Vorerst keine Entscheidung über Stadionverkauf
Debatte im Gemeinderat wird verschoben – Verhandlungen zwischen Stadt und VfB ziehen sich hin – Probleme mit Zuschüssen
In den Gemeinderäten von Stuttgart und Karlsruhe sollte heute eigentlich über die Umbauten von Daimler- und Wildparkstadion diskutiert werden. Doch in beiden Rathäusern herrscht Funkstille. Der VfB teilt mit, er habe seine Hausaufgaben gemacht.
Von Jörg Nauke
Die ob des zweiten Tabellenplatzes völlig euphorisierten Karlsruher Kommunalpolitiker stehen mit breiter Mehrheit hinter der Modernisierung ihres Wildparkstadions. 30 Millionen Euro blättern sie auf den Tisch, 18 Millionen soll sich eine städtische Tochter bei der Bank leihen, zehn Millionen hat das Land zugesagt. Und dennoch hat man die Stadiondebatte in der heutigen Gemeinderatssitzung abgesagt. Stadt und Verein hätten sich noch nicht über die Höhe der jährlichen Betriebskosten geeinigt, sagt Manfred Lädtke vom Presseamt. Bisher waren 1,7 Millionen Euro im Gespräch, mittlerweile sei man auch nicht mehr sicher, ob eine gemeinsame Betreibergesellschaft gegründet werden soll.
Auch in Stuttgart, der Stadt des Deutschen Meisters, sollte in dieser Woche das Stadionprojekt konkretisiert werden. Der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hatte schon vor Wochen für heute eine Vorlage angekündigt, in der den Stadträten die finanziellen Eckdaten des geplanten Verkaufs des Daimlerstadions an den VfB Stuttgart präsentiert werden sollten. Wie berichtet, soll die städtische Immobilie für rund 55 Millionen Euro verkauft werden, der geplante Umbau in ein reines Fußballstadion würde den VfB rund 65 Millionen Euro kosten. Beim Verkauf wäre ein städtischer Rabatt von 17 Millionen Euro berücksichtigt, die Verkaufssumme könnte sich um 15 Millionen reduzieren, falls das Land auf eine Rückzahlung von gewährten Bauzuschüssen verzichten würde.
Ob dies überhaupt zulässig wäre, prüft derzeit das Kultusministerium. Aber selbst für den positiven Fall gäbe es noch eine Hürde. In der CDU-Landtagsfraktion gibt es Stimmen, die sich gegen eine derartige Begünstigung aussprechen. Finanzbürgermeister Föll, selbst Mitglied der Fraktion, meint dazu: „Es gibt noch keine abschließende Bewertung, die Fraktion will das Ergebnis der Prüfung abwarten.“ Er habe Vertrauen in die Urteilskraft der Kollegen, die die Unterstützung der Stadionausbauten in Mannheim und Karlsruhe beschlossen hätten.
Beim Land wartet man auf ein Signal aus dem Rathaus. Dort fragt man sich allerdings, warum Bürgermeister Föll keine Fakten liefern kann. „Präzision geht in diesem Fall vor Schnelligkeit“, meint der Finanzbürgermeister. Er glaube nach wie vor, noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für einen Grundsatzbeschluss liefern zu können. Oliver Schraft, Pressesprecher des VfB Stuttgart, sagt: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Meines Wissens ist man sich weitgehend einig.“ Beide Seiten betonen, dass die sportliche Krise des VfB keinen Einfluss auf die Vertragsverhandlungen habe. „Der Tabellenstand ist lediglich eine Momentaufnahme. Ich bin mir sicher, dass der VfB während der 40-jährigen Vertragslaufzeit noch einige Male Meister wird und auch Situationen erleben wird, in denen es nicht so gut läuft“, betonte Föll. Der VfB hat ohnehin stets betont, ein Fußballstadion sei vor allem in schlechteren Zeiten interessant. Wenn es auf dem Platz nicht so gut laufe, steige mit der Attraktivität der Immobilie die Chance, das Haus dennoch voll zu bekommen.
Dass noch keine Einigung gefunden wurde, soll mit der komplizierten Gesetzeslage zusammenhängen. Bürgermeister Föll hat bestätigt, dass geprüft werde, ob man dem VfB beim Verkauf überhaupt einen Rabatt einräumen dürfe – die Europäische Union regelt den Begriff der Beihilfe genau, und die Wettbewerbskommission wacht darüber, dass Unternehmen nur Unterstützung erfahren, die auch den Regeln entsprechen.
Die Stadt hat gestern noch einmal klargestellt, dass weiterhin die Maßgabe von OB Wolfgang Schuster (CDU) Bestand hat. Voraussetzung für einen Umbau sei der Erwerb des Stadions durch den VfB. Mit anderen Lösungen wie einer gemeinsamen Gesellschaft, an der sich der Bundesligist mit einem Millionenbetrag beteiligen würde, beschäftige man sich nicht, sagte der Pressesprecher der Stadt, Stephan Schorn. VfB-Sprecher Schraft betonte, dass sich an den Kaufabsichten nichts geändert habe. Dass womöglich doch nicht der Verein, sondern die Stadt den Umbau stemmen soll, weil die Kosten-Nutzung-Rechnung für den Verein schlechter als gedacht sei, wie es im Rathaus heißt, käme für die Fraktionschefs von SPD und CDU, Manfred Kanzleiter und Reinhold Uhl, nicht in Frage. Uhl verweist darauf, dass die Stadt nun auch noch das Degerlocher Stadion für die VfB-Amateure und die Kickers ausbauen müsse (die Rede ist von zehn Millionen Euro) und dass auch andere Vereine Wünsche hätten. Grünen-Chef Werner Wölfle hielt eine gemeinsame Gesellschaft von VfB und Stadt „für keine gute Lösung“.
Stuttgarter Zeitung
Das Geschäft stockt
Unpräzise
Von Jörg Nauke
Präzision geht vor Schnelligkeit – das weiß keiner besser als der Finanzbürgermeister Michael Föll, der zwar nie Flanken auf den Kopf eines Mittelstürmers zirkelte, aber in jungen Jahren auf dem Eis exakte Pirouetten drehte. Jetzt bemüht er diese Formulierung, um zu erklären, dass die überfällige Debatte im Rathaus über den Verkauf des Daimlerstadions und den Umbau in eine reine Fußballarena durch den Käufer VfB Stuttgart erst einmal verschoben werden muss.
Dabei bleibt er aber reichlich unpräzise. Von Schnelligkeit im Einigungsprozess kann man ohnehin schon lange nicht mehr reden. Und eine präzise Vorgehensweise im Umgang mit Steuergeldern versteht sich von selbst. Weil es der Kämmerer Föll selbst war, der die Erwartung geweckt hatte, vor Beginn der Etatberatungen die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem deutschen Meister präsentieren zu können, muss er sich jetzt nicht wundern, wenn im Rathaus munter über die Motive für die Verzögerung spekuliert wird. Könnte die schlechte sportliche Lage des VfB ein Grund sein? Stellt man sich auf dem Wasen womöglich die Frage, ob man lieber in Beine als in Steine investieren sollte, oder erweist sich die Suche nach Bürgen als schwerer als gedacht? Fakt ist nur, dass die Stadtverwaltung ein Problem mit dem 17-Millionen-Euro-Geschenk an den Club hat, weil das die EU-Wettbewerbskommission auf den Plan rufen würde.
Im Gemeinderat gibt es eine große Sympathie für die Pläne des Titelträgers, weil man dort der Auffassung ist, dass VfB und Stadt finanziell besser fahren, wenn der Verein die Schüssel zum Viereck umbaut und selbst vermarktet. Allerdings haben die Kommunalpolitiker ihre Meinung aus dem Bauch heraus gebildet, ohne über konkretes Zahlenmaterial zu verfügen. Darauf sind sie nach der Verzögerung noch mehr gespannt als vorher. Und auch die Einführung der dritten Bundesliga spielt jetzt in die Debatte hinein. Die Stadt muss für die Amateure des VfB (und vielleicht für die Kickers) das Stadion auf der Waldau herrichten. Dafür braucht sie zehn Millionen Euro. Für weitere Geschenke dürfte kein Spielraum mehr vorhanden sein.
Stuttgarter Zeitung