Zum Tode von Albert Sing

Albert Sing stirbt mit 91 Jahren

Sepp Herbergers Quartiermeister
STUTTGART/OREGLIO (hh). Er ist der Schweiz bis zum Schluss treu geblieben, jenem Land, in dem der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Sommer 1954 das Wunder von Bern, der 3:2-Sieg im Finale der Weltmeisterschaft über Ungarn gelang. Albert Sing ist damals dabei gewesen. Als Assistent des Bundestrainers Sepp Herberger suchte er das legendäre Hotel Belvedere in Spiez am Thuner See als WM-Quartier aus – und sein Leben ist auch eng mit dem VfB Stuttgart verbunden gewesen. Am Sonntagvormittag ist Albert Sing mit 91 Jahren in seinem Haus in Oreglio im Tessin nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

An seine Zeit beim VfB Stuttgart, dessen Abschneiden er bis zuletzt interessiert verfolgt hat, hatte Albert Sing gemischte Erinnerungen. „Einmal habe ich den Club gerettet“, sagte Sing zur Saison 1966/67 mit dem französischen Starstürmer Gilbert Gress, als er den Verein vor der Zweitklassigkeit bewahren konnte. „Beim zweiten Mal war es ein hoffnungsloser Fall“, bilanzierte Sing die Saison 1974/75, als er zur Winterpause als Feuerwehrmann verpflichtet wurde, aber den bisher einzigen Bundesligaabstieg der Stuttgarter nicht mehr verhinderte.

„Ich habe Herberger als Lehrmeister vergöttert“, sagte Sing, Sohn einer neunköpfigen Arbeiterfamilie aus Eislingen, über den ersten Bundestrainer. Sing spielte in den dreißiger und vierziger Jahren bei den Stuttgarter Kickers. „Eine große Karriere in der Nationalelf haben mir die Nazis kaputt gemacht“, sagte Sing, der im Krieg durch Schüsse in Bauch und Blase schwer verletzt wurde. Als Trainer der Young Boys Bern wurde Sing von 1957 bis 1960 viermal in Serie Schweizer Meister – das ist bis heute Rekord.

Stuttgarter Zeitung

Das Einfache war sein Lebensprinzip
Albert Sing mit 91 gestorben

Stuttgart – Albert Sing ist tot. Der frühere Trainer des VfB Stuttgart starb am Sonntagvormittag im Alter von 91 Jahren in seiner Schweizer Wahlheimat in Origlio.

Der gebürtige Eislinger spielte in den 40er Jahren neunmal für Deutschland – und für die Stuttgarter Kickers. Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte er in die Schweiz. Als Assistent von Trainer Sepp Herberger suchte er für die WM 1954 das Quartier am Thuner See aus. Dort entstand der legendäre Geist von Spiez.

Seine Trainerkarriere hatte Sing bereits 1948 in Schwäbisch Gmünd begonnen. Den VfB rettete er 1967 vor dem Abstieg aus der Bundesliga. In seiner zweiten Amtszeit bei den Roten (1974/75) war er weniger erfolgreich. Sing galt dennoch als Persönlichkeit. Weil er ein strenges Regiment führte – wie der langhaarige VfB-Profi Gilbert Gress erfahren musste. Der Franzose wurde von Sing zum Friseur abkommandiert. Zudem standen bei Sing Volkslieder hoch im Kurs. Um den Teamgeist zu fördern, mussten die Spieler singen. Sing faszinierte durch seine eigenwillige und gelassene Art. Als ihm der Rauswurf drohte und ein Reporter besorgt nach seiner Zukunft fragte, antwortete er: „Na geh i halt uff d“Fildre Krombiere gruble.“ Restkartoffeln aufsammeln – das Einfache zur Hauptsache machen – als Lebensprinzip. Das hat sich Albert Sing bis zuletzt bewahrt. Martin Haar

Stuttgarter Nachrichten

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