EßZ: Kleiner Kader, große Chance

Die Stuttgarter Kickers werden wieder wahrgenommen und zählen zum Favoritenkreis Stuttgart – Das größte Kompliment kommt von der Konkurrenz. Auf die Frage nach den Aufstiegskandidaten werden von den meisten Trainern der Fußball-Regionalliga neben Top-Favorit TSG Hoffenheim auch die Stuttgarter Kickers genannt. Zu gerne wollen die „Blauen“ dem gerecht werden. Aber die Leistungsdichte in der Liga ist groß.

Von Sigor Paesler

Die Chance, endlich wieder ernsthaft um den Aufstieg mitzuspielen, führt bei den Kickers zu einer Mischung aus Euphorie und Realismus. „Ich sehe hinter Hoffenheim sechs Mannschaften auf Augenhöhe“, sagt Trainer Robin Dutt, „wenn man Platz eins bis sechs als Ziel angibt, ist es klar, dass man die ersten beiden Plätze anvisiert.“ Ähnlich äußert sich Präsident Hans Kullen: „Die Konkurrenz ist stark und wir werden sie nicht unterschätzen. Aber wir sind gut genug, um vorne mitzuspielen.“ Am Samstag (14.30 Uhr) geht es in Aalen gleich mit einem Knaller los. Denn der VfR wird neben den Stuttgartern und dem 1. FC Saarbrücken am häufigsten als Hoffenheim-Jäger genannt.

Manager Joachim Cast ist bemüht, die Euphorie in Bahnen zu lenken. „Wir bekennen uns dazu, zu den besten sechs Mannschaften der Liga zu gehören“, sagt er, „aber wir sind nicht in der Lage, uns zum Aufstiegsfavoriten zu ernennen.“

Die Erhebung in den Favoritenkreis haben die Kickers nicht den Finanzen zu verdanken, denn der Etat wurde nur leicht von 2,3 auf 2,4 Millionen Euro erhöht – und deckt neben der Regionalliga- auch die Oberliga-Mannschaft und die Jugend. Vielmehr ist sie auf eine gelungene Personalpolitik zurückzuführen. Vom bisherigen Kader wurden mit Ausnahme von Marvin Braun (FC St. Pauli) alle Stammspieler gehalten. Das sind vor allem Akteure, die sich in den vergangenen Jahren zu guten Regionalligaspielern entwickelt haben, deren Leistungshöhepunkt aber noch nicht erreicht ist. Dazu kam in Christian Okpala (FC Augsburg) der Top-Torschütze der vergangenen Runde, in Laszlo Kanyuk (Kickers Offenbach) ein Spielgestalter und in Sascha Benda (FC Augsburg) ein Allrounder, der bei ruhenden Bällen einer der Besten der Liga ist. Damit hat der Verein die Positionen verstärkt, die in der vergangenen Saison die Schwachpunkte waren. „Man merkt deutlich, dass die Qualität des Kaders besser geworden ist“, freut sich Cast, „es ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen.“ Vor allem von Okpala ist er begeistert: „Er ist sofort zum Chef geworden. Das tut der ganzen Mannschaft gut, denn bisher hatten wir nicht allzuviele Führungsspieler.“

„Wir mussten ein Risiko eingehen“

Aber: Der Kader ist mit 18 Akteuren relativ klein. In der Abwehr und in der Sturmspitze gibt es wenig Alternativen, falls sich wichtige Akteure verletzen sollten. „Es war klar, dass wir uns nicht 23 gleich starke Spieler leisten können. Wir mussten ein gewissen Risiko eingehen“, sagt Kullen – meint damit aber explizit kein finanzielles. Trainer Dutt jedenfalls will nicht meckern: „Die Frage ist, ab welcher Position die Leistung abfällt. Und da sind wir in der Breite deutlich besser besetzt als in der vergangenen Saison.“ Und dann gibt es ja noch die eigene Oberliga-Mannschaft. In der Vergangenheit schon schlossen Akteure, die aus der zweiten Mannschaft aufrückten, meist solide die Lücken. Einige von ihnen sind nun in den Regionalliga-Kader aufgerückt, aber das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Kullen weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Wir haben eine Reihe von Spielern, die variabel einsetzbar sind.“ Recep Yildiz etwa kann mit Ausnahme der Torhüterposition praktisch alles spielen, Manuel Hartmann ist in der Defensive universell einsetzbar, für Bashiru Gambo gilt in der Offensive dasselbe.

In der vergangenen Saison fühlten sich die Kickers in der Rolle des Außenseiters wohl. Dieser wurden sie zwar nicht gerecht, was den Tabellenstand betraf, aber sie lieferten insgesamt eine ordentliche Runde mit vielen sehenswerten Spielen ab. Dass diesmal mehr von der Mannschaft erwartet wird, sieht Dutt nicht als Nachteil: „Wenn uns keiner auf dem Plan hat, fehlt auch der nötige Respekt.“ Cast ist derselben Meinung: „Wir haben ja darauf hingearbeitet, höhere Ziele ausgeben zu können und in der Liga wieder wahrgenommen zu werden.“ Bei den Fans jedenfalls ist der Funke bereits übergesprungen. Die bisherigen Vorverkaufszahlen deuten darauf hin, dass deutlich mehr Dauerkarten verkauft werden als in der abgelaufenen Saison.

Eßlinger Zeitung

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