Presse zur Klage von Hans Kullen, Gambos Rückkehr und dem kollektivem Aufatmen

Gambo gibt sich einsichtig
Der Ghanaer will den Kickers in dieser Saison noch helfen – Kullen hat Klage eingereicht

STUTTGART. Mustafa Parmak geht mit gutem Beispiel voran. Der Mittelfeldspieler hat im Training Sonderschichten eingelegt – und so den Grundstein für den Erfolg gegen Pfullendorf gelegt. „Der war lebenswichtig“, sagt nicht nur der Manager Joachim Cast.

Von Joachim Klumpp

Übung macht den Meister. Auch im Fußball. Das hat sich am Dienstagabend im Gazi-Stadion mal wieder gezeigt. Nach gut einer Stunde zirkelte dort der Kickers-Spieler Mustafa Parmak einen Freistoß aus rund 25 Metern derart platziert in den Winkel, dass selbst der hervorragende Pfullendorfer Torwart Ralf Hermanutz machtlos war. 1:0 für den Stuttgarter Regionalligisten, der Bann war gebrochen, der Weg frei zum ersten Heimsieg in dieser Saison.

Parmak sei Dank. Und dessen Eifer – sogar noch kurz vor dem Spiel. Am Nachmittag war der 25-Jährige nämlich bereits etwas früher als üblich in Degerloch erschienen und entschied sich spontan, auf dem Trainingsgelände noch Freistöße zu üben. Ganz alleine, nur mit ein paar dieser gelben Plastik-Dummies, die eine gegnerische Abwehrmauer simulieren. Und das alles, obwohl der Trainer Stefan Minkwitz anfangs gar nicht begeistert war von solchen Sondereinheiten. Parmak: „Er hat mir gesagt: ,Nachher verletzt du dich noch.““ Doch Parmak, dem nicht gerade der Ruf eines Trainingsweltmeisters vorauseilt, ließ sich von seinem Vorhaben nicht mehr abbringen – sehr zum Wohle der Kickers, die nun wieder größere Chancen auf den begehrten zehnten Platz haben, der für die Qualifikation zur dritte Liga ausreicht.

Aber blenden lässt sich vom 2:0-Erfolg, zu dem Parmak auch noch den zweiten Treffer beisteuerte, gegen den SC Pfullendorf niemand – der Präsident nicht, der Manager nicht, der Trainer nicht. Tenor unisono: „Der Sieg war lebenswichtig.“ Pflicht eben. Mehr nicht. Gegen einen vermeintlich schwachen Gegner stimmte vor allem die Einstellung der Mannschaft, von der ersten bis zur letzten Minute, vom Torwart bis zum Linksaußen. „Heute war ich mit allen Spielern zufrieden“, sagte ein sichtlich erleichterter Trainer Stefan Minkwitz. „Ich hoffe, es geht so weiter.“

Weiter geht es auf jeden Fall mit Bashiru Gambo. Der Ghanaer hatte sich durch seinen reichlich lustlosen Auftritt am vergangen Samstag – während und offensichtlich auch nach der Niederlage gegen den FC Bayern München II – den Unmut der Verantwortlichen zugezogen. „Er hat aus disziplinarischen Gründen eine Denkpause bekommen“, begründete der Trainer am Dienstag seine kurzfristige Nichtnominierung. Der Spieler nahm sich das offensichtlich zu Herzen und sagt: „Natürlich werde ich mich im Training voll reinhängen, ich gebe jetzt 110 Prozent.“ Mit dieser Botschaft ging er gestern direkt auf den Trainer zu, der sagte: „Hundert Prozent reichen mir schon mal, ich werde ihn genau beobachten.“ Ob Gambo morgen mit dem Team nach Kassel reist, wird sich kurzfristig entscheiden. „Dort müssen wir jetzt nachlegen“, betonte Minkwitz.

Apropos nachlegen: das hat auch der Expräsident Hans Kullen getan. Wie bereits längere Zeit angekündigt ging jetzt die Klage auf Zurückzahlung seines Darlehens von 450 000 Euro (plus Zinsen über 57 000 Euro) bei den Kickers ein. Der Verein wiederum hat ein Anwaltsbüro eingeschaltet, um die Angelegenheit beim Landgericht Stuttgart klären zu lassen. Der Präsident Dirk Eichelbaum sagt dazu: „Der Sache selbst treten wir gelassen entgegen und vertrauen auf Justitia.“ Doch wie heißt es so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Da ist es doch beruhigend, dass es die Mannschaft sportlich zumindest selbst in der Hand hat, sich für die dritte Liga zu qualifizieren.

Stuttgarter Zeitung

Neue Hoffnung auf das blaue Wunder
Kickers kämpfen an allen Fronten: Verein bekommt Kullens Klage über 507549 Euro zugestellt

Stuttgart – Es war ein Lebenszeichen. Nicht mehr und nicht weniger. Nach dem 2:0 gegen den SC Pfullendorf geht für die Stuttgarter Kickers der Kampf ums nackte Überleben weiter.

VON JÜRGEN FREY

Die Fans im B-Block sangen „Oh, wie ist das schön“, die Spieler jubelten ausgelassen – und im Kabinengang stand Präsident Dirk Eichelbaum und sagte zunächst nur ein Wort: „Endlich.“ Endlich gibt es neue Hoffnung auf ein blaues Wunder. Endlich herrscht beim Fußball-Regionalligisten wieder so etwas wie Aufbruchstimmung. „Das war heute die Hallo-wach-Pille. Nun hat jeder kapiert, dass wir noch eine Chance auf die dritte Liga haben“, sagte Eichelbaum.

Es wird ein steiniger Weg hoch auf den zehnten Platz. Zwölf Spiele stehen noch auf dem Programm. Sechs Punkte beträgt der Rückstand. Am Karsamstag (14 Uhr) geht es zu Hessen Kassel, einem direkten Konkurrenten. Eichelbaum verspricht: „Wenn wir dort ohne Niederlage davonkommen, starten wir durch.“ Auf und neben dem Platz. Unter anderem plant der Kickers-Chef Kartenaktionen mit Schulen. So weit die positiven Aspekte – es gibt aber nach wie vor noch das ein oder andere Unerfreuliche:

Die Klage des Ex-Präsidenten: Hans Kullen hat am 19. Februar am Landgericht Stuttgart Klage eingereicht. In dieser Woche wurde sie den Kickers zugestellt. Kullen fordert die Zurückzahlung seines Darlehens in Höhe von 450 276 Euro (plus 57 273 Zinsen). Eichelbaum bleibt gelassen und wiederholt seinen Standpunkt: „Kullens Rangrücktritt ist zeitlich unbefristet. So lange die Überschuldung des Vereins besteht, hat er keine Chance auf das Geld.“ Bekommt Kullen doch recht, hätten die Blauen ein Riesenproblem. Der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch sagt klipp und klar: „Dann wären wir platt. Die Insolvenz wäre garantiert. Wir sind so schon knapp genug.“

Die Einstellung von Bashiru Gambo: Der Mittelfeldspieler war nach dem Trauerspiel gegen den FC Bayern II fröhlich pfeifend zum Auslaufen getrabt. Trainer Stefan Minkwitz suspendierte ihn für die Partie gegen Pfullendorf. Am gestrigen Mittwoch versicherte Gambo hoch und heilig, künftig wieder alles für die Kickers geben zu wollen. „Ich werde ihn weiter beobachten“, sagte Minkwitz und ließ offen, ob er für die Partie in Kassel wieder in den Kader rückt. Dass der Mann aus Ghana seinen Rauswurf provozieren wollte, hält Eichelbaum für ausgeschlossen: „Dann hätte er in der Winterpause nur den Finger heben müssen, als wir fragten, wer keine Lust mehr hat.“

Die Leiden der Verletzten: Neuzugang Gino Russo wurde wegen einer Wundheilungsstörung an der Achillessehne schon wieder operiert. Für ihn ist die Saison gelaufen, ohne einmal für die Blauen gespielt zu haben. Kapitän Jens Härter ist ins Mannschaftstraining eingestiegen. Treten wieder Schmerzen am Knie auf, wird er operiert.

Stuttgarter Nachrichten

„Großen wird der Hintern gepudert“ Opfer der Bedingungen Die Leiden lindern Kickers gehören zu Stuttgart Allez les bleus! Der Gegenpol zum VfB
Lesermeinungen zur Misere der Stuttgarter Kickers: Noch ist nichts verloren

Stuttgart – Unseren Lesern sei Dank: Die Diskussionen um die Situation der Stuttgarter Kickers geht weiter. Nach dem 2:0-Sieg gegen den SC Pfullendorf keimt zwar wieder gelinde Hoffnung auf. Der Tenor der Meinungsbeiträge bleibt aber verhalten – und die Fans leiden unverändert.

Jenseits aller subjektiven Fehler, die in Degerloch gemacht wurden, stellt sich die Frage, ob nicht doch überwiegend objektive Bedingungen für den drohenden Untergang der Blauen entscheidend sind. Betrachtet man auch die Situation in anderen deutschen Metropolen, muss man feststellen, dass in zweien (München und Hamburg) der TSV 1860 und St. Pauli teilweise mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben oder hatten. In Köln (Fortuna), Berlin (TeBe) und Hannover (Arminia) sind die „zweiten Vereine“ ganz aus dem Blickfeld des Profifußballs verschwunden. In Frankfurt war der FSV lange Zeit in der Hessenliga abgetaucht.

Die mediale Konzentration, vor allem die des Fernsehens, auf sportliche Premiumprodukte engt die wirtschaftlichen Handlungsspielräume für Vereine wie die Kickers erheblich ein. Daher muss man darüber nachdenken, wieso gerade in der Stadt und der Region Stuttgart neben dem VfB die Bedingungen für einen weiteren Verein im bezahlten Fußball besser sein sollen als anderswo.

Joachim Bayh, Stuttgart, per E-Mail

Meine herzlichsten Grüße an Ihren Kolumnisten Joe Bauer. Der Mann spricht mir aus der Seele und nötigt mir Respekt ab! Er leidet. Und das ist genau das, was den Kickers-Größen gut zu Gesicht stehen würde. Denn wer leidet, dem fällt in aller Regel auch was ein, wie er seine Leiden lindern kann.

Liegt es wirklich nur an den fehlenden Investoren? Es gibt Fußballer, die reißen sich für den Betrag x den Allerwertesten auf, wogegen andere für denselben Betrag keine 200 Meter in einem Spiel laufen, den Weg von der Kabine schon eingerechnet. Einfach mal anfangen nachzudenken!

H. D. Teigler, Nürtingen, per E-Mail

Ich weiß nicht, was da bei den Stuttgarter Kickers in den vergangenen Jahren falsch gelaufen ist. Es tut weh, wenn man liest, dass es dem Verein anscheinend so schlecht geht. Die Kickers gehören zu Stuttgart, genauso wie der VfB.

Es sollte alles Mögliche getan werden, den Verein bei seinen Bemühungen, aus der Krise zu kommen, zu unterstützen.

Uli Haußer, Berlin

Jetzt gilt es, in Kassel nachzulegen! Der letzte Funke Hoffnung ist durch diesen souveränen und hochverdienten Heimsieg gegen Pfullendorf noch nicht erloschen! Allez les bleus!

Thorsten Gross, Bochum

Die Diskussion im Internet:

www.stuttgarter-nachrichten.de/meinung

Ich war zwar seit meinen Kindertagen VfB-Fan, finde es aber bei aller Rivalität traurig, was in Degerloch seit Jahren passiert. Die Stuttgarter Kickers waren schon immer ein schöner Gegenpol zum großen VfB. Ein Gegenpol, den eine Stadt wie Stuttgart braucht.

Ich meine, die Fans der Roten und der Verein selbst sollten in dieser Situation helfen (etwa durch Freundschaftsspiele, bevorzugten Spielerverleih, Kickersgroschen, u. ä.). Man sollte sich des Potenzials erinnern, welches in der Vergangenheit bezüglich Spielerqualität und monetären Mitteln zwischen den beiden Vereinen hin und her wanderte. Es ist doch nun wirklich naheliegend, als erstes auf den anderen Rand des Talkessels zu schauen – wenn denn dort Qualität vorhanden wäre. Außerdem ist, rein sportlich gesehen, eine Vereinsrivalität zwischen erster und Amateurliga weder sinnvoll, noch macht sie Spaß.

Auch sollte man sich aufseiten des Gemeinderats überlegen, ob tatsächlich nur durch den VfB Vorteile für die Stadt entstehen. Ein zweiter Profiverein verfehlt auch seine Marketingwirkung nicht und sollte daher gefördert werden.

Samir Solimann, Stuttgart, per E-Mail

Die Kleinen gehen kaputt
Es ist ein trauriges Kapitel, das sich zurzeit bei den Kickers abspielt. Nicht nur für die Stadt Stuttgart, sondern für die ganze Region wäre es sehr bedauerlich, sollten die Kickers die Qualifikation für die dritte Liga nicht schaffen. Ich glaube, der Zug in die Viertklassigkeit ist bereits abgefahren, da der Abstand zum rettenden Ufer zu groß ist. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Mannschaft ein mentales Problem hat. Spieler, die Angst davor haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, können den Schalter im Punktspiel nicht mehr umlegen. Angst lähmt. Da kann auch ein Wundermann (Sundermann) nicht mehr helfen. Es ist wie im normalen Leben: Die Kleinen geht kaputt, den Großen wird der Hintern gepudert.

S. Hamm, Nurfringen, per E-Mail

Stuttgarter Nachrichten

Ex-Chef Kullen verklagt die Kickers
 
Stuttgart (bw) – War der Sieg gegen den SC Pfullendorf die Wende im Kampf um die Qualifikation für die dritte Liga? Darauf hofft Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers und will am Samstag (14 Uhr) in der Auswärtspartie bei Hessen Kassel nachlegen. Ausgerechnet jetzt gibt es Ärger mit dem früheren Vereinspräsidenten Hans Kullen. Tabellenführer VfB Stuttgart II empfängt heute (18.30 Uhr) den VfR Aalen.

Der ehemalige Chef der „Blauen“ hat Klage eingereicht. Wie die Kickers gestern mitteilten, verlange Kulle die Rückzahlung seines Darlehens in Höhe von 450 276,62 Euro. Zuletzt war nach dem ersten Heimsieg in dieser Saison Durchatmen angesagt. „Der Erfolg gibt Selbstvertrauen, jetzt gilt es, dran zu bleiben und weiter zu punkten“, sagt Manager Joachim Cast. Von Trainer Stefan Minkwitz gab es ein dickes Lob für das Team, das ein deutliches Lebenszeichen gesendet hat. „Ich hoffe, es geht so weiter“, betont der Coach und setzt daher in Kassel auf die Elf, der der Befreiungsschlag gelungen war. „Es besteht kein Grund, etwas an der Aufstellung zu ändern“, erklärt Minkwitz, der weiterhin auf die verletzten Jens Härter (Knie) und Gino Russo (Ferse) verzichten muss. Der Trainer rechnet mit einem harten Stück Arbeit in Hessen: „Das wird nicht einfach. Kassel ist in der selben Lage wie wir.“ Zudem hat der Gegner in Thorsten Bauer den momentan besten Torschützen der Liga (15 Treffer) in seinen Reihen.

So wollen sie spielen: Yelldell – Benda, Mann, Rapp, Steinle – Parmak, Rosen, Akcay, Stierle – Kacani, Vaccaro.
 
Eßlinger Zeitung

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