Vorberichte: Stuttgarter Kickers – VfB Stuttgart II

Wer kommt mit dem Druck zurecht?
 
Das Fußball-Regionalligaderby Kickers gegen VfB II steht heute unter besonderen Vorzeichen
 
STUTTGART. Das Stuttgarter Stadtduell in der Regionalliga zwischen den Kickers und dem VfB II hat seinen Reiz: im Allgemeinen und im Besonderen, wenn heute (19 Uhr) im Gazistadion der Spitzenreiter auf den Vierten trifft. Der Zuschauerrekord jedenfalls wackelt.

Von Joachim Klumpp

„Wann hat es das schon mal gegeben, dass ein Spiel der Kickers später angepfiffen wurde“, so lautete die rhetorische Frage des Managers Joachim Cast nach dem ersten Saisonheimspiel der Fußball-Regionalliga vor zehn Tagen gegen den Karlsruher SC II, als der Schiedsrichter ein paar Minuten mit dem Anstoß wartete, weil sich an den Kassenhäuschen noch lange Schlangen gebildet hatten. Am Ende kamen 3550 Zuschauer.

Doch diese Zahl dürfte heute (19 Uhr) mit ziemlicher Sicherheit locker überboten werden. Schließlich steht das Derby gegen den VfB Stuttgart II auf dem Programm. Das hat immer schon seinen Reiz, und in diesem Jahr einen ganz besonderen. Also sagt der Kickers-Trainer Robin Dutt: „Es ist sicher kein Spiel wie jedes andere.“ Schließlich ist seine Mannschaft Tabellenführer, der VfB wiederum könnte es mit einem Sieg theoretisch werden. Also sagt deren Trainer Rainer Adrion: „Wir freuen uns auf das Spiel.“

Und auch auf die Kulisse. „Denn das sind die Begegnungen, in denen sich unsere jungen Leute beweisen können. Und deshalb ist diese dritte Liga für den VfB auch so wichtig“, sagt der Trainer im Hinblick auf eine mögliche eingleisige dritte Liga ohne die zweiten Mannschaften der Profiklubs, die dann eine Klasse tiefer antreten müssten.

Wer weiß, vielleicht verabschieden sich die Kickers ja sportlich eine Klasse nach oben. Für eine ernsthafte Prognose ist es allerdings noch zu früh. Der Trainer sagt: „Wenn wir nach weiteren zehn Spieltagen immer noch unter den ersten sechs stehen würden, wäre das eine hervorragende Sache.“ Der Kapitän Jens Härter nennt einen Grund für den makellosen Saisonstart: „Das Korsett der Mannschaft ist seit drei Jahren zusammen, da weiß jeder, wie der andere denkt und fühlt. Und die Erfolgserlebnisse tun ihr Übriges.“

Wobei die für den gegnerischen Coach nicht aus heiterem Himmel kommen. Bereits vor der Saison hat Adrion den Lokalrivalen dem Favoritenkreis zugeordnet. Und kann sich bestätigt fühlen. Denn zu der bisher schon vorhandenen taktischen Disziplin, vor allem in der Defensive, kommen seiner Meinung nach zwei neue Qualitäten: „Mit dem Sturmduo Mesic und Okpala haben sie zwei Klasseleute im Sturm. Dazu kommen die Standardsituationen durch Benda.“

Doch Bange machen gilt nicht. Auch die zweite Mannschaft des VfB kann mit dem Saisonauftakt durchaus zufrieden sein, bei sieben Punkten ohne Niederlage. Dennoch will Adrion die Mannschaft nicht überfordern. „Sie braucht noch ihre Zeit.“ Zumal sich der Torjäger Bernd Nehrig im Testspiel der Profis am Mittwoch gegen Ludwigsburg eine leichte Gehirnerschütterung und José-Alex Ikeng am vergangenen Sonntag gegen den FK Pirmasens nach einer rüden Attacke (Adrion: „Das hätte Rot geben müssen“) gar einen Kreuzbandriss zugezogen hat: „Das ist für ihn natürlich ein herber Rückschlag“, sagt Adrion, nachdem Ikeng eigentlich im Rahmen des Länderspiels Deutschland gegen Schweden als drittbester Nachwuchsspieler des U-18-Jahrgangs mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze hätte geehrt werden sollen. Adrion: „Eine Tragödie.“ Die sich auf dem Platz nicht fortsetzen soll. Doch der VfB-Trainer warnt: „Wir müssen abwarten, wie die Mannschaft mit dem Druck in einem Derby zurechtkommt.“

Bei den Kickers klappt das bis jetzt ganz gut. „Die Mannschaft ist mental sicher stärker geworden“, hat der Trainer Dutt in der noch jungen Saison festgestellt. „Sie glaubt daran, dass sie gewinnen kann.“ Wie am vergangenen Sonntag in Kaiserslautern, als die beiden Treffer zum Sieg erst in den letzten zehn Minuten fielen. Doch Dutt sagt auch: „Wir haben noch nichts erreicht.“

Zumindest der Zuschauerrekord aber könnte bereits heute wackeln. Bis jetzt steht der für das Derby bei 5040 vom Mai 2005. Der Manager Joachim Cast sagt jedenfalls: „Ich kann mich nicht erinnern, dass der Vorverkauf für ein Punktspiel einmal so gut lief.“ Was nicht heißen muss, dass es an den Kassenhäuschen keine Schlangen mehr gibt.

Stuttgarter Zeitung

Zwei Urgesteine brennen aufs Derby
 
Treue Seelen: Steinle (Kickers), Dangelmayr (VfB)
 
Das wievielte Derby es für ihn ist? Moritz Steinle von den Stuttgarter Kickers lacht und zuckt mit den Achseln: „Keine Ahnung. Wirklich nicht“, sagt der Verteidiger vor dem Regionalligaduell mit dem VfB Stuttgart II am heutigen Freitag (19 Uhr/Gazistadion). „Ich weiß nur, dass noch nie so viel Brisanz drinsteckte wie diesmal – und dass wir 2:0 gewinnen.“

Steinle ist erst 24 Jahre alt, aber der dienstälteste Kickers-Spieler. Seit der F-Jugend kickt er unterm Fernsehturm. Ununterbrochen. Einmal Blauer, immer Blauer. Dabei war es eher Zufall, dass er als siebenjähriger Knirps in Degerloch landete. „Meine Eltern steckten mich zu den Kickers, weil sie während des Trainings im Wald joggen konnten“, erinnert sich Steinle.

Monika und Manfred Steinle hielten sich laufend fit, ihr Filius blieb am Ball. Nach der A-Jugend biss sich Steinle in der Oberligaelf durch. „Er war eher schmächtig, körperlich nicht sehr weit“, erinnert sich Trainer Robin Dutt. Inzwischen hat das Urgestein der Blauen mit dem Vorbild Lilian Thuram in Sachen Athletik mächtig zugelegt. Dank seiner Spielintelligenz ist er vielseitig einsetzbar. Im defensiven Mittelfeld genauso wie in der Abwehr. Nach der Rückkehr von Sascha Benda spielt der Rechtsfuß seit Beginn dieser Saison in der Viererkette auf der linken statt auf der rechten Seite – und verdrängte dort Nico Kanitz. Trotz der Parallele zu Philipp Lahm lehnt Dutt einen Vergleich mit dem Nationalspieler ab. „Moritz ist ein ganz anderer Typ, vom Bewegungsablauf erinnert er mich eher an Michael Ballack“, sagt der Kickers-Trainer.

Am Saisonende läuft Steinles Vertrag bei den Kickers aus. Dann gibt es für ihn zwei Möglichkeiten. Entweder beginnt er ein Studium (Druck- und Medientechnologie) und spielt nebenher in der zweiten Mannschaft. Oder er schiebt das Studium noch ein Weilchen hinaus und jagt mit der ersten Mannschaft eine Etage höher dem Ball nach. „Die zweite Liga mit den Kickers wäre mein größter Traum“, sagt Steinle und strahlt. An die Alternative Vereinswechsel verschwendet er erst gar keinen Gedanken.

Gerhard Mayer-Vorfelder wünschte sich immer Spieler mit Sinn für Vereinstreue. Männer, die den Brustring eintätowiert haben. Der ehemalige Präsident des VfB Stuttgart müsste an Steffen Dangelmayr seine helle Freude gehabt haben. Der Abwehrchef des VfB II ist durch und durch ein Roter. Nicht nur, dass er seit der D-Jugend auf dem Wasen spielt. Einen noch viel größeren Beweis seiner Leidenschaft für den VfB erbrachte Dangelmayr vor neun Jahren: Zusammen mit ein paar Kumpels gründete er den offiziellen VfB-Fan-Club Magic Ostalb. Noch heute ist er in Amt und Würden – als Beisitzer.

Klar, dass so jemand einem Derby gegen die Blauen besonders entgegenfiebert. Sticheleien gegen die Kickers gibt es von ihm aber keine. Dafür ist der Wirtschaftsingenieurstudent ein zu besonnener Typ. Deshalb sagt er nur: „Ich freue mich ganz besonders auf die Stimmung im Gazistadion.“ In der heißen Atmosphäre am Freitag (19 Uhr), ist er sicher, wird er kühlen Kopf behalten. „Wir gewinnen 1:0“, sagt er selbstbewusst.

Zusammen mit Marijan Kovacevic hält der 27-Jährige die Abwehr im VfB-Talentschuppen zusammen. Er ist ein Leitwolf. Oder wie ihn Trainer Rainer Adrion bezeichnet: „Ein Edel-Amateur.“ Dabei hat sich Dangelmayr in der Ära Felix Magath bereits auf der Profibühne präsentiert: Fünfmal in der Bundesliga, zweimal im Uefa-Cup. Danach ließen ihn die Trainer Matthias Sammer und Giovanni Trapattoni mehr oder weniger links liegen. Hinzu kamen viele Verletzungen, die den Durchbruch verhindert haben. „Dadurch konnte ich nie konstante Leistungen abrufen“, erklärt Dangelmayr.

Zweitligaangebote aus Unterhaching und Burghausen hat der bodenständige Mann aus Mögglingen dankend abgelehnt. Große Chancen, noch den Sprung nach oben zu schaffen, rechnet er sich nicht mehr aus. „Mit 27“, sagt er, „ist man doch schon ein alter Sack.“ Sein Vertrag beim VfB läuft bis 2008. Unabhängig davon, ob der Kontrakt verlängert wird oder nicht: Sein Herz wird immer an den Roten hängen. Jürgen Frey

Stuttgarter Nachrichten

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