Strichliste des Grauens
Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 02.11.2010
Regionalliga Das Präsidiumsmitglied Friedrich Kummer zählt beim 0:1 der Kickers gegen Fürth die Fehlpässe. Von Joachim Klumpp
Fürths Trainer Frank Kramer ist ein höflicher Mensch. Er bedankte sich ausdrücklich bei den Stuttgarter Kickers für die Motivationshilfe. Die hatte der Geschäftsführer Jens Zimmermann geliefert, nachdem er im Fußballmagazin „11 Freunde“ den Franken Kreisklassenniveau attestiert hatte, weil sie vergangene Saison – wohl wegen höherer Gewalt – nicht mit dem Bus, sondern in Autos angereist waren. „Das hat die Mannschaft gelesen, und es hat ihr Auftrieb gegeben“, sagte Kramer. In der Tat, schließlich hat sie 1:0 beim Stuttgarter Fußball-Regionalligisten gewonnen, verdient, wie selbst der Kickers-Coach Dirk Schuster zugeben musste.
Dessen Elf hatte die beste Phase in den ersten 20 Minuten mit zwei Pfostenschüssen (Philip Türpitz, Ali Pala) sowie zwei weiteren Chancen, doch die wurden so wenig genutzt wie ein Elfmeter, den Enzo Marchese so unplatziert schoss, dass dies symptomatisch für seine schwache Leistung stand (83.). Das gleiche Malheur war ihm schon gegen 1860 München II unterlaufen, nicht nur deshalb gibt es Parallelen.
„Wir sind schlecht organisiert“, sagte der Sportkoordinator Michael Zeyer. Der Aufbau ist dem Zufall überlassen, da die Innenverteidiger Simon Köpf und Marcel Rapp nicht prädestiniert sind für die Spieleröffnung, der defensive Mittelfeldmann Michele Rizzi zu viele Löcher stopfen muss und Marchese im Moment weder Denker geschweige denn Lenker ist.
Das Präsidiumsmitglied Friedrich Kummer hatte vor der Pause eine Strichliste mit Fehlpässen geführt: Es kam die erschreckende Zahl von 35 zusammen, so viele Patzer kann keine Elf kompensieren, weil das einen viel zu hohen Aufwand erfordert.
„In Karlsruhe haben wir uns zuletzt über den Ballbesitz Selbstvertrauen geholt“, sagte Schuster, „das hat diesmal nicht geklappt.“ Auswärts (bei zwölf von 19 Punkten) tun sich die Kickers leichter mit ihren schnellen Spitzen wie Türpitz, Pala oder dem eingewechselten Marcel Brandstetter. „Wir werden unsere Schlüsse aus dem Spiel ziehen“, betonte Schuster – wobei ein Systemwechsel diskutiert wird.
„Dirk Schuster kann jetzt zeigen, was er draufhat“, sagte Kummer, ohne damit irgendein Ultimatum setzen zu wollen. Doch klar ist auch: der Trainer ist gefordert; es ist weitgehend sein Kader. Trotz des Abwärtstrends halten die Kickers aber an ihrem Saisonziel (Platz eins bis sechs) fest, wobei sie jetzt bereits die Weichen für die nächste Saison stellen können. „Wir müssen uns sicher verstärken“, sagte Kummer. Und zwar in allen Mannschaftsteilen.
Sonst laufen die Fans weg. Am Samstag gab es mit nur 1820 Besuchern einen Vorgeschmack. Schließlich hatten die Kickers schon gegen Spitzenreiter Kassel (bei 2150 Zuschauern) 4000 Euro Minus gemacht.
Einen Teilerfolg nach zuletzt drei Niederlagen gab es für die SG Sonnenhof Großaspach: 1:1 hieß es am Ende gegen den FSV Frankfurt II. „Das war ein Spiel, das wir vor sechs Wochen noch gewonnen hätten, aber vor eineinhalb Wochen auch noch verloren hätten“, sagte der Trainer Alexander Zorniger. Dem kurz zuvor eingewechselten Nico Rummel gelang der Ausgleichstreffer für die SG (79.).
Stuttgarter Kickers Wagner – Auracher (46. Brandstetter), Köpf, Rapp, Gerster – Rizzi – Abruscia, Gondorf (35. Ivanusa) – Marchese – Pala (78. Yilmaz), Türpitz.
Stuttgarter Zeitung
Tendenz geht nach unten
Bei den Kickers brodelt es immer kräftiger
Von Jürgen Kemmner, aktualisiert am 02.11.2010 um 14:48
Fußball Herren Regionalliga Süd Saison 2010/2011 SV Stuttgarter Kickers – Greuther Fürth II
Stuttgart – Es hätte ein Befreiungsschlag werden sollen, nun wächst der Druck wieder an: Die Stuttgarter Kickers haben die günstige Gelegenheit verpasst, in der Tabelle deutlich nach oben zu klettern – 0:1 unterlag der Fußball-Regionalligist am Samstag vor 1800 Fans im Gazistadion der SpVgg Greuther Fürth II. Das Schlimme am Rückschlag: Die Kickers sind seit fünf Heimspielen sieglos und hätten gegen Fürth sogar durchaus höher verlieren können. „Wir müssen uns ernsthaft Gedanken machen, warum wir nach drei insgesamt ordentlichen Spielen einen großen Schritt in die falsche Richtung gemacht haben“, sagte Trainer Dirk Schuster.
Die Analyse des 42-Jährigen: Zum einen trete seine Mannschaft im Gazistadion mit zu viel Respekt auf, als ob sie von vornherein Angst vor Buhrufen oder gar Beleidigungen der Fans haben könnte. Die Erwartungen in dieser Saison seien durch die Verstärkungen verständlicherweise gewachsen, so dass den Zuschauern der Geduldsfaden schneller reiße. Seien wir ehrlich: Wenn ein Spieler Angst vor Pfiffen hat, ist er in der Regionalliga fehl im Team. Zum andern, so Schusters Analyse, habe sich bei manchen Spielern nach den guten Partien zuletzt Selbstzufriedenheit breitgemacht. Ein altbekanntes Problem, gegen das jeder Coach ein Heilmittel kennen sollte. Kickers-Koordinator Michael Zeyer hatte gegen Fürth Schwächen in der Spielorganisation auf dem Feld erkannt. „Im Spielaufbau gab’s ein Vakuum“, sagte er und ließ die Frage offen, ob die Blauen lieber einen Stürmer oder besser einen Spielgestalter als Verstärkung in der Winterpause suchen sollten.
Der Druck auf Schuster nimmt zu
Fraglos ist, dass der Druck vor allem auf Trainer Schuster zunimmt, da sein Team im Niemandsland der Tabelle herumdümpelt, wo doch der Blick nach oben gehen sollte. „Wir hinken unseren Zielen hinterher“, räumt er ein. Da überrascht es nicht, dass es bei den Kickers immer kräftiger brodelt – bei den Fans steigt der Unmut, wurde Schuster vergangene Saison für seine Aufbauarbeit noch gelobt, so wird er nun für den Stillstand kritisiert. „Diese Reaktionen sind völlig normal“, sagt der Trainer.
Auch Präsident Edgar Kurz hat die stärker werdenden Erdstöße von der Waldau vernommen, obwohl er am Samstag am Bodensee war. „Die Tendenz geht abwärts – die Alarmglocken sind eingeschaltet“, betont der Clubchef, „Schuster steht unter besonderer Beobachtung, so sind die Automatismen der Branche. Aber wir reden in Ruhe miteinander.“ Nur keine Panik. Doch bis zum Spiel am Sonntag bei Eintracht Frankfurt II sollte Schuster die Probleme ausgeräumt haben. Zur Not dürfen die Blauen schlecht spielen – wenn sie trotzdem gewinnen, können auch die Fans damit leben.
Stuttgarter Nachrichten
Kleeblatt bezwingt Kickers
Stuttgarter Kickers – SpVgg Greuther Fürth II 0:1 (0:1) – 30.10. 21:13 Uhr
FÜRTH – Auf die U23 der SpVgg Greuther Fürth ist auswärts weiterhin Verlass. Bei den Stuttgarter Kickers landete das „kleine Kleeblatt“ bereits seinen fünften Dreier in der Fremde und präsentierte sich eine Woche vor dem mit Spannung erwarteten Derby gegen den 1. FC Nürnberg in guter Verfassung.
Trainer Frank Kramer musste kurzfristig auf den angeschlagenen Philipp Langen verzichten, dessen Platz Fabian Baumgärtel einnahm. Zudem kam Dani Schahin zu seinem ersten Saisoneinsatz im Nachwuchs-Team.Vor 1820 Zuschauern erwischten die Stuttgarter zunächst den besseren Start und brachten die in den ersten Minuten etwas schläfrig wirkende SpVgg stark in Bedrängnis. Zweimal
verhinderte nur der Pfosten bei Schüssen von Türpitz (8.) und Pala (13.) einen frühen Rückstand. Erst nach einer guten Viertelstunde gewannen die Fürther mehr und mehr die Oberhand, nutzten ihre technischen Vorteile aus und kombinierten flüssig und druckvoll in Richtung Kickers-Gehäuse.
Profi-Leihgabe Dani Schahin sorgte schließlich in der 31. Minute für den verdienten Führungstreffer, als er nach einer schönen Ballstafette über mehrere Stationen aus 14 Metern unhaltbar vollstreckte. Die Kramer-Elf wurde nun immer selbstsicherer, ließ jedoch, wie in den Spielen zuvor, die nötige Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor vermissen. Zunächst scheiterte Dani Schahin (36.), der sein Visier etwas zu hoch eingestellt hatte, dann köpfte Jim-Patrick Müller an die Latte (38.).
Die Sp
Vgg hatte auch nach Wiederanpfiff deutlich mehr von der Partie, unterband die Angriffsversuche der „Blauen“ durch konsequente Abwehrarbeit meist schon im Ansatz und drängte mit Macht auf die Entscheidung. Jim-Patrick Müller (52.), Christopher Schaab (57.) oder Dani Schahin (67.) ließen den zweiten Treffer aber teilweise leichtfertig liegen. Zudem prüfte Felix Klaus aus kurzer Distanz die Beschaffenheit des schwäbischen Aluminiums (70.). Die Strafe folgte nach 82 Minuten auf dem Fuß: Schiedsrichter Steffens hatte, wohl als Einziger im Stadion, bei einem Schussversuch von Yilmaz ein Foulspiel des in der Nähe befindlichen Florian Bauer gesehen und zum Entsetzen der Fürther auf den Elfmeterpunkt gezeigt.
Torhüter Jasmin Fejzic, der vor sechs Jahren selbst noch das Trikot der Kickers getragen hatte, erwies sich jedoch als Matchwinner und konnte den unplatziert getretenen Strafstoß von Vincenzo Marchese entschärfen. In der folgenden Schlussphase kamen die Weiß-Grünen kaum mehr in Bedrängnis und brachten den letztlich hochverdienten Dreier sicher ins Ziel. Entsprechend zufrieden fiel das Fazit von Frank Kramer nach der Begegnung aus, dem nur die
eklatante Abschlussschwäche seiner Mannschaft Sorgen bereitete: „Wir haben bis auf eine etwas durchwachsene Anfangsphase eine sehr gute Leistung geboten und den Gegner klar beherrscht. Allerdings müssen wir ein solches Spiel vorzeitig entscheiden, um nicht Gefahr zu laufen unnötig Punkte zu verlieren.“
SpVgg Greuther Fürth II: Fejzic; Philp, Bauer, Kleineheismann, Baumgärtel – Strangl, Schaab, Klaus (81. Welzmüller), Kampl (90. Zitzmann) – Schahin (77. Katerna), Müller
Tor: 0:1 Schahin (31.)
Schiedsrichter: Steffens (Mechernich)
Zuschauer: 1820
Bes. Vorkommnis: Fejzic hält Foulelfmeter von Marchese (83.)