Presse am Tag Eins nach dem Kullen-Rücktritt

Eichelbaum findet geordnete Finanzen vor
 
Der bisherige Kickers-Präsident Kullen verabschiedet sich mit schwarzen Zahlen – Aufsichtsrat plant eine Etaterhöhung
 
STUTTGART. Die Wachablösung bei den Stuttgarter Kickers ist gestern wie erwartet vollzogen worden. „Ich verlasse den Verein erhobenen Hauptes“, sagte der scheidende Präsident Hans Kullen, nachdem er nochmals die wirtschaftlichen Zahlen vorgelegt hatte.

Von Joachim Klumpp

Den Tag seines Abschieds in Degerloch hat Hans Kullen mit einem Mittagessen in einem schwäbischen Spezialitätenlokal in Degerloch eingeläutet. Wobei das nicht als Henkersmahlzeit ausgelegt werden sollte. Denn einige Stunden später verließ er das Vereinsgelände der Stuttgarter Kickers am Königsträßle erleichtert und „erhobenen Hauptes“, wie der 65-Jährige betonte.

Zuvor hat er dem versammelten Präsidium nochmals eine Bilanz seiner Arbeit vorgelegt – gepaart mit den entsprechenden Zahlen. Und die konnten sich durchaus sehen lassen. Denn trotz der zweimonatigen Winterpause ohne Spielbetrieb weisen die Kickers folgendes Guthaben auf: 368 000 Euro auf Festgeld- und Girokonto, dazu kommen bis zum Saisonende noch anteilig 70 000 Euro aus der Okpala-Ablöse vom Ligakonkurrenten Sportfreunde Siegen, knappe 60 000 Euro Nachschlag für den Mesic-Transfer (falls die TSG Hoffenheim erwartungsgemäß aufsteigen sollte) sowie die jährliche Überweisung von 100 000 Euro der Stadt Stuttgart für die Namensrechte am Gazistadion. Alles in allem ergibt das eine Liquidität von 600 000 Euro, die natürlich in den laufenden Spielbetrieb einfließt. Dennoch sagt Kullen: „Die Bilanz in dieser Saison müsste die beste der Kickers seit Jahren sein.“

Dem widerspricht selbst der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch nicht: „Exzellent“, sagt er zu den aktuellen Zahlen. Doch beim Blick in die Zukunft wird ihm etwas bange – und er fragt: „Wer hat die Instrumente für die dritte Liga?“ Kullen hatte sie nach Ansicht des Kontrollorgans anscheinend nicht: „Da fehlte ein Konzept.“ Vor allem, um die Deckungslücke für die nächste Spielzeit zu schließen, in der der Traditionsverein mit 2,4 Millionen Euro plus einem kleinen Aufschlag kalkuliert hat. Nach Ansicht des Aufsichtsrats muss der Etat aber deutlich erhöht werden – die Rede ist von einer bis zwei Millionen Euro. Vor allem der Exprofi Walter Kelsch, der gemeinsam mit Friedrich Kummer (neuer Schatzmeister) aus dem Aufsichtsrat in das neue Präsidium gewechselt und dort für die sportlichen Belange verantwortlich ist, soll sich für diesen Kurswechsel stark gemacht haben.

Ob jetzt alles besser wird? „Sicher“, sagt Christian Mauch, der aber auch hinzufügt: „Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn das alte Präsidium weitergemacht hätte.“ Doch Kullens Mitstreiter Jürgen Köhn, Edgar Kurz und Dieter Wahl folgten dem Schritt des Kickers-Präsidenten genauso wie das bisherige Aufsichtsratsmitglied Klaus Lang, weil sie mit der Vorgehensweise und dem Umgang innerhalb der Gremien nicht einverstanden waren. „Es ist schon schade, was hier abgelaufen ist“, sagt Köhn, „da fühlt man sich in der Tat etwas deplatziert.“ Jedenfalls habe es vom Kickers-Aufsichtsrat niemand für nötig empfunden, ihm von der veränderten Konstellation etwas mitzuteilen.

„Das wird heftig“, sagt ein früheres Aufsichtsratsmitglied zu der anstehenden kompletten Umstrukturierung des Präsidiums, das sich in den nächsten Wochen darum bemühen muss, nicht nur die vielschichtigen Strömungen innerhalb des Vereins unter einen Hut zu bringen, sondern auch einen Mann fürs Marketing zu finden. Dirk Eichelbaum wirft dabei sicher mehr diplomatisches Geschick in die Waagschale als sein Vorgänger – in der Sache allerdings kann der Insolvenzspezialist noch härter sein als Kullen, das hat er bei den Vertragsauflösungen der Spieler Akwuegbu oder Okpala bewiesen.

Der 42-jährige Jurist sagte vor der für gestern Abend anberaumten Sitzung von Präsidium und Aufsichtsrat: „Ich will hier keine Schlammschlacht.“ Stattdessen will er versuchen möglicherweise sogar eine Verbundenheit Kullens zu den Kickers zu erhalten. Auch wenn Eichelbaum weiß: „Das wird schwer.“ Am nächsten Samstag jedenfalls beim Punktspiel der Kickers in Darmstadt dürfte der Expräsident nicht im Stadion sein. „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, sagte Kullen gestern. Dabei hatte so manches Kickers-Mitglied noch gezweifelt, ob Kullen seine Ankündigung zum Rücktritt überhaupt wahr macht. Doch diese Sorge war letztlich unbegründet. Und auch um sein Darlehen von knapp 450 000 Euro macht sich der ausgeschiedene Präsident keine Gedanken: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Herren im Aufsichtsrat die Blöße geben und es nicht zurückzahlen werden.“ Dafür bleibt den Verantwortlichen zunächst einmal auch bis zum Juni nächsten Jahres Zeit.

Stuttgarter Zeitung

Die Kickers ohne Kullen
Ein Neuanfang mit Hindernissen
 
Von Joachim Klumpp
 
Zumindest was den Präsidenten anbelangt haben die Stuttgarter Kickers in der Vergangenheit Kontinuität bewiesen. In diesem Amt gab es deutlich weniger Wechsel als auf dem Trainerstuhl. Hans Kullen war nach Walter Queißner und Axel Dünnwald-Metzler erst der dritte Vereinschef in den vergangenen 40 Jahren. Allerdings saß der streitbare Versicherungskaufmann von Anfang an auf einer Art Schleudersitz. Zu den massiven finanziellen Problemen gesellten sich persönliche Vorbehalte gegen den Reutlinger, der seinen Sparkurs entgegen vielen Widerständen rigoros durchsetzte. Mit Erfolg: denn Kullen übergibt den Verein anders, als er ihn vorgefunden hat – in geordneten finanziellen Verhältnissen. Dies bestreiten selbst die Kritiker nicht. Dass er bei seiner Konsolidierung nicht immer auf die Befindlichkeiten der Betroffenen Rücksicht genommen hat, nahm der Präsident wissentlich in Kauf, getreu dem Motto: Man kann es nicht allen Recht machen.

Hans Kullen geht, wer kommt? Zunächst einmal Dirk Eichelbaum. Auch der 42-jährige Jurist wird die Erfahrung machen, dass das Zusammenspiel der Kräfte bei den Kickers nicht immer einfach ist. Zudem ist er in finanzieller Hinsicht auf die Unterstützung des Aufsichtsrats angewiesen, dessen Aktivitäten in der Vergangenheit – vorsichtig ausgedrückt – nicht entscheidend zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen haben.

Das soll sich ändern, und die Mitglieder des Kontrollorgans wissen selbst am besten, dass sie hier in der Pflicht sind. Schließlich gilt es, die Weichen für die eingleisige dritte Liga zu stellen, was durchaus eine Herausforderung darstellt – nicht nur, weil die Trainerfrage ungelöst ist. Doch wie hat der Coach Robin Dutt zuletzt gesagt: „Jeder bekommt das Umfeld, das er verdient.“ So gesehen fängt die Arbeit erst an. Denn die Kickers sind zwar den ungeliebten Präsidenten los, aber nicht automatisch alle Probleme.

Stuttgarter Zeitung

Die Kickers-Gremien
 
> Präsidium: Dirk Eichelbaum (42/Rechtsanwalt) Präsident; Walter Kelsch (51/Versicherungs- und Immobilienkaufmann sowie Exprofi); Friedrich Kummer (46/Geschäftsführer ADP Employer Service).

> Aufsichtsrat: Christian Mauch (43/Orthopäde) Vorsitzender; Christian Dinkelacker (42/selbstständig) Stellvertreter; Heinz Höfinger (63/ehemaliger Geschäftsführer TNT Post Holding), Rainer Lorz (44/Rechtsanwalt), Alexander Lehmann (37/Geschäftsführer Minol), Kai Uwe Völschow (37/Geschäftsführer Business.com).

Stuttgarter Zeitung

Eichelbaum nimmt die Rebellen in die Pflicht
 
Neuer Kickers-Präsident fordert Unterstützung: „Aufsichtsrat darf mich nicht im Regen stehen lassen“
 
Stuttgart – Die Wachablösung beim Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers ist perfekt: Dirk Eichelbaum hat gestern Hans Kullen als Präsident abgelöst. „Der Aufsichtsrat darf mich jetzt nicht im Regen stehen lassen“, fordert der neue Chef der Blauen.

VON JÜRGEN FREY

Ursprünglich wollte Hans Kullen seinen Rücktritt schon um die Nachmittagszeit offiziell verkünden. Er verspürte keine große Lust mehr, an der Präsidiums- und Aufsichtsratssitzung am Dienstagabend teilzunehmen. „Was soll ich da noch groß rumsitzen“, hatte der 65-Jährige am Montag gesagt. Seine bisherigen Präsidiumskollegen Dieter Wahl, Jürgen Köhn und Edgar Kurz baten Kullen, sich es anders zu überlegen. „Sie schlugen vor, dass wir unsere Amtszeit gemeinsam stilvoll beenden“, sagte der Versicherungskaufmann. Das taten sie dann auch – und Kullen präsentierte zum Abschied dabei eine Bilanz seiner Arbeit, garniert mit Zahlen. Mit Stand vom 23. Februar weisen die Kickers laut Kullen folgende Guthaben auf: 368 000 Euro auf Festgeld- und Girokonten, dazu kommen bis zum Saisonende noch 74 000 Euro Ablösesumme für Christian Okpala von den SF Siegen, 59 000 Euro Nachschlag für Mirnes Mesic (bei einem Aufstieg der TSG Hoffenheim) sowie die jährliche Überweisung von 100 000 Euro der Stadt für die Namensrechte am Gazistadion. Alles in allem ergibt das eine Liquidität von 601 000 Euro, die natürlich in den laufenden Spielbetrieb einfließt. Kullen: „Ich gehe erhobenen Hauptes. Von Misswirtschaft kann keine Rede sein.“

Die hat dem Mann aus Hülben auch nie jemand unterstellt. Seine Geldspritzen sind unbestritten – seine Alleingänge aber auch. Erst vor kurzem hatte er nach Informationen unserer Zeitung dem früheren Aalener Trainer Peter Zeidler (jetzt 1. FC Nürnberg II) signalisiert, bei einem Weggang von Robin Dutt dessen Nachfolger zu werden.

Nun werden der gebürtige Calwer Dirk Eichelbaum und sein neues Team die Personalfragen zu klären haben. Die Aufsichtsratsmitglieder Walter Kelsch (für die Bereiche Lizenzspieler und Jugend) und Friedrich Kummer (Finanzen) werden ins Präsidium aufrücken. Ein Marketingexperte kommt noch hinzu. Da Klaus Lang, der frühere Stuttgarter Finanzbürgermeister, als Aufsichtsratsmitglied zurücktrat, besteht das Kontrollgremium nun nur noch aus sechs Personen. Die Rebellen, die in der entscheidenden Sitzung – ohne Lang und Kai Uwe Völschow – einstimmig ihr Misstrauen gegen Kullen ausgesprochen hatten, nimmt Eichelbaum in die Pflicht. Ebenfalls seine neuen Präsidiumskollegen. „Sie alle sind jetzt gefordert“, betont Eichelbaum.

Er selbst natürlich auch. Zum Beispiel in der Trainerfrage. „Eine meiner ersten Amtshandlungen wird es sein, mit Robin Dutt zu reden.“ Unter allen Umständen wolle er versuchen, den Coach bei den Blauen zu halten. „Ich hoffe, es geht ein Ruck durch Degerloch“, sagt der 42-jährige Rechtsanwalt, der in der Jugend für die SF Gechingen am Ball war.

Auf eine Aufbruchstimmung unterm Fernsehturm hofft auch Christian Mauch. „Wir brauchen viel Kraft und Energie für die neue Saison“, betonte der Aufsichtsratsvorsitzende – und nannte noch einmal die Gründe für den Wechsel an der Spitze: „Mein Gremium ist verantwortlich für die Einhaltung des Etats. Hans Kullen hatte jedoch für die neue Saison keine Lösung parat, ihn seriös zu decken.“ Nun hofft er auf Geldgeber, die sich wegen Kullen bisher vornehm zurückhielten. An ihnen liegt es nun, Farbe für die Blauen zu bekennen.

Stuttgarter Nachrichten

Taten statt Worte
 
VON GUNTER BARNER
 
Eigentlich verwundert am Rücktritt von Hans Kullen nur eines: Dass es so lange gedauert hat. Sein Weg als Präsident bei den Stuttgarter Kickers ist gepflastert mit Namen, die seinetwegen den Rückzug antraten. Verprellt, enttäuscht und vor den Kopf gestoßen. Letzten Endes ist Hans Kullen jedoch nicht an rebellierenden Aufsichtsräten gescheitert, sondern am mangelnden Fein- und Taktgefühl für die Belange eines Vereins mit einer beachtenswerten Geschichte. Er polarisierte statt zu integrieren. Er herrschte statt zu führen. Und er ignorierte im blinden Eifer die rasant wachsende Zahl seiner Kritiker.

Kein Zweifel: Seine Geldspritzen retteten den Fußball-Regionalligisten vor der Insolvenz. Mit kaufmännischem Geschick fuhr er die laufenden Kosten drastisch herunter. Das verdient allen Respekt. Doch mit seiner sozial unverträglichen Gutsherren-Attitüde machte der Poltergeist von der Schwäbischen Alb seine Verdienste häufig wieder zunichte.

Für Wohl und Wehe des Traditionsclubs zeichnen ab sofort jene verantwortlich, die den einsamen Kutscher vom Bock stürzten. Sie müssen sich jetzt vor die Karre spannen, die zuletzt feststeckte in einem Sumpf aus Frust über die sportliche Stagnation, aus Verärgerung über die Soli des stocksturen Präsidenten und die Perspektivlosigkeit in der Entwicklung der Finanzen.

Wer auch immer die Stuttgarter Kickers in die Zukunft führen soll, er wird ein Team um sich scharen müssen, das sich mehr an Taten denn an Worten messen lässt. Denn so berechtigt die Kritik an Kullen bisweilen war, so unbestritten ist auch, dass es in Reihen der Blauen zwar viele wortgewaltige Besserwisser gibt, aber erschreckend wenige, die im Ernstfall den Geldbeutel zücken und die Ärmel hochkrempeln.

Stuttgarter Nachrichten

Stuttgart: Führungswechsel bei den Kickers vollzogen

Eichelbaum wird Präsident
Nach dem Rücktritt des bisherigen Präsidenten Hans Kullen hat der Aufsichtsrat der Stuttgarter Kickers am Dienstagabend wie erwartet den Rechtsanwalt Dirk Eichelbaum zu seinem Nachfolger gewählt. Zugleich wechseln die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Walter Kelsch (sportlicher Bereich) und Friedrich Kummer (Schatzmeister) ins Präsidium des Vereins.

„Sicherlich ist durch den Rücktritt von Herrn Kullen und der weiteren Präsidiumsmitglieder eine schwierige Situation entstanden. Wir sind aber überzeugt, diese mit der neuen Mannschaft und mit vereinten Kräften meistern zu können“, sagte Eichelbaum.

Kullen hatte seinen Rücktritt nach einem Zerwürfnis mit dem Aufsichtsrat der „Blauen“ während eines Treffens am vergangenen Samstag erklärt. Gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ sagte Kullen, er verlasse den Verein „erhobenen Hauptes“ und verwies auf passable Finanzen: „Die Bilanz in dieser Saison müsste die beste der Kickers seit Jahren sein.“ Die Liquidität belaufe sich auf 600.000 Euro.

An den Zahlen des Regionalligisten wollte auch der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch nicht rütteln. Allerdings fehle Kullen ein Konzept für die Zukunft. Nach Meinung des Aufsichtsrates müsse der Etat für die kommende Saison deutlich erhöht werden.

Mit Kullen, der selber einen sechsstelligen Betrag in den Verein gesteckt hat, erklärten auch die Präsidiumsmitglieder Dieter Wahl, Edgar Kurz und Jürgen Köhn ihren Rücktritt, gleiches gilt für das Aufsichtsratsmitglied Klaus Lang.

Der neue Präsident Eichelbaum will nun als erstes mit Trainer Robin Dutt reden, um ihn auf jeden Fall bei den Kickers zu halten.

Kicker

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