Jens Härter – ein Problemfall wider Willen

Der Kapitän der Stuttgarter Kickers quält sich seit fünf Monaten mit einer Verletzung herum – und eine Besserung ist nicht in Sicht

STUTTGART. Jens Härter hat den Spielausfall des Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers gegen Pfullendorf relativ gelassen nehmen können. Denn der 28-Jährige ist verletzt. Wie lange noch, weiß keiner. „Die Situation ist deprimierend“, sagt der Verteidiger.

Von Joachim Klumpp

Der Kellner im Kickers-Clubhaus will die Schinkennudeln ganz normal als Tagesmenü abrechnen, für 6,80 Euro. „Sportleressen“, sagt daraufhin Jens Härter mit einem Augenaufschlag, der andeuten soll, dass er Anspruch auf den Rabatt hat, der den Spielern des Fußball-Regionalligisten gewährt wird. Auch wenn sie außer Dienst sind, wie derzeit der Kapitän. „Ich habe schon aufgehört zu zählen, wie viele Spiele ich gefehlt habe“, sagt Jens Härter nur. Dem Manne kann geholfen werden: zehn sind es inzwischen einschließlich Pokal, auch in der Vorbereitung war er keine einzige Minute im Einsatz.

Dabei sollte im neuen Jahr alles besser werden, nachdem er seit Anfang Oktober außer Gefecht ist. „Eine starke Innenbanddehnung im linken Knie, fast ein Riss“, so lautete die Diagnose nach der ersten Kernspintomografie. Nichts Gravierendes also. Woche für Woche war Härters Einsatz geplant, vor dem Derby beim VfB Stuttgart II am 17. November hat er den letzten Anlauf genommen, ohne Erfolg. „Der Fehler war, dass ich nie richtig mit dem Training ausgesetzt habe“, sagt Härter heute, „ich hätte einfach mal vier, fünf Wochen Pause einlegen müssen.“

Das hat Härter schließlich in den Weihnachtsferien nachgeholt mit dem Ziel, zum Trainingsauftakt am 14. Januar wieder voll einzusteigen. Hat er auch getan, zumindest bis die Arbeit mit dem Ball auf dem Programm stand. Zehn Minuten ging das gut, dann traten wieder Schmerzen auf, zuletzt kam erschwerend noch ein Grippevirus hinzu, aus Härters Sicht aber eher eine Lappalie. Fakt ist: an einen Einsatz war und ist nicht zu denken, weshalb Härter sagt: „So kann es nicht weitergehen.“

Der Spieler ist der Verzweiflung nahe, zuletzt hat sich Jens Härter in die Hände von Mohamed Khalifa begeben, dem der Ruf eines Wunderheilers vorauseilt und der bei etlichen Sportlern erstaunliche Erfolge erzielen konnte; bei Jens Härter schlug die heilende Technik des Ägypters bisher nicht wie erhofft an. Zuvor hatten sich sowohl der Vereinsarzt Christian Mauch als auch der Pforzheimer Orthopäde Andree Ellermann gegen eine Operation ausgesprochen. So langsam neigt sich die Geduld des Patienten aber dem Ende zu, zumal inzwischen auch eine leichte Meniskusverletzung aufgetreten ist und sich Wasser im Knie bildet, was kein gutes Zeichen ist. „Fünf Monate Pause ist eindeutig zu lange“, sagt auch Mauch, „ein Vierteljahr wäre normal gewesen.“

„So eine Leidenszeit hatte ich noch nie“, sagt Härter, der als Zuverlässigkeit in Person gilt, seit er 2004 vom Oberligisten SGV Freiberg nach Degerloch gekommen ist. In der vergangenen Saison verpasste er lediglich zwei Spiele wegen einer Bauchmuskelzerrung, ein Wehwehchen im Vergleich zu der jetzigen Situation, „die nicht klar fassbar ist“, wie es der Vereinsarzt Mauch umschreibt. Doch so langsam drängt auch er auf eine Entscheidung. Das heißt, wenn es nicht besser wird, hilft nur noch ein operativer Eingriff, eine sogenannte Arthroskopie. „Jens Härter ist ja kein Simulant“, sagt Christian Mauch, „der Spieler hat Biss.“

Schließlich geht es nicht nur um die Zukunft der Kickers, sondern auch um seine eigene. „Die dritte Liga wäre nochmals ein Anreiz und Motivation“, sagt der 28-Jährige, der davon ausgeht, noch einige Jahre als Profi spielen zu können. Keine Angst vor einem Karriereende? „Sicher denkt man darüber mal kurz nach, aber letztlich verdrängt man das, es bringt ja auch nichts, sich unter Druck zu setzen“, sagt der gelernte Industriekaufmann, der bei den Blauen eine feste Größe in der Innenverteidigung war.

Wobei die Abwehr nicht das Sorgenkind der Kickers im bisherigen Saisonverlauf gewesen ist. Deshalb setzt ihn auch niemand unter Druck. Der Manager Joachim Cast nicht, der Trainer erst recht nicht, „auch wenn ich ihn gern dabeihätte“, sagt Stefan Minkwitz, der es sich aber abgewöhnt hat, einen festen Termin für das Comeback ins Auge zu fassen.

Und der Spieler? „Ich will natürlich so früh wie möglich spielen.“ Das wäre also am Freitag in Siegen, doch Härter weiß, dass das unrealistisch ist. Der Kapitän will aber mitfahren, als moralische Stütze und um zu demonstrieren, dass der Zusammenhalt im Kickers-Kader stimmt. „Ich versuche schon so oft wie möglich bei der Mannschaft zu sein“, sagt Härter, ehe er sich in ein Rehazentrum nach Stuttgart-Feuerbach begibt. Alleine, für ein- bis anderthalb Stunden Krafttraining – und ein wenig Frustabbau. Letztlich will Jens Härter bald wieder mit der Mannschaft gemeinsam am Stammtisch des Clubhauses sitzen. Damit auch jedem Kellner klar ist, dass er Anspruch auf das Sportleressen hat.

Stuttgarter Zeitung

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