Manche Menschen sagen mir nach, ich ginge zum Lachen in den Keller. Na und? Was soll an meiner Weigerung verwerflich sein, bei Tageslicht zu lachen? Zurzeit wird so viel gelacht, dass es nicht mehr auszuhalten ist.
Die Leuten sitzen in Vorstellungen aller Art und warten erregt wie Max Mosley, bis es endlich was zu lachen gibt. Wenn es mal nichts zu lachen gibt, sind sie beleidigt und lachen trotzdem, damit keiner sieht, dass sie beleidigt sind. Die Lachkrankheit, eine Folge der Comedy-Epidemie, ist so schlimm, dass sich kein Veranstalter mehr traut, seinem Publikum etwas zu bieten, über das es nicht lachen kann. Schwachmatenspaß ist Pflicht.
Das Publikum kommt mit einer krankhaften Lacherwartung und konzentriert sich während der Vorstellung so sehr aufs Lachen, dass ein Teil des Publikums auch lacht, wenn es nichts zu lachen gibt. Das Publikum lacht, weil es Angst hat, einen Lacher zu verpassen. Lachen ist ein Zeitgeistwahn. Mehr verbreitet als Demenz. Es gibt die neue Lachzwangsneurose.
Einst hat ein Radfahrer seinem Kollegen Jan Ullrich auf der Piste geraten: „Quäl dich, du Sau.“ Heute sagt mein Nebensitzer im Theater: „Lach doch, du Sau.“ Lachen ist die übelste Runterziehdroge, schlimmer als warmes Malzbier.
Obwohl heute sowieso schon bei jeder unpassenden Gelegenheit gelacht wird, gibt es immer noch den Lachnationalfeiertag. Das ist der 1. April, die humorloseste Veranstaltung seit Menschengedenken. Für den 1. April brüten die Lachzwangsneurotiker einen Aprilscherz aus, und dann lachen sie, hahaha. Sie lachen zwar auch am 29., am 30. und am 31. März, hahaha, aber am 1. April lachen sie noch dämlicher. Am 1. April 2008 stand auf einer aushäusig gesteuerten Internetseite meiner Zeitung, der VfB werde seinen Stürmer Radu an die zwei Klassen tiefer spielenden Stuttgarter Kickers ausleihen, um die Kickers vor dem Untergang zu retten. Damit eines klar ist: Die Kickers sind zurzeit im Keller. Aber nicht zum Lachen. Der Verfasser des Aprilscherzes ging zum Lachen leider nicht in den Keller. Sonst hätte ich ihn erwischt.
Es ist Zeit für einen Feldzug gegen das Lachen. Man lacht nicht über die Stuttgarter Kickers, solange ich mit der Linie 7 zum Gazistadion auf die Waldau fahre. Das ist nicht lustig. Ich lache nicht, ihr gottverdammten Lachzwangsneurotiker, wenn sich eure Oma den Oberschenkelhals bricht. Ich lache nicht, wenn meine Stadtbahn den nächstbesten VfB-Dackel überfährt. Und ich lache nicht, wenn euch Gott der Gerechte eines Tages den roten Hahn aufs Mercedes-Benz-Dach setzt. Untersteht euch also zu lachen, wenn die Kickers in Schwierigkeiten sind.
Sollte jemand dennoch Probleme haben, seine Lachplatte abzustellen, rate ich ihm, schleunigst einen guten Arzt aufzusuchen: „Als zwanghaftes Lachen oder als Lachkrampf“, heißt es in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, „kann das Lachen im Zusammenhang mit psychischen Störungen oder nervösen Erkrankungen stehen.“ Besonders trifft dies auf Lachzwangsneurotiker zu, die über die Stuttgarter Kickers lachen.
Sollte mir ein Lachzwangsneurotiker nach seiner nicht zu erwartenden Genesung beim Lachen über das Thema Radu/ Kickers im Keller begegnen, werde ich mit alttestamentarischer Würde reagieren: Ich kette ihn an die nackte Wand, hole einen Eimer Mörtel und greife mir einen Sack adäquater Hohlblocksteine: Radu mal, werde ich sagen, was ich gleich mit dir machen werde, hahaha. Ich sehe schon, wir Kreisligakomiker verstehen uns.
Joe Bauer liest heute (21 Uhr) im Club Erdgeschoss, Theodor-Heuss-Straße 4. Gäste: Eric Gauthier, Michael Gaedt, Dacia.
Stuttgarter Nachrichten