Stuttgarter Kult-Schiedsrichter wird an diesem Samstag 90 Jahre alt
Von Jürgen Frey
STUTTGART. Rudolf Kreitlein hatte die Lacher auf seiner Seite. Als es in dieser Woche zu den Fernsehaufnahmen für einen Beitrag im ARD-Morgenmagazin auf den Rasen des Gazistadions ging, fragte er ganz keck: „Und wer putzt meine Schuhe?“
Der saubere Sport lag einem der renommiertesten Fußball-Schiedsrichter des vergangenen Jahrhunderts schon immer am Herzen. Schon zu Lebzeiten hat sich der gebürtige Franke, der an diesem Samstag seinen 90. Geburtstag feiert, unsterblich gemacht – mit einem Geistesblitz: Kreitlein erfand die Gelbe und Rote Karte.
23. Juli 1966: Kreitlein leitete bei der WM im Wembley-Stadion das Duell England gegen Argentinien. Der Referee stellte den argentinischen Kapitän Antonio Rattin vom Platz. Es kam zu Tumulten. Rattin weigerte sich hartnäckig das Feld zu verlassen. Da es noch keine Roten Karten gab, konnte und wollte er Kreitleins Gesten partout nicht verstehen. Erst nach zehn Minuten geht der Südamerikaner in Begleitung englischer Bobbys in die Kabine. Auf der Rückfahrt ins Hotel kam Kreitlein und dem englischen Schiedsrichter-Betreuer Ken Aston die historische Idee. Inspiriert von den vielen Verkehrsampeln, entwickelten sie gelbe und roten Karten als weltweit verständliche und eindeutige Symbole. Der Weltverband Fifa nahm den Vorschlag auf und führte die Karten bei der WM 1970 ein.
Ehre, wem Ehre gebührt: Mit 30 Gästen feiert Kreitlein, der seit Jahrzehnten in Degerloch lebt, an diesem Samstag im Stuttgarter Haus der Geschichte seinen Festtag. Vertreter von VfB und Kickers sind dabei – und auch der argentinische Generalkonsul Juan Garibaldi gibt sich die Ehre. Schließlich war sein Landsmann Rattin nicht unbeteiligt an Kreitleins Kultstatus.
Stuttgarter Zeitung