Die Blauen und die Polizisten sehen schwarz
DERBY Stau und VfB-Fans, die auf ihre Vereinsfarbe verzichten, prägen das Spiel der Kickers gegen den VfB
Degerloch. Mehr als 7000 Fans sorgten am Freitag für eine angemessene Kulisse im Stadt-Derby zwischen den Kickers und den Amateuren des VfB. Dies zeigte sich auch auf den Straßen rund um die Waldau. Die Polizei war aber aus einem anderen Grund zahlreich vertreten.
Von Alexander Kitterer
Langsam dämmert es jedem, dass dies kein normales Spiel auf der Waldau ist. Autoschlangen verstopfen die Straße. Dazu noch der Neubau des Wasserspeichers an der Jahnstraße und die parkenden Autos auf beiden Seiten – Verkehrschaos leicht gemacht. Bus und Bahn verrichten zwar anstandslos ihren Dienst, die meisten hoffen aber trotzdem auf einen Parkplatz direkt vor dem Eingangstor. Die zahlreichen Polizisten können darüber nur den Kopf schütteln: „Jeder, der normal überlegt, muss wissen, dass er keinen Parkplatz bekommt“, sagt einer derjenigen, der versucht, den Verkehr zu regeln.
Manch einer ohne VIP-Karte für die Parkflächen, bei denen Normalfans sich im Vorübergehen immer fragen, was Menschen, die dort parken dürfen, anders machen als sie selbst, versucht es mit der Mitleidsmasche: „Ich war so im Stress vom Arbeiten und hab“ jetzt in der Eile meinen Parkschein vergessen.“ Doch der Mann im BMW erntet dafür nur ein eisiges Schweigen und ein Kopfschütteln des eindrucksvollen Ordners in Schwarz.
Schwarz sind auch viele der VfB-Fans gekleidet. Wer ein rotes Fahnenmeer erwartet hat, wird enttäuscht. Sonnenbrillen, schwarze Jeans und Jacken prägen das allgemeine Erscheinungsbild vor der Kasse der Auswärtsmannschaft. Genau aus diesem Grund sind auch die Männer in Grün in größerer Zahl vertreten als üblich. „Um die 100 gewaltbereite Fans und viele Halbwüchsige, die sich benutzen lassen“, erwartet die Polizei. Sechs Pferde und insgesamt etwa 50 Beamte beziehen rund um die Auswärtsfans Stellung und sorgen für Ruhe.
50 Meter weiter, am Eingang der Gastgeber, ein ganz anderes Bild: Ein kleiner harter Kern von Kickers-Fans in Kutte und Mütze diskutiert die Chancen und Gefahren des bisherigen Saisonverlaufs. Daneben stehen Familien, Väter mit ihren Söhnen, die das schöne Wetter nutzen wollen, um ein spannendes Fußballspiel zu sehen. Insgesamt finden mehr als 7000 Zuschauer den Weg ins Stadion. Etliche aber erst nach dem Anpfiff, denn noch kurz vor 19 Uhr kurven sichtlich genervte Autofahrer auf dem überfüllten Parkplatz umher. Auch die Taktik, den Platz zu Fuß zu erkunden und dann eine freie Lücke zu besetzen, geht nicht immer auf. Ein ruhiger, freundlich aussehender Herr Mitte 40 wird von einem schon leicht alkoholisierten Mann, der augenscheinlich gerne seine Zeit im Fitnessstudio verbringt, darauf hingewiesen, dass dieser Parkplatz „meiner Freundin gehört. Ist das klar?“
Vielleicht liegt es auch an dem verspäteten Kommen vieler, dass die Begrüßung des Stadionsprechers nur schwach erwidert wird. So können sich die Nachbarn bis zur 66. Minute über Lärm nicht unbedingt beschweren. Dann fällt die Führung für die Kickers, erzielt von Bashiru Gambo. Dass es letztendlich ein Unentschieden wird, versetzt den Kickers-Fans zwar einen kleinen Dämpfer, aber die Aufstiegsambitionen als Tabellenführer bleiben aktuell. Was wiederum die Nachbarn nicht unbedingt freuen dürfte. Denn wenn die Stuttgarter Kickers tatsächlich nächste Saison in der zweiten Bundesliga spielen, können viele Fans auf Parkplatzsuche die erste Halbzeit im Radio hören und besagte Nachbarn ihren schnellen Einkauf per Auto auf einen anderen Tag verschieben.
Stuttgarter Zeitung
Reizvolle Regionalliga
Im Derby zwischen den Stuttgarter Kickers und dem VfB II können sich die Fans mit den Spielern identifizieren
Beim Regionalligaderby zwischen Kickers und VfB (1:1) am Freitag hat es auf dem Rasen zwar keinen Sieger gegeben, dafür aber auf den Rängen. „Das war Werbung für die Regionalliga“, sagte der Kickers-Trainer Robin Dutt nach dem Spiel.
Von Joachim Klumpp
Vor dem Stuttgarter Derby in der Fußball-Regionalliga ist der Kickers-Trainer Robin Dutt mutig gewesen, und hat getippt. Nicht auf das Ergebnis, sondern auf die Zuschauerzahl: sechstausend lautete seine Vorhersage. Weit gefehlt, sie wurde deutlich übertroffen, am Ende waren am Freitagabend 7210 Besucher ins Gazistadion gekommen, so viele wie noch nie bei einem Punktspiel oder Derby seit dem Zweitligaabstieg. „Diejenigen, die da waren, sind voll auf ihre Kosten gekommen“, sagte selbst der VfB-Trainer Rainer Adrion nach dem 1:1. Und sein Kollege Dutt wagt bereits wieder eine Prognose. „Es waren sicher fünfzehnhundert neutrale Zuschauer darunter. Viele von ihnen werden sich überlegen, wieder zu kommen.“ Gegen den SV Darmstadt 98 in elf Tagen?
Das dürfte auch ein wenig vom Ergebnis am nächsten Samstag in Ingolstadt abhängen. Denn Stuttgart ist nicht Dortmund oder Kaiserslautern. Fußball ist kein Selbstläufer. Egal ob in der Bundesliga bei den Roten oder in der Regionalliga bei den Blauen. Doch Dutt weiß auch: „Die Kickers sind ein Traditionsverein. Wenn die Leistung stimmt, sind die Leute auch da.“
Zumal die sich mit der Mannschaft identifizieren können. Die Hälfte des 18er-Kaders stammt aus dem eigenen Nachwuchs- oder Amateurbereich. Von der anderen Hälfte wiederum kommt die Hälfte der Spieler aus der Region; und nur das restliche Viertel rekrutiert sich aus überregionalen Spielern, wie etwa den Neuzugängen Christian Okpala oder dem noch verletzten Laszlo Kanyuk. „Jetzt kommt schon auch mal der ein oder andere Zuschauer aus Freiberg und schaut, was macht den unser Härter oder Hartmann“, sagt Dutt zu der positiven Entwicklung. Vom Abstiegskandidaten zum Aufstiegsanwärter. Ob es letztendlich mit dem Sprung in die zweite Liga klappt, wird man sehen. Der Trainer will erst die beiden nächsten Spiele abwarten: auswärts beim Aufsteiger Ingolstadt, zu Hause gegen den Aufstiegsanwärter Darmstadt. „Dann ist ein Drittel der Vorrunde vorbei und man hat einen gewissen repräsentativen Überblick“, so Dutt.
Schon jetzt aber lässt sich feststellen, dass die Liga generell an Niveau gewonnen hat. Dutt: „Sie ist ausgeglichen wie nie.“ Hoch eingeschätzte Vereine wie Aalen oder erst recht Hoffenheim warten noch auf den ersten Sieg, andere wie die Aufsteiger Kassel oder Reutlingen machen Furore. „Das kann nur gut tun“, sagt Dutt. „Und das Derby war eine Werbung für die Regionalliga.“
Nicht zuletzt aus diesem Grund ist man beim VfB Stuttgart vehement daran interessiert, dass die zweite Mannschaft in der dritten Liga bleiben kann. „Das ist für uns die ideale Ausbildungsplattform“, sagt der Trainer Rainer Adrion zu den Gedankenspielen, die so genannten Amateurteams von der übernächsten Saison an zu verbannen. Derzeit gibt es aber auch Überlegungen, zunächst einmal zumindest zwei Vereine für eine eingleisige dritte Liga zuzulassen (über deren Einführung auf dem DFB-Bundestag am 8. September entschieden wird). Adrion lässt keinen Zweifel daran, dass der VfB sich dafür sportlich qualifizieren möchte. Als Tabellenvierter wäre man locker dabei, und das obwohl am Freitag kein Beck, Tasci oder Nehrig von oben ausgeholfen haben.
Dafür kam nach der Pause ein gewisser Adam Szalai zum Einsatz, ein Name den sich die VfB-Fans durchaus merken sollten. Denn der Ungar, der sämtliche Junioren-Nationalmannschaften seines Heimatlands durchlaufen hat, machte mit einem schönen Tor den Ausgleich. Und Trainer Adrion sagt: „Er ist ein typischer Strafraumspieler und trotz seiner 1,90 Meter sehr beweglich, sodass er auch auf engem Raum etwas mit dem Ball anfangen kann.“ Zwei Tore hat er in dieser Saison bereits erzielt, eines vorbereitet, das spricht für ihm. Und die Nachwuchsarbeit des Vereins.
In diesem Punkt kann sich Stuttgarts Fußball sehen lassen: egal ob bei den Kickers oder dem VfB.
Stuttgarter Zeitung
Zuschauer im Derby
Saison 01/02:VfB – Kickers (1:1)2500
Kickers – VfB (0:0)3580
Saison 03/04:VfB – Kickers (2:1)5000
Kickers – VfB (1:4)3000
Saison 04/05:VfB – Kickers (3:2)2700
Kickers – VfB (2:0)5040
Saison 05/06:VfB – Kickers (2:4)4100
Kickers – VfB (0:0)3010
Saison 06/07:Kickers – VfB (1:1)7210
Stuttgarter Zeitung
Kickers wecken wieder Emotionen
Fans honorieren Aufschwung – Dutt: „Erfolge keine Momentaufnahme“
Stuttgart – Der blaue Anhang kann die Regionalligatabelle weiter ausschneiden und genießen. Auch nach dem 1:1 der Stuttgarter Kickers im Stadtderby gegen den VfB II bleibt das Team von Trainer Robin Dutt Spitzenreiter. Noch viel wichtiger: Die Blauen wecken wieder Emotionen.
VON JÜRGEN FREY
Die Fans im B-Block zogen vor dem Anpfiff ein riesiges Transparent in die Höhe. Es zeigte einen gelben Lichtstrahl mit Kickers-Emblem, der vom Fernsehturm aus in den Himmel ragte. Motto: Die Kickers greifen nach den Sternen. Als Dutts Auswahl noch kreuzbrav vor sich hin kickte, taten sich auch die Treuesten der Treuen schwer mit der Kreativität. Das ist jetzt anders.
Zwar fehlt den Blauen vor allem in Sachen Abgeklärtheit schon noch etwas zu einer absoluten Spitzenmannschaft, doch eines steht fest: Die Mannschaft weckt mit ihrem couragierten Start in die Saison neue Emotionen. Die Welle der Begeisterung schwappt sogar über auf die Haupttribüne. Beim Vorlesen der Aufstellung brüllen neuerdings nicht nur ein paar Teenies den Namen der Spieler mit. „Die Leute fiebern mit und sind interessiert, was hinter unserem Aufschwung steckt“, vermutet Trainer Robin Dutt.
7210 Neugierige strömten am Freitagabend ins Gazistadion auf der Waldau. Mehr waren es bei einem Punktspiel letztmals im April 2001 gewesen: Damals wollten 7580 Zuschauer die Blauen unter Trainer Rainer Zobel gegen Arminia Bielefeld sehen. Sechs Spieltage später waren die Kickers aus der zweiten Liga abgestiegen.
Seitdem suchen die Blauen im Aufzug den Knopf, der sie wieder nach oben rauschen lässt. Einiges deutet darauf hin, dass sie ihn vor dieser Saison gefunden haben. Das spüren die Fans. Sie honorieren das gelassene und hartnäckige Arbeiten der sportlichen Leitung an den kleinen Schritten in die Zukunft. „Unsere Erfolge sind keine Momentaufnahme“, betont Dutt, „wir haben uns in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich vom Abstiegs- zum Aufstiegskandidaten entwickelt.“
Die Chancen, die Euphorie am Kochen zu halten, stehen nicht schlecht. Die nächsten Heimgegner heißen SV Darmstadt 98 (1. September), 1. FC Saarbrücken (16. September) und SSV Reutlingen (30. September). Nebenbei geht der DFB-Pokalschlager gegen den Hamburger SV (9. September) über die Bühne. „Das Derby gegen den VfB war beste Werbung für die Kickers“, ist sich Manager Joachim Cast sicher, „vielleicht konnten wir von den vielen neutralen Zuschauern im Stadion ein paar Kickers-Fans gewinnen.“ Schließlich wollen die Blauen in dieser Saison nach den Sternen greifen.
Stuttgarter Nachrichten
Kurven lassen sich nicht vermeiden
Die Stuttgarter Kickers und der VfB Stuttgart II sind auf dem richtigen Weg
Stuttgart – Die Stuttgarter Kickers sind auch nach dem vierten Spieltag der Fußball-Regionalliga Tabellenführer. So dürfen sie sich trotz des 1:1 im Derby gegen den VfB Stuttgart II ein bisschen als Sieger fühlen. Für die VfB-Kicker gilt das vielleicht sogar ein wenig mehr. Denn dass sie als Vierter ebenfalls zur Spitzengruppe gehören, ist eine noch größere Überraschung.
Von Sigor Paesler
Als Rainer Adrion bei den Kickers noch Robin Dutts Chef war, waren die beiden Trainer in fachlichen Fragen nicht immer einer Meinung. So munkelte man damals auf Degerlochs Höhen jedenfalls. Adrion ist schon lange wieder Coach des VfB Stuttgart II, Dutt als sein Nachfolger bei den „Blauen“ fest im Sattel. Das Verhältnis ist gut. Und nach dem 1:1 im direkten Aufeinandertreffen waren sich die beiden in ihrer Einschätzung absolut einig. Beide hatten ein „packendes Derby“ gesehen, „das alles geboten hat, was man von ihm erwartet hat“. Und „Werbung für den Fußball“ sei die Begegnung vor der Stuttgarter Rekord-Regionalliga-Kulisse von 7210 Fans auch gewesen.
Vom schnellen Umbruch überrascht
Aus ihrer Sicht lagen sie damit richtig. Denn beide Mannschaften hatten taktisch eine hervorragende Leistung geboten und viel Tempo auf den Platz gebracht. Spannend war es am Ende auch. Aber die Fans hätten durchaus ein paar mehr gelungene Offensivaktionen vertragen können. Die Kickers mussten das Spiel machen und bissen sich immer wieder an den engagiert verteidigenden VfB-Akteuren die Zähne aus. Das einzige, was sich Adrions Mannschaft vorwerfen lassen muss, ist, dass sie selbst zu wenige Aktionen nach vorne initiierte. Aber dass der jährlich wiederkehrende Umbruch so schnell klappen würde, hatte wohl auch der Trainer nicht erwartet. Gegen eine Spitzenmannschaft wie die Kickers so mitgehalten zu haben, beflügelt. „Meine erste Saison in der Regionalliga, die vierte Einwechslung, das zweite Tor – das ist einfach fantastisch“, strahlte etwa Torschütze Adam Szalai. Der 18-Jährige ist nicht der einzige Youngster, von dem noch einiges zu erwarten ist.
Und die Kickers? „Wir können mit den zehn Punkten aus vier Spielen sehr zufrieden sein“, sagte Dutt zurecht. Und er hatte auch keinen Anlass, seine Spieler zu kritisieren. Erkenntnisse, was es noch zu verbessern gilt, gab es aber auch diesmal. Zumal, wenn man oben dabei bleiben will. Während die Mannschaft beim Auftaktsieg in Aalen durchweg überzeugt und die beiden Begegnungen danach trotz etwas schwächerer Leistungen siegreich absolviert hatte, gelang das gegen den VfB nicht. Ein Spitzenteam gewinnt solche Spiele, sagt man. Und was sagte Dutt diesmal? „Wenn man 1:0 führt und eine Spitzenmannschaft sein will, darf man den Ball im Mittelfeld nicht so verlieren“, meinte er zu der Szene vor dem Treffer, der die Führung durch Bashiru Gambo egalisierte. Stürmer Mirnes Mesic war im Gegensatz zu seinem Coach zwar mächtig sauer über die verlorenen Punkte. In einem aber sprach er auch für Dutt: „Das wirft uns nicht zurück.“ Der eingeschlagene Weg ist der richtige, Kurven lassen sich ohnehin nicht vermeiden. Das gilt für den VfB II genauso.
Eßlinger Zeitung
Benda bereitet zweimal vor – 1:1
Die Kickers mussten über die Punktverluste etwas unglücklicher sein, weil sie insgesamt mehr Spielanteile sowie ein leichtes Chancenplus besaßen – und vor allem, weil sie ihre Führung nicht über die Zeit brachten, obwohl sie gute Konterchancen zum 2:0 hatten. In der 66. Minute gab Defensivspieler Sascha Benda mit einer Ecke die Vorlage zur Führung durch einen Kopfball von Bashiru Gambo, in der 83. war es Benda, der sich den Ball im Mittelfeld abnehmen ließ, wonach Adam Szalai aus spitzem Winkel zum Ausgleich traf.
Zuvor schon hätte ein 40-Meter-Sturmlauf von Matthias Morys ein Tor verdient gehabt. Doch der Schuss des VfB-Mittelfeldspielers krachte an die Latte.
Sigor Paesler
Kicker