Die Saison ist gelaufen – nach elf Spielen
Regionalliga Für die Kickers brechen schwere Zeiten an.Von Joachim Klumpp
Goldener Oktober? Von wegen, und das in jeder Beziehung. Über Nacht war es ungemütlich geworden, nass und kalt, so dass lediglich 2150 Zuschauer den Weg zum Spiel der Stuttgarter Kickers gegen den Spitzenreiter Hessen Kassel ins Gazi-Stadion fanden – und auch noch eine 2:4-Niederlage erlebten. Während die Gäste danach auf den ICE zum Bahnhof eilten, ist für die Kickers der Zug in Richtung Tabellenspitze der Fußball-Regionalliga abgefahren. Und das nach elf Spielen, einem Drittel der Saison. „So haben wir uns das nicht vorgestellt“, sagt der Präsident Edgar Kurz. „Dabei stimmt bei uns eigentlich alles, bis auf den sportlichen Erfolg.“
Das Ziel hieß Platz eins bis sechs, doch selbst von Letzterem sind die Kickers als Tabellen-13. weit entfernt. Obwohl der Etat vor dieser Saison deutlich aufgestockt worden ist, auf gut zwei Millionen Euro. Nachdem die Kickers vor einem Jahr einen Punkt mehr hatten, stellt sich die Frage: Wie ist das Geld investiert worden? Offenbar nicht optimal. Die Neuzugänge jedenfalls haben die Erwartungen bisher kaum erfüllt: egal ob Ali Pala oder der spät eingewechselte Daniel Reule, Oliver Stierle oder Marcel Brandstetter, die verletzt fehlten, genau wie der kurzfristig erkrankte Marcel Rapp und der gesperrte Enzo Marchese.
So stand eine extrem junge Mannschaft auf dem Platz, in der Marcel Ivanusa mit 25 schon der älteste Spieler war. Der Gästecoach Mirko Dickhaut zeigte sich angetan: „Ich denke, die Kickers sind auf dem richtigen Weg.“ Mittelfristig vielleicht, doch so viel Zeit haben sie nicht. Denn eines ist klar: spätestens in der nächsten Saison muss der Aufstieg klappen, „sonst haben wir ein ernsthaftes Problem“ (Kurz).
Ein Problem finanzieller Natur. Denn bei dem als Anschubfinanzierung eingesetzten Kapital von rund einer Million Euro handelt es sich um ein Geschäft, bei dem der Investor Rendite sehen will, die es nur in der dritten Liga gibt. Vorerst droht schon in der laufenden Runde ein Loch, zumindest bei den Zuschauern. Hätte Kassel nicht rund 300 Fans mitgebracht, wäre die Besucherzahl am Samstag unter die 2000er-Marke gerutscht, bei der der Verein gerade noch so plus/minus null über die Runden kommt. Künftig droht also die Gefahr, bei jedem Spiel draufzulegen.
„Wir arbeiten unter professionellen Bedingungen, da können wir mit der Situation nicht zufrieden sein“, sagt der Sportkoordinator Michael Zeyer. Die Ergebnisse bestätigen den Exprofi, und man kann davon ausgehen, dass der sich in künftige Personalentscheidungen mehr einbringen wird als noch vor dieser Saison, als er diesbezüglich mit dem Trainer nicht immer auf einer Wellenlänge lag.
Bleibt die Frage, wie die Kickers mit der Situation – zum Aufstieg zu wenig, zum Abstieg zu viel – in der restlichen Saison umgehen. „Wir müssen uns zunächst einmal rehabilitieren“, fordert der Präsident Edgar Kurz, der am Wochenende schon wieder ein 111-Jahr-Jubiläum hatte (diesmal in seiner Firma), „und dann über den Tellerrand hinausschauen.“ Soll heißen: in der Winterpause muss entschieden werden, ob nochmals für die Rückrunde investiert wird oder erst im Hinblick auf die neue Saison. So oder so dürfte ein gewisses Umdenken stattfinden, wie das Beispiel Hessen Kassel zeigt, das auch dank Erfahrung im Kader an der Spitze steht, während die Kickers bisher bevorzugt Talenten oder Eigengewächsen den Vorzug gaben.
Da ist auch der Trainer Dirk Schuster gefordert, dessen Stellung längst nicht mehr so unangreifbar ist wie noch zu Saisonbeginn. Deshalb sollte kurzfristig etwas passieren. „Von der Leistung her habe ich einen Aufwärtstrend gesehen“, sagte er am Samstag, nachdem aus den vergangenen sieben Spielen nur ein Sieg heraussprang.
Auffallend war zuletzt, dass die Mannschaft körperlich einbricht oder zumindest ihre Kräfte falsch einteilt: Nach starkem Beginn baut sie häufig ab (wie beim 2:2 nach einer 2:0-Führung gegen Ulm). Und jetzt wartet wieder eine englische Woche mit dem Nachholspiel morgen in Darmstadt. „Die Aufgabe wird nicht einfacher“, ahnt Schuster. Zumal Michele Rizzi nach seiner fünften Gelben Karte fehlt.
Kickers Wagner – Auracher, Köpf, Fennell, Gerster (81. Reule) – Rizzi (66. Steinle) – Abruscia, Gondorf, Ivanusa (77. Savranlioglu) – Türpitz, Pala. Tore 1:0 Abruscia (3.), 1:1 Ochs (11.), 1:2 Mayer (13.), 2:2 Ivanusa (35.), 2:3 Damm (72.), 2:4 Koitka (90+1).
Stuttgarter Zeitung
Kickers unterliegen dem Spitzenreiter
Stuttgart (red) – Die Feierlichkeiten zum 111. Geburtstag sind vergessen: Durch die zweite Niederlage in Folge ist Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers auf Platz 13 abgerutscht – und damit endgültig im (unteren) Mittelmaß. Die ersatzgeschwächte Mannschaft unterlag vor 2150 Zuschauern Tabellenführer Hessen Kassel mit 2:4 (2:2). Trainer Dirk Schuster zog ein nüchternes Fazit: „In unserer aktuellen Situation haben wir uns sehr anständig verkauft. Mehr aber leider nicht, denn die Mannschaft mit der größeren Erfahrung hat sich durchgesetzt“.
Dabei hatte es für die Stuttgarter ausgezeichnet angefangen. Bereits in der 3. Minute schloss Sandro Abruscia nach sehenswerter Vorarbeit von Philip Türpitz zum 1:0 ab. Rene Ochs und Andreas Mayer mit einem Freistoß drehten den Spieß jedoch schnell um (11./13.). Da Marcel Ivanusa aber noch vor der Pause nach einem Torwartfehler ausglich, blieben die „Blauen“ im Spiel (35.).
Nach dem Wechsel trafen aber nur noch die Hessen: Tobias Damm (73.) und Kai Koitka (90.+2) sorgten für den letztlich verdienten Sieg des Spitzenreiters.
Eßlinger Zeitung
Stuttgarter Kickers: Keine Wende
Schuster beklagt individuelle Fehler
Die Kickers haben dieWende verpasst: Nach dem 2:4 im „Schlüsselspiel“ (Präsident Edgar Kurz) gegen Kassel und nur einem Sieg in den letzten sieben Partien droht eine Saison im Mittelmaß – und damit noch größere finanzielle Probleme. Das Ziel Platz eins bis sechs geben sie aber nicht auf. „Abgerechnet wird am Schluss“, sagte Geschäftsführer Jens Zimmermann.
Zunächst war Stuttgart dem individuell besser besetzten Tabellenführer ebenbürtig, nach der Pause aber zu undynamisch. „Wir haben es nicht mehr geschafft, offensiv zu verteidigen und die Bälle aggressiv zu erobern“, sagte Trainer Dirk Schuster. Weil Kapitän Marcel Rapp (Grippe) und drei weitere Stammkräfte ausfielen, bot er eine extrem junge Elf auf – und ärgerte sich über individuelle Fehler: „Wir haben drei Gegentore selbst gemacht. Wir bescheißen uns immer wieder selbst.“ Doch auch den Kickers-Treffern gingen Patzer voraus.
KSV-Trainer Mirko Dickhaut war froh, dass seine Elf nach guten Tests gegen Hannover (1:2) und Bielefeld (2:2) nicht überheblich auftrat. „Ich kann mich auf mein Team verlassen“, lobte er. Kassel profitierte vom Druck auf die Kickers. „Wir wollten zu sehr den Sieg“, fand Verteidiger Simon Köpf.
Matthias Jung
Kicker