„Das Fernsehen hinkt hinterher“
DAS DOPPELINTERVIEW
Morgen Abend (19 Uhr) kommt es zu einer Premiere: dem ersten Derby der neuen dritten Liga zwischen den Kickers und dem VfB Stuttgart II. Die Ausgangslage ist klar: die Blauen brauchen als Tabellenletzter dringend einen Sieg, doch kampflos will der VfB die Punkte nicht abgeben. Joachim Klumpp hat mit den beiden Trainern gesprochen.
Welche Erinnerung haben Sie denn an das letzte Aufeinandertreffen?
Schmitt (Kickers): Sehr gute, auch wenn ich damals noch beim VfR Aalen war. Es war ein sehr spannendes Spiel zweier starker Mannschaften, mit einem glücklichen 3:2 für uns.
Adrion (VfB): Sehr intensive. Es war ein sehr gutes Spiel von uns mit dem entscheidenden Elfmeter kurz vor Schluss, der über das Wohl und Wehe der Kickers entschied. Nachdem Träsch nicht verwandelt hat, sind die Kickers ja drin geblieben – so dass es auch in diesen Jahr wieder zum Derby kommt.
Welche Bedeutung hat so ein „kleines“ Derby überhaupt?
Schmitt (Kickers): Ich bin da ja noch nicht so involviert. Letztlich ist es für mich egal, ob wir gegen Braunschweig oder den VfB Stuttgart gewinnen – Hauptsache drei Punkte. Aber bei der Mannschaft spüre ich schon eine gewisse Anspannung, und für die Fans ist es natürlich immer interessant.
Adrion (VfB): Aus meiner Sicht ist das immer noch sehr reizvoll, denn es hat eine andere Aufmerksamkeit als unsere „normalen“ Spiele. Alleine vom Zuschauerzuspruch und der Rivalität unter den Fans ist das schon etwas Besonderes.
Wie schätzen Sie die aktuelle sportliche Situation ein?
Schmitt (Kickers): Der VfB hat eine sehr gute Mannschaft, das sieht man schon am Punktestand. Und auch die 20 geschossenen Tore kommen nicht von ungefähr. Die Mannschaft spielt für mich mit den attraktivsten Fußball der Liga. Dennoch müssen wir versuchen, in der Tabelle Anschluss zu halten.
Adrion (VfB): Das ist besonders brisant. Einmal durch die Tabellensituation der Kickers, aber auch durch den Trainerwechsel, von dem sich die Verantwortlichen einen Leistungsschub erhoffen. Der ist in München ja schon eingetreten, auch wenn es nach dem 3:0 nur zum Unentschieden gereicht hat. Aber das war ein Ausrufezeichen: Wir sind noch da!
Worum beneiden Sie Ihren Kollegen?
Schmitt (Kickers): Vielleicht um sein unheimliches Reservoir an gut ausgebildeten Spielern, die Rainer Adrion hat und noch formen kann. Da sieht man seine Handschrift – und die kommt meiner Vorstellung von Fußball sehr nahe.
Adrion (VfB): Das sind zwei verschiedene Aufgabenstellungen. Bei einem Club mit Aufstiegsrecht, wie den Kickers, herrscht immer ein gewisser Erfolgsdruck, bei einem Ausbildungsverein wie uns immer eine hohe Fluktuation.
Wäre das Spiel nicht auch mal eine gute Gelegenheit für eine Liveübertragung im dritten Programm gewesen?
Schmitt (Kickers): Ganz sicher. Das wäre eine gute Chance gewesen, den Fußball und die dritte Liga den Zuschauern näherzubringen. Außerdem hätten die Vereine und deren Sponsoren auch mal eine Plattform gehabt, um sich zu präsentieren. Aber irgendwie hinkt der SWR da hinterher; der MDR zum Beispiel macht das sensationell gut.
Adrion (VfB): Natürlich hätte man daraus auch mal eine Sondersendung machen können. Aber die Intendanten oder Verantwortlichen beim SWR setzen offensichtlich andere Schwerpunkte, warum auch immer. Wenn man das mit der Konkurrenz des MDR, des WDR oder des Bayerischen Rundfunks vergleicht, sind wir hier völlig hinterher, aber das war leider schon immer so.
Wagen Sie einen Tipp?
Schmitt (Kickers): Wir gewinnen knapp – mit einem Tor.
Adrion (VfB): Wir gewinnen knapp – mit einem Tor.
Stuttgarter Zeitung
Kapitäne zum Drittliga-Derby
„Das wird ein heißes Spiel“
Stuttgart – Sie sind Kapitän ihres Teams. Ihr Wort hat Gewicht – auf und außerhalb des Fußballplatzes. Vor dem Drittligastadtderby am Freitag (19 Uhr/Gazistadion) zwischen den Blauen und den Roten sind sich Alexander Rosen (29/Stuttgarter Kickers) und Marijan Kovacevic (35/VfB II) einig: „Das wird ein heißes Spiel.“
Herr Kovacevic, zeigt der VfB II am Freitag wieder sein Herz für die Kickers?
Kovacevic: Wie kommen Sie darauf?
Hätte Ihr Teamkollege Christian Träsch am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison in der 85. Minute im Derby den Elfmeter zum 2:1 verwandelt, wären die Kickers abgestiegen.
Kovacevic: Den Elfer hat der Torwart klasse gehalten. Die Kickers brauchen keine Geschenke vom VfB. Sie sind eine starke und erfahrene Mannschaft…
… die nach neun Spieltagen mit gerade mal drei Punkten sieglos am Tabellenende steht.
Kovacevic: Nach neun Spieltagen ist noch keine Mannschaft abgestiegen. Selbst wenn wir gewinnen sollten, ist das noch lange nicht der Todesstoß für die Blauen. Ich habe die Mannschaft zwei-, dreimal gesehen: Die Truppe ist qualitativ zu gut, um abzusteigen.
Rosen: Danke für die Blumen, aber wir müssen jetzt schon mal dringend beginnen, einen Dreier zu landen. Wie auch immer der zustande kommen mag – wichtig ist, dass die Leute eine leidenschaftliche und aufofperungsvoll kämpfende Kickers–Mannschaft zu sehen bekommen.
Was bedeutet für Sie persönlich so ein Stadtderby?
Rosen: Das Fieber, das vor diesem brisanten Spiel grassiert, steckt einen regelrecht an. Man spürt die Rivalität und merkt, wie wichtig es für unser Umfeld ist, gegen die Roten zu gewinnen.
Kovacevic: Es wird sicher ein heißes Spiel. Aber für mich ist es eine Partie wie jede andere. Vielleicht mal davon abgesehen, dass ich gegen die Kickers auf einen entfernten Verwandten aus meiner Heimat Kroatien treffe – Josip Landeka.
Sie beide sind viel herumgekommen in der Fußballwelt. Stört Sie das Image des Wandervogels?
Kovacevic: Ich war in Griechenland, Portugal, Österreich – und hatte dort unglaubliches Pech. Allein zwei Clubs gingen pleite. Auch wenn es sich seltsam anhört: Ich hasse das Nomadenleben. Deshalb steht für mich definitiv fest: Ich werde für keinen anderen Club als den VfB Stuttgart mehr spielen.
Rosen: Man muss immer die Hintergründe für die jeweiligen Wechsel sehen. Ich hatte zum Beispiel einen Vierjahresvertrag bei Eintracht Frankfurt und in meinem ersten Jahr fünf verschiedene Trainer, jeder mit anderen Vorstellungen. Und da hat man sich zweimal entschieden, dass es das Beste sei, mich auszuleihen. Zu meinem jetzigen Verein habe ich eine besondere Bindung entwickelt und deshalb ganz bewusst für drei Jahre bei den Kickers unterschrieben.
Kickers-Trainer Edgar Schmitt hat den Fitnesszustand des Teams kritisiert. Hat sein Vorgänger Stefan Minkwitz in der Saisonvorbereitung geschludert?
Rosen: Ich möchte nach vorne schauen und mich nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen. Das nimmt mir zu viel Energie. Fest steht für mich nur: Wenn man fünfmal hintereinander in den letzten fünf Minuten Punkte herschenkt, hat das definitiv nichts mehr mit Pech zu tun.
Kovacevic: Ich kann das nicht beurteilen, aber nach Misserfolgen sucht man immer nach Gründen, die sehr vielschichtig sein können.
Ihr Team hat sich ohne einen externen Neuzugang bisher prima geschlagen – sind Sie überrascht darüber?
Kovacevic: Auch wenn wir jetzt in jedem Spiel auf eine hoch motivierte Profitruppe treffen – warum sollten wir Talente von außen holen, wenn die besten ohnehin bei uns spielen. Nein, ich wusste, dass unser Trainer Rainer Adrion ein feines Näschen für die Zusammenstellung unserer Mannschaft hat.
In der Sie der absolute Führungsspieler sind – und nach Ablauf Ihres Vertrags am Saisonende als Teammanager im Gespräch sind.
Kovacevic: Ich unterstütze die Ideen von Rainer Adrion, gebe den jungen Spielern wertvolle Tipps und gehe in jedem Training als Vorbild voran. Mein Wort hat schon Gewicht, und die Jungs hören auf mich. Wie es nach der Runde weitergeht, muss man sehen.
Rosen: Meine Kapitänsrolle ist mit der von Marijan nicht vergleichbar. Ich kann mit 29 Jahren nicht die Vaterfigur in unserem Kader sein. Aber auch ich spreche viel mit den jungen Spielern. Und als es sehr schlecht lief und sich enorm viel Kritik auf meine Person fokussierte, habe ich das ertragen.
Wie lautet Ihr Tipp fürs Derby?
Rosen: Ich tippe, dass die Kickers am Freitagabend gegen 20.45 Uhr dank eines Heimsiegs auch endlich von den Punkten her in der dritten Liga angekommen sind.
Kovacevic: Ich tippe grundsätzlich nicht, aber klar ist: Wir haben zuletzt gegen Paderborn verloren, und zwei Niederlagen hintereinander sollte es nicht geben.
Und wenn es kurz vor Schluss wieder einen Elfmeter für den VfB gibt…
Kovacevic: … werde ich ihn nicht schießen und Christian Träsch, glaube ich, auch nicht.
Jürgen Frey
Stuttgarter Nachrichten