Vorberichte VfR Aalen – Stuttgarter Kickers

„Ich empfinde keine Genugtuung“

Kickers-Trainer Edgar Schmitt im Interview: „Die Anzahl der Aalener Gegentore zeigt mir gute Möglichkeiten auf“

Die Rückkehr ist keine gewöhnliche. Wenn Trainer Edgar Schmitt am Samstag mit den Stuttgarter Kickers im Drittliga-Derby beim VfR Aalen antritt, hat er noch immer viele Sympathisanten an seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Viele Fans haben die Entlassung von „Euro-Eddy“ nie verstanden. Im Interview spricht der 45-Jährige über den Abstiegskampf, seine Zeit auf der Ostalb und darüber, dass „die Entwicklung in Aalen für Kenner nicht gerade überraschend kommt“.

Herr Schmitt, sind Sie nervös?
Schmitt: Nein, warum?
Weil Sie in wenigen Tagen erstmals an Ihre alte Wirkungsstätte zurückkehren.
Natürlich freue ich mich, dass ich meine ehemaligen Spieler wiedersehe. Ich freue mich, Betreuer Günther Hammer und Masseur Achim Hägele zu treffen. Und all die anderen. Aber sonst ist es für mich ein Spiel wie jedes andere.
Es fällt schwer, das zu glauben.
Man muss in diesem Geschäft eine professionelle Einstellung leben und diese führt zu dem, was ich eben sagte. Meine Konzentration gilt nun den Stuttgarter Kickers, und insofern spielt es keine Rolle, gegen wen wir antreten.
Empfinden Sie Genugtuung, wenn Sie die Entwicklung beim VfR Aalen sehen?
Nein. Jürgen Kohler wünsche ich vielmehr eine gute Besserung. Und auch sonst empfinde ich keine Genugtuung. Der VfR Aalen war meine erste Trainerstation, es war eine sehr lehrreiche Zeit. Schließlich habe ich in den gut eineinhalb Jahren alles kennengelernt, was der Profifußball zu bieten hat. Sowohl Positives als auch Negatives.
Und Sie wurden zu einem Zeitpunkt freigestellt, als im Umfeld kaum einer damit gerechnet hat.
Vielen ist die Freistellung auch heute noch nicht ganz klar. Ich jedenfalls ging damit professionell um, wobei mir auch das spontane Interesse anderer Verein gut getan hat.
Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten die Mannschaft nicht ausreichend verstärkt. Haben Sie die Dritte Liga unterschätzt?
Das habe ich nicht. Ich hatte auch fast keine Möglichkeiten, die Mannschaft zu verstärken. Meine Vertragsverlängerung zog sich aus schwer nachvollziehbaren Gründen hin, es wurde erst Ende Mai verlängert. Danach hatten Geschäftsführer Martin Braun und ich nur noch ganz wenig Zeit zu handeln, und der Spielermarkt war fast ausverkauft. Zwischenzeitlich hatte das damalige Management mehrere Spieler (Pascal Bader, Anton Shynder, Mario Hohn – Anm. d. Red.) ohne mein Wissen verpflichtet. Das zur Verfügung stehende Geld war ausgegeben und mir völlig unbekannte Spieler ohne Rücksprache verpflichtet.
Warum haben Sie nicht früher mit der Suche nach neuen Spielern begonnen?
Man hätte bereits im Januar mit der Suche nach neuen Spielern beginnen müssen, aber da wusste ja keiner, wie es weitergeht. So zogen sich die Entscheidungen bis Ende Mai hin, vorher konnte ich nicht tätig werden. Die Konsequenzen habe ich bereits geschildert. Ich bin mir jedoch sicher: Wenn um meine Person eine frühzeitige Entscheidung getroffen worden wäre, würde der VfR Aalen heute in der 2. Bundesliga spielen.
Statt dessen steht am Samstag das Derby in der Dritten Liga an. Treffen da zwei Mannschaften aufeinander, die gegen den Abstieg spielen?
Wir kämpfen um den Klassenerhalt, und ich bin mir sicher, dass wir es schaffen. Wenn der VfR gegen uns verliert, steht auch er unten drin. Aber absteigen werden die Aalener voraussichtlich nicht. Dazu ist die Qualität im Kader viel zu hoch.
Der VfR Aalen schafft es auch nicht mehr, das Publikum zu begeistern.
Für Kenner ist das nicht besonders überraschend. Die Mannschaft war immer darauf eingestellt, attraktiven, erfolgreichen Fußball zu spielen. Und damit hat sie begeistert. Plötzlich soll nur noch die Null stehen. Eine solche Umstellung ist kaum zu schaffen. Sicher nicht ohne Verlust der Attraktivität. Und leider auch mit Einbußen beim Erfolg.
Wenn Sie den VfR Aalen und die Stuttgarter Kickers miteinander vergleichen. Wo sehen Sie die gravierendsten Unterschiede der beiden Vereine?
Die Kickers verfügen über Tradition, Herz und Leidenschaft. Und über professionelle Strukturen und begeisternde Persönlichkeiten in der Führungsriege. Beim VfR Aalen ist hingegen genügend Geld vorhanden. Sollen die beiden Vereine jemals fusionieren, dann wäre alles vorhanden … Dieser Scherz sei erlaubt.
Statt einer Zusammenarbeit kommt es am Samstag zum Duell. Rechnen Sie sich realistische Chancen auf einen Sieg aus?
Ja, denn wir haben oft genug bewiesen, dass wir gegen starke Gegner mithalten können. Viele Spiele standen bei uns auf des Messers Schneide. Nur sind sie nicht immer auf die richtige Seite gekippt.
Fehlt Ihrer Mannschaft die Qualität für die Dritte Liga?
Nein, auf keinen Fall. Wir sind individuell gut besetzt. Wir müssen uns im Kollektiv sukzessive verbessern. Ich bin zuversichtlich, denn meine Spieler sind willig und lernbereit. Nicht schlecht wäre, wenn wir noch ein, zwei Führungsspieler dazu bekommen könnten.
Werden Sie in der Winterpause neue Spieler dazu holen?
Wenn machbar, dann ja. Und zwar, um das Team zu verbessern und zu stabilisieren. Wir werden aber keinen Spieler aus dem Kader stoßen.
Stimmt es, dass Sie sich beim VfR Aalen bedienen werden?
Ähnliches habe ich auch schon gehört, aber mir fehlen die Offerten des VfR. Ich glaube aber nicht, dass Aalen Spieler an die Kickers abgibt.
Tatsache ist, dass der VfR einige Spieler los werden will.
Wenn dem so ist, sollte man mich kontaktieren.
Der Name Mischa Welm ist schon mehrfach gefallen.
Wenn der VfR Aalen Mischa los werden möchte und wir ein entsprechendes Signal erhalten, sind wir gesprächsbereit.
Sie haben wie der VfR Aalen zuletzt häufig unentschieden gespielt. Diese Remis bringen keinen weiter.
Uns bringen diese Unentschieden mehr vorwärts als die Aalener. Dort herrscht eine andere, öffentlich gemachte Erwartungshaltung. Und wir nehmen für uns in Anspruch, die besseren Spiele gemacht zu haben. Denken Sie nur an unsere Unentschieden gegen die spielstarken Mannschaften wie den FC Bayern II oder den VfB Stuttgart II. Letzteres wird bereits „historisches Derby“ genannt. Dies steht im Gegensatz zu den emotionslosen 0:0-Spielen.
Wie groß ist der Vorteil im Derby, dass Sie die Mannschaft des VfR Aalen in- und auswendig kennen?
Kenne ich die Mannschaft wirklich noch? Ich glaube aber zu wissen, was wir tun müssen.
Wo sehen Sie die Stärken beim VfR Aalen?
Vielleicht die Defensive. Obwohl die Anzahl der Gegentore auch gute Möglichkeiten aufzeigt.
Beim VfR Aalen und im Umfeld sind Sie noch immer sehr beliebt.
Es ist für mich eine Wertschätzung meiner Leistung und und meiner Fußball-Philosophie. Die Fans haben ein untrügliches Gespür für gut und schlecht. Insofern freut mich das nachhaltig positive Echo natürlich umso mehr.

© Schwäbische Post 27.11.2008

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