Presse am Montag: Präsident Kullen will zurücktreten

Hans Kullen gibt den Kampf auf
 
Während die Zukunft des Kickers-Trainers Robin Dutt offen ist, will der Präsident zurücktreten
 
STUTTGART. Für die Stuttgarter Kickers steht eine Woche der Wahrheit bevor. Morgen will der Präsident Hans Kullen seinen Rücktritt bekannt geben. „Die Anzeichen deuten darauf hin“, sagt ein Insider nach dem 1:1 gegen Ingolstadt.

Von Joachim Klumpp

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen manchmal 90 Minuten. Die Stuttgarter Kickers hätten ihren 2380 Fans in der Fußball-Regionalliga gegen Ingolstadt gerne eine spielerische Gala geboten, doch der Trainer Robin Dutt gab angesichts von Windstärke acht zu: „Bei diesen äußeren Bedingungen wollten wir nur das passende Ergebnis.“ Dass das mit dem 1:1 verpasst wurde, war nicht der Grund für seinen Unmut, sondern das Umfeld des Klubs. „Es geht darum, das Team nicht nur zu unterstützen, wenn es den HSV schlägt.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Kritiker, von denen es ja nicht wenige gibt.

Doch die dürften wohl schon morgen aufatmen. Dann will der Präsident Hans Kullen bei der gemeinsamen Sitzung mit dem Aufsichtsrat seinen Rücktritt bekannt geben. Was vor allem vom Zeitpunkt her überraschend kommt. Offensichtlich ist der Versicherungskaufmann nicht mehr gewillt, die finanziellen Löcher im Verein zu stopfen – und dafür auch noch wenig Dank zu erhalten. „Ewig in der dritten Liga herumzuspielen ist nicht meine Sache“, hat er dieser Tage nochmals betont, nachdem er zuvor nicht zum ersten Mal, an die Kollegen in Präsidium und Aufsichtsrat appelliert hatte, sich stärker für den Verein zu engagieren. Offensichtlich ohne den gewünschten Erfolg.

Im Gegenteil. Aus dem Aufsichtsrat, der Kullen erst bei der Hauptversammlung im November für eine weitere Amtsperiode empfohlen hat, gibt es nun vermehrt Strömungen, die Kullen zur unerwünschten Person erklären. „Es gibt Leute, die ihn wissen lassen, dass er nicht mehr der richtige Mann ist“, sagt ein Insider, „da wäre es kein Wunder, wenn er die Brocken hinwirft.“

Erschwerend kommt hinzu, dass die Mannschaft in den beiden ersten Spielen nach der Winterpause praktisch schon die minimale Chance auf den Aufstieg verspielt hat. Am Samstag hätte der Abstand zum zweiten Platz mit einem Sieg um zwei Punkte verringert werden können, doch das wäre wohl nur Augenwischerei gewesen, so verständlich die Sehnsucht nach der zweiten Liga auch ist. Die Realität sieht anders aus: Da geht es um einen Platz unter den ersten sechs, „was kein Selbstläufer wird“, so Dutt – bei nur zwei Punkten Abstand auf Rang acht.

Der Trainer selbst wusste gestern offiziell noch nichts von der sich anbahnenden Wende im Führungsgremium, „deshalb möchte ich zu solchen Spekulationen auch keine Stellung abgeben. Das ist für mich an den Haaren herbeigezogen.“ Dabei hatte Dutt noch am Samstag provokativ erklärt: „Es werden Zeiten kommen, da wären die Kickers froh über unsere jetzige Platzierung. Aber in diesem Verein suchen die Leute immer ein Opfer.“ Und das ist in diesem Fall der Präsident, obwohl der in seinen nun mehr als drei Jahren Amtszeit den Klub endlich wieder in die schwarzen Zahlen geführt hat. Doch das wird gerne vergessen.

Noch am vergangenen Dienstag hat Kullen dem Trainer ein verbessertes Angebot unterbreitet, das bis an die Schmerzgrenze des Klubs geht. Und Dutt, der am Samstag phasenweise so klang, als ob sich einer den Frust von der Seele redet, der nichts mehr zu verlieren hat, betonte: „Ich befinde mich nicht auf einer Abschiedstournee.“ Im Gegenteil. „Alles ist offen.“ Die Situation habe für die Kickers eher verbessert. „Und sicher ist auch, dass ich zu keinem anderen Regionalligisten wechseln werde.“ Davon war primär nie die Rede, sondern von der zweiten Liga.

Allerdings nicht mit den Kickers. „Wir steigen nicht auf – wenn alles normal läuft“, sagt Dutt. Nächste Saison geht es um die Qualifikation für die eingleisige dritte Liga. „Ein Kraftakt“, betont der Manager Joachim Cast. „Das versuche ich immer wieder klar zu machen.“ Offensichtlich bisher nicht mit dem gewünschten Erfolg. „Das gibt ein Hauen und Stechen.“ Und noch klafft im Etatansatz für die nächste Saison ein großes Loch, zum Beispiel, weil das Thema Trikotpartner nicht geklärt ist. Die Beziehung des Hauptsponsors Eduardo Garcia zu Kullen gilt als gestört.

Bei Kullens Rücktritt wären zunächst keine Neuwahlen fällig, sofern der Aufsichtsrat einen Nachfolger bestellt. Als Kandidat gilt der Schatzmeister Dirk Eichelbaum.

Stuttgarter Kickers: Yelldell – Steinle, Yildiz, Härter, Stierle – Benda, Hartmann, Gambo (77. Kanitz), Weller (63. Rodrigues) – Vaccaro, Dundee (60. Bischoff).

Tore: 1:0 Benda (6.), 1:1 Tölcseres (83.).

Stuttgarter Zeitung

Kickers-Chef Kullen vor dem Rücktritt
 
Im Aufsichtsrat des Fußball-Regionalligisten verstärkt sich der Widerstand gegen den Präsidenten
 
Stuttgart – Schwere Führungskrise bei den Stuttgarter Kickers: Vieles deutet darauf hin, dass Präsident Hans Kullen am morgigen Dienstag seinen Rücktritt erklären wird, nachdem ihm der Aufsichtsrat das Vertrauen entzogen hat.

VON JÜRGEN FREY

Es lag nicht nur am mageren 1:1 der Blauen in der Fußball-Regionalliga gegen den FC Ingolstadt: Die Mienen der Männer aus Präsidium und Aufsichtsrat wirkten am Samstag reichlich düster. Schon vor der Partie tagten die letzten Instanzen der blauen Familie. Nach Informationen unserer Zeitung hat der Aufsichtsrat in dieser Sitzung dem Präsidenten unmissverständlich erklärt, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu wollen, und ihn zum Rücktritt aufgefordert.

Die Gründe für den Unmut im Kontrollgremium sind jene, die Hans Kullen seit seinem Amtsantritt am 16. Juli 2003 immer wieder vorgeworfen werden: erhebliche Kommunikationsprobleme und gutsherrenartige Alleingänge bei wichtigen Entscheidungen. Auch sei der hemdsärmelige Versicherungskaufmann aus Hülben nach wie vor ein Hemmschuh für neue Sponsoren. Kullen wiederum fühlt sich im Stich gelassen in seinen Bemühungen, den Verein nach vorne zu bringen. „Es muss Schluss damit sein, sich immer nur an den gedeckten Tisch zu setzen. Damit meine ich, dass die Teamarbeit auch hinter den Kulissen funktionieren muss“, hatte der 65-Jährige vor kurzem in einem Interview gesagt und mit einem Rücktritt zum 1. Juli dieses Jahres gedroht.

Wahrscheinlich wird es so lange gar nicht dauern. Nach Lage der Dinge wird Kullen schon auf der gemeinsamen Präsidiums- und Aufsichtsratssitzung am morgigen Dienstag seinen Hut nehmen – und mit ihm die Präsidiumskollegen Jürgen Köhn, Dieter Wahl und Edgar Kurz. Das Trio sieht den Kickers-Chef zwar alles andere als unkritisch, doch mit der totalen Kehrtwende des Großteils der Aufsichtsratsmitglieder, die Kullen vergangenen November einstimmig in seinem Amt bestätigt hatten, tun sie sich angeblich schwer.

Kommt es tatsächlich zu der Rücktrittswelle, wäre Dirk Eichelbaum der letzte Mohikaner im aktuellen Kickers-Präsidium. Wie es heißt, habe der Schatzmeister seine Bereitschaft erklärt, interimsweise das Präsidentenamt zu übernehmen. Damit der Verein beschlussfähig bleibt, müsste der Aufsichtsrat im Fall der Fälle vier weitere Präsidiumsmitglieder neu bestimmen.

Bleibt die Frage, wie sich ein mögliches Aus von Kullen auf die finanzielle Seite des Vereins auswirken würde. Fest steht: Der Präsident hat ein Darlehen von 450 000 Euro in den Club investiert – und den Rangrücktritt bis zum 30. Juni 2008 erklärt. Dadurch stehen die Kickers nicht unter unmittelbarem Zeitdruck. Denkbare Variante: Kullen erhält den – dank der DFB-Pokal-Spiele gegen den Hamburger SV und Hertha BSC Berlin – zu erwartenden Gewinn aus der laufenden Saison in Höhe von 250 000 Euro bald, den Rest später.

Was auf Degerlochs Höhen immer wieder kolportiert wird: Hauptsponsor Eduardo Garcia würde im Falle eines Kullen-Rücktritts sein Engagement nicht nur verlängern, sondern auch erhöhen. Wie auch immer: Wenn die forschen Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer heiklen Mission nicht plötzlich der Realitätsverlust erfasst hat, müssen sie konkrete Zusagen von Geldgebern in der Hinterhand haben. Sonst könnte die Botschaft drohen: Der Verein ist seinen ungeliebten Präsidenten los. Die Kickers aber auch ihre Lizenz.

Stuttgarter Nachrichten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.