang mit seiner früheren beruflichen Tätigkeit ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, das seiner Meinung nach aber demnächst eingestellt wird.

Kluge war am Dienstag die Nummer zehn auf der Liste der Kandidaten für den Aufsichtsrat – der Spielmacher war er aber nicht, eher der Spielverderber. Sie hatten es sich so schön zurechtgelegt, Christian Mauch und seine Männer. Nur als neunköpfige geschlossene Gesellschaft wollten sie das Kontrollgremium bilden. „Wenn auch nur einer unserer Kandidaten nicht durchkommt, stehe ich nicht zur Verfügung“, hieß es immer wieder. Mauch verteidigte später diese Strategie: „Wir vertrauen uns, es ist legitim, dass wir das nur als Mannschaft machen wollen.“

Mauch sagt auch, er hätte sich mehr Kandidaten gewünscht – zumindest bei einem seiner Aufsichtsratskollegen war dieser Wunsch wohl weniger ausgeprägt. Erst wurde das ehemalige Präsidiumsmitglied Michael Hofstetter vereinsintern zurückgepfiffen. Als Kluge sich dann als letzter der Kandidaten den Mitgliedern vorstellte, ließ er durchblicken, dass seine Bewerbung mit Mitteln verhindert werden sollte, „die ich in Sizilien vermutet hätte, aber nicht hier“. Nachdem bekannt geworden sei, dass er antrete, habe er Anrufe und eine E-Mail erhalten. Er nennt es „eindeutige Drohungen“. Von einer möglichen Schmutzkampagne gegen ihn sei da die Rede gewesen, nach dem Motto: „Irgendwas bleibt immer hängen.“

Kluge zog am Dienstagabend seine Kandidatur dann doch noch zurück. Alles Weitere ließ er offen. Er habe durch die E-Mail eindeutige Beweise und lasse die Geschehnisse rechtlich prüfen, anschließend könnte es eine Anzeige geben – und womöglich die Anfechtung der Aufsichtsratswahl. Ende der Woche will er sich entschieden haben.

Mauch versichert, von den von Kluge geschilderten Vorgängen nichts gewusst zu haben. „Das ist nicht unser Stil“, sagt er, „wie die Wahl abgelaufen ist, finde ich sehr schade.“ Zumal er sich sicher sei, dass es ohnehin für seine Mannschaft gereicht hätte. „Wir hatten so etwas nicht nötig.“ Die Androhung einer Neuwahl sieht er gelassen.

Vielmehr will er sich auf künftige Aufgaben konzentrieren. „Die letzten drei Jahre mit den vielen Reibereien haben keinen Spaß gemacht“, sagt er. Nun will er mit seinem Team die Versprechen der Vergangenheit einlösen. Immer wieder versprach man sich von den Club-Kontrolleuren wirtschaftliche Kontakte mit finanziell positiven Folgen. Doch schon im vergangenen Jahr mussten die mit viel Elan gestarteten Aufsichtsräte feststellen, dass die Arbeit für die Kickers der Goldsuche mit einer Wünschelrute gleicht. „Nun ist die Ausgangslage aber eine andere“, glaubt Mauch.

Erstes Ziel sei es, bis zur Winterpause den finanziellen Rahmen für eine Verstärkung der Mannschaft zu schaffen. Trotz der sieben Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz bewertet Mauch die Chance auf den Sprung in Liga zwei so groß wie schon lange nicht mehr. „Jetzt oder nie“, lautet sein Motto. Als er es sagt, fangen seine Augen wieder an zu leuchten – aller Müdigkeit zum Trotz.

Stuttgarter Nachrichten

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