„Ich erwarte im Training Respekt unter den Spielern“
Der neue Kickers-Trainer Peter Zeidler über seine Fußball-Philosophie und die sportlichen Perspektiven der Mannschaft
Nach dreieinhalb erfolgreichen Jahren unter Robin Dutt beginnt mit Peter Zeidler beim Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers eine neue Zeitrechnung. Der Gymnasiallehrer für Französisch und Sport soll den Traditionsverein zumindest in die künftige eingleisige dritte Liga führen, wozu Platz zehn nötig ist. „Das wäre auch schon so etwas wie ein Aufstieg“, sagt der 44-Jährige im Gespräch mit Joachim Klumpp.
Herr Zeidler, heute beginnen in Baden-Württemberg die großen Ferien. Sind Sie da manchmal nicht neidisch auf Ihre Lehrerkollegen, oder liegt Ihnen der Beruf als Fußballtrainer einfach mehr am Herzen?
Natürlich gibt es noch den typischen Lehrer, der gleich nach der letzten Schulstunde mit voll bepacktem Wohnmobil gen Süden fährt. Und es wäre für mich auch mal ein Traum, mit der Familie vier Wochen nach Südfrankreich, speziell nach Nizza, in den Urlaub zu gehen. Aber es macht so viel Spaß hier, dass mir das in keinster Weise fehlt. Ich freue mich jetzt auf den Start in Ingolstadt.
Stichwort Ingolstadt. Der Auftakt gleich bei einem der Mitfavoriten, ist das nun ein Vor- oder Nachteil?
Es kann ein Vorteil sein, weil die vier, fünf neuen Spieler dort wie Neuendorf, Leitl oder Gerber vielleicht noch nicht so eingespielt sind. Und weil wir mit einem Erfolgserlebnis gleich ein Zeichen setzen können. Warum sollten wir dort nicht gewinnen können?
Was kann man vom Lehrerberuf auf den Trainerbereich übernehmen – oder sind das zwei verschiedene Welten?
Nein, man kann sehr viel übernehmen. Es geht beides Mal um eine Gruppe, da braucht man eine gute Atmosphäre, um Erfolg zu haben und gute Leistungen zu bringen. Letztlich gelten hier und da die Gesetzmäßigkeiten der Pädagogik. Auf der anderen Seite ist Pädagogik so komplex, dass man sich da nicht immer an Gesetze halten kann.
Nach dem Gesetz der Serie müssten die Kickers eigentlich aufsteigen. Die Mannschaft war im Vorjahr Vierter, der Dritte VfB II darf nicht in die zweite Liga, also wären die Kickers dran. Wie bremst man solche Gedanken im Umfeld?
Objektiv ist die Behauptung richtig, aber wenn man die Tabelle der Vorsaison genauer analysiert sieht es anders aus. Hätten man am 31. Spieltag gegen 1860 München nicht gewonnen, wäre vielleicht Abstiegskampf angesagt gewesen. Der vierte Platz ist ein Riesenerfolg für Robin Dutt, das hat mich auch persönlich für ihn gefreut. Alles andere ist eine Milchmädchenrechnung, auch wenn der Aufstieg bei den Kickers immer ein Thema sein wird. Schließlich ist der Verein in der ewigen Tabelle der zweiten Liga Zweiter hinter Düsseldorf. Das steckt in vielen Köpfen drin. Und arm sind die, die keine Träume haben. Die habe ich auch, nur bin ich Realist, und da wird es eine große Aufgabe sein, die Geduld einzufordern. Für viele war es schon normal, dass man gegen Freiburg 2:2 spielt.
Die Erwartungen sind also hoch. Sind Sie gewappnet, falls es im Haifischbecken Kickers drunter und drüber gehen sollte?
Ich habe hier schon viel Kredit und auch Vorschusslorbeeren, aber man muss sich überall erst einmal durchsetzen. Wichtig ist, dass die Arbeit mit dem Manager gut funktioniert. Dann muss man auch im Umfeld zeigen, was man kann. Ich erwarte nicht, dass mich die Leute in den Himmel loben, aber dass sie mir die Chance geben, mich zu beweisen. Über einen längeren Zeitraum von – sagen wir mal – zehn Spielen, lässt sich dann erkennen, wie die Mannschaft spielt. Ich habe keine Angst, ich weiß was ich kann. Aber ich weiß auch, dass nur der Erfolg zählt – dafür bin ich gewappnet.
Ihre besonnene Ausstrahlung scheint sich offenbar auf die Mannschaft zu übertragen. Jedenfalls haben einige Spieler – zum Beispiel der Ex-Darmstädter Nico Beigang – gesagt, bei ihren früheren Vereinen seien im Training mehr die Fetzen geflogen. Achten Sie auf Disziplin?
Felix Magath sagt, im Leistungssport kann nicht nur immer Heile-Welt-Stimmung im Training herrschen, das sehe ich auch so. Trotzdem erwarte ich Respekt im Umgang miteinander. Dazu gehört auch, dass sich die Spieler nicht mit allen möglichen Schimpfworten titulieren. In dieser Beziehung bin ich schon jemand, der auch erziehen will. Vielleicht ist mein Anspruch da zu hoch, aber man kann sich nur entfalten, wenn jeder ernst genommen wird. Da achte ich auf ein gewisses Niveau. Ganz nebenbei: wo ist denn Darmstadt gelandet?
Haben Sie den Eindruck, dass die Mannschaft Ihre Linie akzeptiert?
Bisher passt das. Wir haben 22 Leute, alle wollen spielen, nur elf können es.
Befürchten Sie bei diesem Konkurrenzkampf kein Konfliktpotenzial, nachdem bei den Kickers früher oft nicht mal der Spielbericht komplett gefüllt werden konnte?
Robin Dutt hatte vielleicht nur 18 Spieler im Kader, aber dafür hatte er immer ein paar aus den Amateuren eng an der ersten Mannschaft. Das haben wird diesmal etwas anders gemacht und die Kandidaten – wie Kacani, Tucci, Sökler, Deigendesch, Genisyürek, Leist – gleich hochgezogen. Letztlich ist das also nur ein Rechenspiel. Aber was den Konkurrenzkampf angeht, den haben wir. Es gibt jetzt schon Härtefälle, beispielsweise Marcel Rapp, der in Pfullendorf Stammspieler war oder noch zwei, drei andere. Dahinter haben wir dann aber eine stimmige Struktur, das heißt nach den Stammspieler kommen die Jungen aus der Position des Jokers. Vielleicht schafft es einer relativ schnell – Rodriguez könnte so einer sein.
Sie haben sich auf ein 4-4-2-System festgelegt. Andere Trainer halten sich oft noch eine Option offen, Sie nicht?
Ich habe Fußball als Trainer so gelernt, und das System entspricht meiner Philosophie. Es ist besser, ein System annähernd perfekt zu beherrschen, als immer zwischen drei, vier hin und her zu hüpfen. Aber die Option halten wir uns natürlich auch offen. Es muss nur ein klares Gerüst stehen, dann kann man immer flexibel und kreativ reagieren.
Sie waren früher schon beim finanzkräftigen VfR Aalen Trainer, jetzt bei den nicht auf Rosen gebetteten Kickers. Was unterscheidet die beiden Vereine?
Der Vergleich ist schwierig, weil zu meiner Zeit in Aalen noch Schulden abbezahlt werden mussten und der Etat unter zwei Millionen Euro lag. So gesehen herrschten dort ähnliche Verhältnisse. Mit dem Unterschied, dass wir keine Jugend hatten, die top war, keine Amateure, die nur eine Klasse tiefer spielten. Hier kann man im Training immer auf junge Spieler zurückgreifen, ohne dass ein Qualitätsverlust entsteht.
Was macht sonst den Reiz der Kickers aus?
Die Tradition – und eine Art Faszination für den Klub, die Blauen. Da wird noch über den 100-Tore-Sturm von 1947/48 und die Erstligazeiten geredet. Und in der Stadt merkt man schon, dass die Kickers etwas bedeuten.
Sie haben zuletzt in Nürnberg auch viel Kontakt zu Chefcoach Hans Meyer gehabt. Was kann man von so einem erfahrenen Trainer übernehmen?
Vor allem die Akribie im Training und seine Präsenz: er war morgens immer als Erster da und ging abends als Letzter. Es geht nur über Fleiß, wie in jedem Beruf, aber auch als Fußballtrainer. Und er hat die Dinge so auf den Punkt gebracht, dass die Spieler nach den Gesprächen rausgegangen sind und gesagt haben: Ich bin der Beste. Selbst wenn ich den Fußball schon etwas anders sehe als er, hat er mich so respektiert wie ich bin, weil er gewusst hat, ich kann auch noch etwas anderes außer Fußballtrainer.
Wenn schon die Kickers nicht aufsteigen, wer sind dann Ihre Favoriten in der Liga?
Vier Mannschaften sind das: Unterhaching, Burghausen, dann schon Ingolstadt – und Aalen, das mit einem Etat von inzwischen knapp vier Millionen Euro gut eingekauft hat. Aber ich versuche immer zu vermitteln, dass auch die Qualifikation für die neue eingleisige dritte Liga ein Aufstieg wäre. Schließlich zählt man dann zu den 56 Profiklubs in Deutschland, bisher sind das noch 73 Vereine. Das ist schon ein Unterschied.
Stuttgarter Zeitung