Presse am Montag nach der Heimniederlage gegen Sandhausen

16-Stunden-Tag bei den Kickers

Das Vereins-Präsidium hält an Trainer Zeidler fest, der in dieser Woche die Zügel anziehen will

STUTTGART. Nach der 1:2-Niederlage gegen Sandhausen in der Fußball-Regionalliga hat der Kickers-Manager Joachim Cast gesagt: „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Also ist morgen um 6 Uhr Trainingsbeginn. Ob“s hilft? Eine Ursachenforschung.

Von Joachim Klumpp

Zuckerbrot und Peitsche: Bisher hat unter dem neuen Kickers-Trainer Peter Zeidler am Dienstag immer ein gemeinsames Frühstück der Mannschaft auf dem Programm gestanden. Es gehörte zu den sogenannten teambildenden Maßnahmen, genau wie ein Besuch an der Kletterwand oder ähnliche Aktionen. Doch nachdem die alle nicht so richtig gefruchtet haben, zieht Zeidler, dem viele einen zu weichen Ton nachsagen, härtere Saiten auf. „Wenn schon keiner in der Mannschaft ist, der das Feuer schürt, dann tue ich es.“

Früh- und Spätschicht: Zeidler bittet morgen zum Rapport. Trainingsbeginn ist um sechs Uhr. Nachdem um 17.45 Uhr noch ein Freundschaftsspiel in Eltingen auf dem Programm steht, kommt die Mannschaft so auf einen 15- bis 16-Stunden-Tag. Die Frage bleibt allerdings, warum am Sonntag und Montag gleich zwei Tage frei waren. Das passt nicht ins Bild, auch wenn der Präsident Dirk Eichelbaum nochmals betonte: „Zeidler hat sein Konzept, von dem wir überzeugt sind. Es gibt keine Trainerdiskussion.“

Häuptlinge und Indianer: Gegen Sandhausen wurde – nicht zum ersten Mal – deutlich, dass den Kickers eine Führungspersönlichkeit im Mittelfeld fehlt. Marcus Mann ist sie nicht, kann sie vielleicht auch nicht sein, nachdem er zuletzt in Darmstadt überwiegend defensiv eingesetzt wurde. Das System sah bisher vor, Mustafa Parmak und Bashiru Gambo von den Flügel aus agieren zu lassen, doch zumindest wäre es einen Versuch wert, den eifrigen Parmak als Spielmacher zu probieren.

Rotes Tuch bei den Blauen: Manchen Spielern ist die Verunsicherung förmlich anzumerken, wenngleich sich das Publikum gegen Sandhausen erstaunlich loyal verhalten hat. Doch ein Sascha Benda ist schon länger ein rotes Tuch, seit Freitag reiht sich nahtlos auch Nico Beigang ein, der nur durch seine technischen Mängel so sehr auffiel, dass sich nicht wenige Besucher auf der Tribüne erstaunt fragten: Wie konnte der in Darmstadt zwölf Tore erzielen?

Quantität statt Qualität: „Wir haben den besten Kader der letzten drei Jahre“, sagt der Schatzmeister Friedrich Kummer. Damit hat er recht, zumindest was die Breite angeht. Hieß es in der Vergangenheit eher klein, aber fein, entschieden sich die Verantwortlichen bewusst, in dieser wegweisenden Saison auf 23 Mann aufzustocken. Inzwischen bleiben Zweifel, ob diese Strategie aufgeht. Denn vor lauter Breite fehlt die Tiefe, auf die es in den entscheidenden Situationen ankommt. Das Gegenargument des Trainers: „Einen Leitl von Darmstadt oder Christ von Aalen konnten wir uns nicht leisten.“ Dass der vermeintliche Leistungsträger Markus Ortlieb inzwischen rechts in der Vierekette eher Mitläufer ist, macht die Sache nicht einfacher.

Anspruch und Wirklichkeit: Der Manager oder auch Walter Kelsch betont inzwischen bei jeder Gelegenheit: „In dieser Saison zählt nur die Qualifikation für die dritte Liga.“ Also Platz zehn. Das stimmt unterm Strich zwar, allerdings hat der Präsident Dirk Eichelbaum nicht umsonst schon mal angemahnt, dass man die Zuschauer ja nicht komplett vergraulen dürfe. Der Verein kalkuliert mit 3000, die Marke wurde am Freitag erstmals unterschritten. Und mit solchen Auftritten sicher nicht das letzte Mal. Schließlich wurde zu Saisonbeginn auch Offensive und spielerische Akzente gepredigt. Selbst Zeidler gibt zu: „Das muss unser Anspruch sein.“

Heim- und Auswärtsbilanz: Die Bilanz ist spiegelverkehrt. Auswärts drei Siege, ein Unentschieden; zu Hause ein Unentschieden, drei Niederlagen. „Das passt noch“, sagt Zeidler. Wobei die Betonung auf noch liegt, denn die elf Punkte reichen seit gestern nur zu Platz elf. Und Vorsicht: sollte nächsten Samstag beim Schlusslicht Oggersheim verloren werden, klingeln am Tag darauf nicht nur die Wecker – dann schrillen die Alarmglocken.

Stuttgarter Zeitung

Kickers: Straftraining – um 6 Uhr

Trainer Zeidler greift nach 1:2-Heimniederlage gegen Sandhausen durch

Stuttgart – Vier Heimspiele, ein Punkt – der Unmut der Fans über die Leistungen der Stuttgarter Kickers unterm Fernsehturm wächst. Trainer Peter Zeidler hat gefährliche Tendenzen im Team erkannt und greift nun durch.

VON JÜRGEN KEMMNER

Noch ist nichts passiert. Noch steht der Fußball-Regionalligist unter den ersten zehn. Das Saisonziel, die Qualifikation für die dritte Liga, ist noch nicht gefährdet. Das waren die meistbemühten Worte bei den Blauen nach der 1:2-Heimniederlage gegen den SV Sandhausen am Freitag. Trainer Zeidler betonte allerdings auch: „Wir werden deshalb nichts schönreden.“

Diese Worte, die hartes Durchgreifen suggerieren, werden von den Urhebern manchmal schnell vergessen. Zeidler aber zieht die Zügel deutlich straffer an – jeder Profi soll erkennen: So geht es nicht weiter. Erste Maßnahme: Für Dienstag wurde ein (Straf-)Training mit Waldlauf angesetzt. Beginn: 6 Uhr. „Da haben einige kräftig geschluckt, als ich das bekanntgab“, sagt Zeidler. Es wird ein langer Tag – um 17.45 Uhr steht noch ein Freundschaftsspiel gegen Kreisligist Eltingen an. „Ich gehe nicht sofort zur Tagesordnung über“, verspricht der 45-Jährige. Zeidler muss gehörig wirbeln – bei den Blauen gibt es viele offene Baustellen.

Mangelndes Selbstvertrauen: Nach dem 0:1 gegen Sandhausen sei „die Mannschaft verunsichert gewesen“ (Zeidler) – dabei waren die Kickers nach Rot für Alberto Mendez (27.) ein Mann mehr. „Selbstvertrauen kann man nicht verordnen“, sagt der Coach, der durch kleine Erfolgserlebnisse im Training seine Spieler mental stärken will.

Selbstzufriedenheit: Zeidler hat sich einige Spieler zur Brust genommen und anscheinend deutliche Worte gewählt. „Es haben noch nicht alle begriffen, wie hoch die Anforderungen bei den Kickers sind“, sagt er – und weist auf ein Sorgenkind hin: „Sascha Benda ist in einer entscheidenden Phase der Karriere angekommen – er muss nun zeigen, ob er will oder nicht.“

Kreativität: Mustafa Parmak war der Einzige, der für ein wenig Spielwitz und zündende Ideen verantwortlich war. Meist rannten die Kickers kopflos an. Einen Ronaldinho kann Zeidler nicht aus der Mütze zaubern, deshalb muss die kämpferische Komponente gestärkt werden. Der Ansatz ist nicht neu – die Blauen sollen über den Kampf ins Spiel finden. „Dazu muss die Struktur im Team stimmen“, sagt Zeidler. Und damit sind wir wieder bei Punkt zwei.

Die Vorbereitung und der Saisonstart haben manche auf der Waldau zum Träumen verführt – doch der Kader der Blauen besitzt derzeit nicht die Qualität, um oben mitzumischen. Deshalb betonen die Verantwortlichen auch stets: „Solange wir unter den ersten zehn sind, ist alles in Ordnung.“

Stuttgarter Nachrichten

Keine Krise?

Stuttgarter Kickers wehren sich auch nach der dritten Heimniederlage vehement gegen aufkommende Zweifel

Von Beate Wockenfuß

Stuttgart – Es waren bezeichnende Bilder am Freitagabend im Gazi-Stadion. Als Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers die dritte Heimniederlage in dieser Saison drohte, brach neben der Auswechselbank das Gefühlschaos aus. Trainer Peter Zeidler, den es ohnehin nicht auf seinem Sitz hielt, hob immer wieder hilflos die Arme, um sie anschließend machtlos hinter dem Kopf zu verschränken. Danach ging der 45-Jährige ratlos ein Stück in die Knie und richtete sich blitzschnell wieder auf. Und die Choreografie begann von vorn. Sie begleitete die verzweifelten Versuche seiner Spieler, den Rückstand gegen den SV Sandhausen wett zu machen. Doch die 1:2-Niederlage gegen den Aufsteiger war nicht mehr abzuwenden.

Anschließend hatte sich der Coach sofort wieder gefühlsmäßig runtergefahren – auf Null. Er saß gefasst in der Pressekonferenz, mit intensivem Blickkontakt zu seinem Wasserglas, das er stoisch zwischen den Händen drehte. Ruhig analysierte er das Spiel, benannte die eigenen Tor-Chancen während der „klaren Überlegenheit“ am Anfang und nach Wiederanpfiff und den „krassen Schnitzer“, der zum Rückstand führte. Und dann verblüffte Zeidler die Anwesenden mit seinem Fazit nach einem Remis und drei Pleiten im eigenen Stadion: „Wir sind auf einem guten Weg.“

Anders als eine Durchhalteparole an die Spieler, die Fans und das gesamte Umfeld ist diese Aussage wohl nicht zu werten. Die Zuschauer scheinen die Geduld so langsam aber sicher zu verlieren. Diejenigen, die nach 90 Minuten noch im Stadion waren, suchten am Zaun das Gespräch mit den Akteuren, die nach dem Abpfiff maßlos enttäuscht auf dem Spielfeld gehockt und einiges zu verdauen hatten: Blitzstart mit klarer Chance für Mustafa Parmak, ab der 28. Minute Überzahl nach der Roten Karte für Alberto Mendez (Tätlichkeit gegen Mustafa Akcay), Doppelschlag zum 0:2-Rückstand. „Das 0:2 hat uns das Genick gebrochen“, haderte Präsidiumsmitglied Walter Kelsch mit dem Spielverlauf. „Es war brutal schwierig, gegen diese Betonmauer aus zehn Mann anzurennen“, stellte er sich schützend vor die Spieler und nahm Kritikern gleich den Wind aus den Segeln: „Wir sind in keiner Krise“. Das behauptete unisono natürlich auch Manager Joachim Cast: „Das Wort nehme ich nicht in den Mund.“ Er betonte, weiterhin von der Mannschaft und deren Qualität überzeugt zu sein und verfolgt hartnäckig die Devise, die bereits vor der Saison auffällig oft ausgegeben wurde: „Ruhe bewahren, auch wenn es mal nicht so gut läuft.“

Ausgeglichene Bilanz

Zeidler zufolge aber läuft es noch. „So lange wir auswärts punkten, passt es“, erklärte er mit Blick auf die zehn Zähler, die in dieser Saison auf fremden Plätzen geholt wurden. Zweckoptimismus? Schließlich ist die dritte Liga weiter im Visier. „Klar ist diese negative Heimserie enttäuschend, aber mit unseren Auswärtsspielen gleichen wir die Bilanz wieder aus“, führte er fort und setzte sogar noch einen drauf: „Ich kenne keine Regelung, dass es für Heimsiege mehr Punkte gibt.“

Ein sichtlich ratloser Trainer, verunsicherte Spieler – aber ein loyales Präsidium. „Im Moment steht niemand zur Disposition“, nahm Kelsch die Frage zu personellen Konsequenzen vorweg. „Ich stehe zum Trainer“, betonte er und nahm die Spieler in die Pflicht: „Die Mannschaft entscheidet auf dem Platz.“

Eßlinger Zeitung

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