Presse zu Stuttgarter Kickers – Dynamo Dresden (2:1)

Der Kickers-Bann ist gebrochen
Nach dem ersten Sieg in der dritten Liga ist der Glaube an die eigene Stärke zurückgekehrt

STUTTGART. Ein Rekordbesuch mit 6070 Zuschauern und dann noch der erste Saisonsieg beim 2:1 gegen Dynamo Dresden – was will man mehr? So konnten es die Fans der Stuttgarter Kickers gut verkraften, dass sie ein eher schwaches Spiel zu sehen bekamen.

Von Joachim Klumpp

Der Kickers-Manager Joachim Cast wusste am Samstag zeitweise gar nicht so recht, wo er nun hinschauen sollte: auf den Platz oder die Ränge? Denn der harte Kern der geschätzten zweieinhalbtausend Dynamo-Anhänger rüttelte hinter dem einen Tor immer wieder vehement am Fangzaun, so dass die Verantwortlichen Angst hatten, der würde eingerissen – und das Spiel abgebrochen. Doch dann hielt das gute Stück und endlich auch einmal die Abwehr, so dass nach 14 Spielen der erste Saisonsieg unter Dach und Fach war.

„Heute haben wir auch mal das Glück gehabt, das uns zuletzt gefehlt hat“, gab der Manager zu. Davon wollte der Trainer Edgar Schmitt offiziell nichts wissen, was irgendwie verständlich ist nach so einer langen Durststrecke, bei der schon mehrfach die sicher geglaubten Punkte in letzter Sekunde entrissen worden sind. Aber dass die Mannschaft durchaus noch anfällig ist, zeigte die Schlussphase, als sie sich von einem alles andere als übermächtigen Gegner in die Defensive drängen ließ, so dass buchstäblich bis zum Abpfiff um den Sieg gezittert werden musste. Der Co-Trainer Rainer Kraft brachte es nach den 90 Minuten auf den Punkt: „Das Spiel war nicht gut – dafür das Ergebnis.“

Am Samstag zählten nur die drei Punkte. Wobei Schmitt zugab: „Die Kunst ist es ja, die Mischung aus schönem und erfolgreichem Fußball zu finden.“ Die Kickers sind da zumindest auf einem guten Weg, und der Präsident Dirk Eichelbaum sieht sich rund zwei Wochen vor der Hauptversammlung in der Wahl des Trainers bereits bestätigt: „Unter Edgar Schmitt ist hier doch immer etwas geboten, auch wenn das diesmal sicher ein typisches Spiel für ein Unentschieden war.“

Was vielleicht auch daran lag, dass Schmitt personell ein wenig experimentierte. Teils gezwungenermaßen, teils freiwillig. So fiel der eigentlich für die linke Abwehrseite vorgesehene Marcel Rapp über Nacht mit Grippe aus, und Bashiru Gambo bekam zunächst eine Denkpause auf der Bank. Der Trainer nahm dem Ghanaer („er ist wie mein Sohn“) etwas übel, dass der sich wegen einer Schulterverletzung im Training hat hängenlassen. „Wir können nur als Team funktionieren“, betonte Schmitt deshalb nochmals. In dieser Rolle übernahm der Kapitän Alexander Rosen eine echte Vorbildfunktion, was Lauf- und Einsatzbereitschaft angeht. Schmitt: „Er verkörpert genau das, was wir brauchen, um nicht abzusteigen.“

Und davon ist der Trainer überzeugt, mehr denn je sogar. Da ließ sich dann auch ein wenig nonchalant darüber hinwegsehen, dass der Siegtreffer einem Eigentor entsprang und nach vorne einiges nicht so rund lief wie gewohnt. Orlando Smeekes fand überhaupt nicht ins Spiel, während bei Angelo Vaccaro recht deutlich wurde, dass das Mittelfeld nicht sein angestammtes Revier ist. Und die Abwehr, in der der Trainer Marcus Mann in die Pflicht nimmt, musste sich wiederholt auf den Schlussmann Manuel Salz verlassen. „Dennoch, das war wichtig für den Kopf“, sagte der Verteidiger Markus Ortlieb. Der Glaube ist zurück – und vielleicht kann der ja noch Berge versetzen.

Der Trainer jedenfalls gibt sich selbstbewusst, aber nicht überheblich. Sein Fazit: „Uns muss erst einmal einer schlagen.“ Da ist was Wahres dran. Denn das ist, unter Schmitt, bisher lediglich Offenbach gelungen.

Stuttgart: Salz – Reiß, Mann, Ortlieb, Härter – Vaccaro, Rosen, Kettemann (51. Gambo) – Traut, Schürg (79. Kacani), Smeekes (63. Tucci).

Dresden: Keller – Girke (84. Dobry), Grembowietz, Hübener, Cozza – Kügler (71. Savran), Truckenbrod, Pfeffer (63. Röttger), Wagefeld – Bröker, Jungnickel.

Stuttgarter Zeitung

Kickers kämpfen, zittern, feiern
2:1 – Mit wenig Spielkultur, aber viel Einsatz gelingt endlich der erste Sieg

Stuttgart – Fußball-Drittligist Stuttgarter Kickers ist für seinen hohen Einsatz mit dem ersten Saisonsieg belohnt worden. Das 2:1 (1:1) gegen Dynamo Dresden legte aber auch die Defizite im Spielaufbau und in der Defensive unbarmherzig an den Tag.

VON JÜRGEN FREY

Um 15.48 Uhr am Samstag war es vollbracht. Trainer Edgar Schmitt riss mit dem Schlusspfiff die Arme nach oben, brüllte seine Erleichterung heraus, dann drückte er seinen Assistenten Rainer Kraft und Manager Joachim Cast ganz fest an sich. Es waren keine Steine, die dem Trio vom Herzen gefallen waren. Und auch keine Felsen. Es war eine ganze Gebirgskette. Auch den Spielern war die Erleichterung über den ersten Saisonsieg im 14. Anlauf anzusehen. „Wir wissen nun, dass wir so ein Spiel auch über die Zeit bringen können. Das gibt uns Selbstvertrauen und neuen Mut“, sagte Kapitän Alexander Rosen, der Anführer eines leidenschaftlich kämpfenden Kickers-Kollektivs.

Wie der Dreier zustande kam, interessierte hinterher keinen mehr. Dass Torwart Manuel Salz mit drei Rettungstaten im Spiel eins gegen eins die Blauen im Spiel hielt? Dass zum Siegtreffer ein Eigentor herhalten musste? Dass die Kickers so gut wie keine Spielkultur zeigten? Schwamm drüber. „Das alles“, sagte Manager Cast mit einem breiten Grinsen, „das alles interessiert mich heute überhaupt nicht.“

Wer will es ihm verübeln? Schließlich hatten die Kickers schon oft in dieser Saison riesigen Aufwand betrieben – aber in der Schlussphase ging ihnen der Lohn flöten. Jetzt endlich ernteten die Blauen die Früchte ihrer Arbeit. Und Präsident Dirk Eichelbaum fühlt sich in seiner Entscheidung, den Trainer zu wechseln, bestätigt. „Edgar Schmitt hat doch schon in Aalen den attraktivsten Fußball der Liga spielen lassen, nun ist doch auch bei uns in jedem Spiel Leben in der Bude.“ In der Tat gehören harmloses Geplänkel, langweiliges Ballgeschiebe der Vergangenheit an. Die Spieler zeigen Risikobereitschaft und Mut zu Einzelaktionen. Und dennoch steht fest: Stellen die Blauen nicht ihre Abstimmungsprobleme in der Defensive ab, wird es zum Klassenverbleib nicht reichen. Es wäre ungerecht, für dieses Dilemma nur die Abwehr verantwortlich zu machen. Viel zu offen, viel zu ungeordnet und zu wenig kompakt präsentieren sich die Blauen schon im Mittelfeld. Und was die Kreativität nach vorne betrifft, steht und fällt vieles mit Bashiru Gambo. Als „unersetzlich“ bezeichnete ihn Schmitt. Dennoch brachte er ihn erst nach 50 Minuten. Aus disziplinarischen Gründen, weil der Ghanaer wegen Schulterproblemen erst am Donnerstag wieder ins Training kam. „Er hat sich ausgeruht, bevor er müde wurde“, sagte Schmitt. Ganz im Gegensatz zum kampfstarken Kickers-Team gegen Dynamo.

Stuttgarter Nachrichten

Dresdens Fans sorgen für Wirbel
Fangzaun drohte einzustürzen

Joachim Cast hat die Spiele der Kickers schon aufmerksamer beobachtet als am Samstag. Mit bangem Blick schaute der Manager in der zweiten Halbzeit immer wieder hinüber zu den Fans von Dynamo Dresden. Über 2000 hatten ihre Mannschaft ins Gazistadion begleitet. Sie sorgten für prickelnde Stimmung. Aber wenn“s dumm gelaufen wäre, hätten ein paar Unverbesserliche zudem für einen Spielabbruch gesorgt. Etwa 15 Dynamo-Anhänger waren auf das Fangnetz hinter dem Tor gestiegen und rüttelten daran minutenlang. Dresdens Sportdirektor Ralf Minge griff zum Mikrofon, doch auch er konnte die Fans nicht zur Vernunft bringen. „Wären die Pfosten aus der Verankerungen gebrochen und der Zaun eingestürzt, wäre das Spiel vorbei gewesen“, sagte Cast. Am Ende ging alles gut. Zwar beleidigten die Dynamo-Fans ihre Spieler verbal, ansonsten blieben sie friedlich. Cast meldete „keine weiteren besonderen Vorkommnisse“ und telefonierte noch am Abend mit DFB-Sicherheitsexperte Gerhard Kißlinger. „Er war zufrieden, wie es lief, für uns gibt es kein Nachspiel.“ jüf

Stuttgarter Nachrichten

Wenn Gebirgsketten vom Herzen fallen

Die Stuttgarter Kickers feiern beim 2:1 gegen Dynamo Dresden ihren ersten Saisonsieg

Stuttgart – Im 14. Anlauf hat es geklappt: Die Stuttgarter Kickers haben im Kellerduell gegen Dynamo Dresden mit 2:1 (1:1) ihren ersten Sieg in der dritten Fußball-Liga gefeiert. Zwar bleiben die „Blauen“ Tabellenschlusslicht, verkürzten aber den Abstand zu einem Nichtabstiegsplatz auf zwei Punkte – und tankten kräftig Selbstvertrauen.

Von Beate Wockenfuß

„Uns ist nicht nur ein Stein, sondern eine ganze Gebirgskette vom Herzen gefallen“, jubelte Kickers-Kapitän Alexander Rosen, nachdem er auf einer Ehrenrunde mit seinen Mannschaftskollegen ausgiebig den ersten Dreier mit den Fans gefeiert hatte. Nach zuletzt mehreren dramatischen Remis und gefühlten Siegen, stand den „Blauen“ die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Endlich hatten wir das Glück auch mal auf unserer Seite. Das gibt uns Auftrieb“, war auch der erneut starke Torhüter Manuel Salz froh, dass die Durststrecke beendet ist. Glück hatten die Kickers, weil die Dresdner erstens an eklatanter Abschlussschwäche litten und zweitens mit einem Eigentor für den Siegtreffer sorgten. „Das ist völlig egal, das nackte Ergebnis zählt“, betonte Manager Joachim Cast. Es war so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Schließlich hatten die Kickers in dieser Saison schon weitaus bessere Spiele gezeigt und dann doch nicht gewonnen. „Sicher war es kein Spiel für Fußball-Ästheten, sondern ein Kampfspiel mit einem Arbeitssieg“, so Cast. Jens Truckenbrod hatte die Gäste früh in Führung gebracht (11.). Den Ausgleich erzielte Sascha Traut mit einem Hammer aus 20 Metern, nachdem Ralf Kettemann einen Freistoß auf ihn quergelegt hatte (37.). Mehr Chancen hatten in der Folge die Sachsen, die sie aber alle vergaben. Der Dresdner Jens Grembowietz war es schließlich, der eine Flanke von Thorsten Reiß unhaltbar ins eigene Tor abfälschte (74.). Danach kämpften die Kickers aufopferungsvoll, um diesmal den Vorsprung über die Zeit zu retten. „Wir haben Mut und Leidenschaft entgegengesetzt und verdient gewonnen“, lobte Coach Edgar Schmitt. Dynamo-Trainer Ruud Kaiser sah es etwas anders. „Wir hätten hier 3:1 oder 4:1 siegen müssen“, haderte er mit der Chancenverwertung, nahm sein Team aber auch in Schutz: „Wir haben sehr gut gespielt. Die Gegentore waren unglaubliches Pech.“ Doch das interessierte nach dem Abpfiff im „blauen“ Lager keinen mehr. Die Kickers freuten sich nicht nur über den Sieg, sondern auch über einen neuen Saisonrekord von 6070 Zuschauern – von denen 2500 aus Dresden kamen. Ausschreitungen gab es nicht, auch wenn die Stimmung mehrfach zu kippen drohte. Einige Dynamo-Anhänger wurden zwischenzeitlich von Tribünen- zu Zaungästen und brachten die Absperrung mehrfach ins Wanken. Dresdens Sportdirektor Ralf Minge konnte sie aber per Mikrofon zumindest etwas besänftigen. Die Fans der Kickers waren dagegen glücklich und hoffen nun, dass der Knoten geplatzt und die Wende eingeleitet ist. „Wir sind bei der Musik und wissen, dass wir es können“, erklärte Schmitt. Dem kollektiven Jubel folgte aber sofort der kollektive Tritt auf die Euphoriebremse. „Wir bleiben bescheiden, wollen nur über den Strich“, sagte der Coach. Und auch Rosen betonte: „Das ist nur als ein erster Schritt zu sehen.“

Statistik
Stuttgarter Kickers: Salz – Reiß, Mann, Ortlieb, Härter – Kettemann (50. Gambo), Rosen, Vaccaro – Traut, Schürg (80. Kacani), Smeekes (62. Tucci).

Dynamo Dresden: Keller – Cozza, Hübener, Grembowietz, Girke (86. Dobry) – Wagefeld – Truckenbrod, Jungnickel – Kügler (71. Savran), Bröker, Pfeffer (62. Röttger).

Schiedsrichter: Schriever (Dorum).

Zuschauer: 6070.

Tore: 0:1 Truckenbrod (11.), 1:1 Traut (37.), 2:1 Grembowietz (74./Eigentor).

Gelbe Karten: Mann, Härter / Bröker, Truckenbrod, Grembowietz, Cozza.

Beste Spieler: Salz, Rosen / Wagefeld, Hübener.

Eßlinger Zeitung

Dresden weiter in der Krise

Erster Sieg für die Kickers
Im 14. Anlauf hat es endlich geklappt. Die Stuttgarter Kickers gewannen gegen Dynamo Dresden mit 2:1 (1:1) und feierten so den ersten Sieg in der laufenden Saison. Durch den Dreier schlossen die Schwaben nach Punkten zu Werder Bremen II auf. Die Krise bei Dynamo Dresden hat sich nach der erneuten Niederlage dagegen vergrößert. Das Team von Trainer Ruud Kaiser wartet seit fünf Partien auf einen Sieg.

Gegenüber dem 3:3-Unentschieden in Wuppertal nahm Kickers-Coach Edgar Schmitt zwei Änderungen vor: Härter und Schürg spielten für Landeka und Gambo (Schulterprobleme). Mit fünf frischen Kräften reagierte Dresdens Trainer Ruud Kaiser auf die 0:3-Pleite gegen Paderborn. Girke, Grembowietz, Kügler, Pfeffer und Jungnickel spielten für Palionis, Nikol, Petrovic, Röttger und Gerrit Müller.

Dynamo Dresden begann engagiert und dominierte die Anfangsphase. Bereits nach fünf Minuten verpasste Bröker bei der ersten Chance die Führung für die Sachsen. Die holte aber Truckenbrod nach. Der 28-Jährige nutzte einen Fehler in der Kickers-Abwehr eiskalt zur Führung für Dynamo aus (11.).

Die Kickers mussten sich nach dem Rückstand erst sortieren, konnten sich mit zunehmender Dauer gegen nun zu passive Dresdner mehr Spielanteile erarbeiten. Die Folge war der 1:1-Ausgleich durch Traut in der 37. Minute. Mit diesem Ergebnis ging es auch in die Kabinen.

Im zweiten Abschnitt wogte die Partie, die technisch keineswegs hochklassig war, hin und her. Mehr Vorteile hatten die Sachsen. Das Siegtor allerdings erzielten die Schwaben mit Unterstützung von Grembowietz. Dem Dynamo-Verteidiger unterlief in der 74. Minute ein Eigentor. Dresden warf in der Schlussphase alles nach vorne, konnte der Partie aber keine Wende mehr geben.

Die Stuttgarter Kickers sind am kommenden Samstag bei Eintracht Braunschweig gefordert. Dynamo Dresden empfängt ebenfalls am Samstag Fortuna Düsseldorf.

Kicker

Kaiser: So viel Pech ist eine Frechheit
Von Sven Geisler, Stuttgart

Der Dynamo-Trainer redet nach der 1:2-Niederlage bei den Stuttgarter Kickers die Krise der Dresdner schön.

Die Dresdner Dynamos haben das Kellerduell in der 3.Fußball-Liga bei den zuvor sieglosen Stuttgarter Kickers mit 1:2 (1:1) verloren. Wer jedoch danach die Analyse von SGD-Trainer Ruud Kaiser hörte, hätte glauben können, die Gelb-Schwarzen haben eine Weltklasse-Partie geliefert und der Gegner sich den Sieg auf hinterhältige Art und Weise erschlichen.

„Wenn man in einem Auswärtsspiel sieben, acht Torchancen kreiert – besser kann man ja nicht Fußball spielen“, meinte der Niederländer, und er stellte fest: „Normalerweise muss es 3:1, 4:1 für Dynamo Dresden stehen.“ Und so war sein Stuttgarter Kollege „unheimlich froh, dass wir kein Debakel erlebt haben“. Mit beißender Ironie konterte Edgar Schmitt Kaisers Sicht der 90Minuten, und er bilanzierte mit heiserer Stimme sachlich: „Wir haben verdient gewonnen, weil wir Leidenschaft und Mut entgegengebracht haben. Da können andere erzählen, was sie wollen.“

Dreimal vor dem Torwart

Kaiser verwies zum Beispiel auf die drei Situationen, in denen ein Dresdner allein auf Kickers-Keeper Manuel Salz zugelaufen war. Thomas Bröker schoss erst weit drüber anstatt auf den in der Mitte freistehenden Jens Truckenbrod zu passen (50.), dann schaufelte er Salz die Kunststoffkugel direkt in die Arme (57.), und schließlich semmelte Lars Jungnickel das Spielgerät in die Wolken, anstatt auf den mitgelaufenen Bröker abzulegen (69.). Diese Szene hatte Sportdirektor Ralf Minge wohl vor Augen, als er außer Pech und Unvermögen „einen Hauch Egoismus“ als Grund für Dynamos desolate Chancenverwertung verantwortlich machte.

Tatsächlich hatten die Dresdner mehr Möglichkeiten als die Gastgeber, aber nur Truckenbrod nutzte eine mit straffem Schuss zum Führungstreffer in der elften Minute – ein magerer Ertrag für einen hohen Aufwand. Dynamo hat in 13Spielen erst elf Tore erzielt; schlechter ist nur der VfR Aalen (10).

Die Abschlussschwäche seiner Stürmer konnte Kaiser bisher nicht beheben. Bei Bröker ist keine Entwicklung zu erkennen; anders als beispielsweise einst bei Thomas Neubert, der in Dresden als Chancentod begann und schließlich wegen seiner Tore für die Fans zum „Fußball-Gott“ aufstieg. Halil Savran, der in den ersten beiden Partien erfolgreich war, lief nach seiner Einwechslung in Stuttgart, als trüge er eine Zentnerlast auf dem Rücken, obwohl ihm der Trainer eine zweiwöchige Ruhepause gegönnt hatte.

Pavel Dobry, der beste Torschütze der vergangenen Saison, kam als Joker für sechs Minuten zum Zuge. Dabei hatte der Tscheche beim einzigen Mal, als er länger als eine Halbzeit angreifen durfte, in Offenbach zweimal getroffen (2:2).

Kaiser beklagt sich über die Gegentore. „Was kann man machen gegen einen Freistoß, der keiner ist? Was kann man machen gegen ein Eigentor? So viel Pech – das ist unglaublich; eine Frechheit.“

Über den Freistoßpfiff kann man zweifellos streiten, weil Truckenbrod zwar gegen Sascha Traut grätschte, aber den Ball traf. Die Ausführung jedoch war lehrbuchreif: Zwei Stuttgarter sorgen hinter der Mauer für Unruhe, dann legt der vermeintliche Schütze Ralf Kettmann ab, und Traut trifft den Innenpfosten. Unhaltbar. Eine ähnlich gute Variante ist den Dresdnern in dieser Saison noch nicht eingefallen. Deren harmlose Standards wirken nicht einstudiert.

Ungeschicktes Eigentor

Unglücklich wie ungeschickt war das Eigentor von Jens Grembowietz, der den Ruf von Torwart Axel Keller zu spät gehört hatte. Aber die scharfe Eingabe gab nicht zufällig Thorsten Reiß von der rechten Stuttgarter Seite. Dynamos Linksverteidiger Benjamin Girke, der sich den Einsatz in der Startelf durch seine passable Leistung gegen Paderborn verdient hatte, zeigte erhebliche Schwächen im Stellungsspiel und Zweikampfverhalten. Trotzdem sah Kaiser auch im Nachhinein keinen Grund, den 20-Jährigen auszuwechseln.

Vor einer Woche hieß es, der Gegner sei nun mal eine Klasse besser. Diesmal argumentiert der Chefcoach, dass im Fußball nicht immer die bessere Mannschaft gewinnt. Er sei trotzdem „ein bisschen entspannt“, weil die Mannschaft eine Reaktion gezeigt habe. Kämpferisch müssen sich die Gelb-Schwarzen nichts vorwerfen. Das reichte jedoch nicht, um den ersten Sieg der Kickers zu verhindern.

Am Mittwoch muss Dynamo zum Nachholspiel gegen WerderII nach Bremen, das beim Stand von 1:1 wegen Nebels abgebrochen worden war. „Das hätten wir gewonnen“, hatte Kaiser danach erklärt. Wenn die Dresdner diesen Sieg nicht nachholen, sieht es für die sportliche Zukunft des Vereins trübe aus – und Kaiser würde wohl niemand mehr abkaufen, wenn er die Krise schönredet: „Wir machen weiter, wie wir heute gespielt haben. Dann wird alles gut.“

Sächsische Zeitung

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