„Über den Verdienst von vor zehn Jahren lachen sich die Profis kaputt“
FUSSBALL Der frühere Bundesliga-Spieler Ralf Vollmer spricht über seine Erfahrungen im Profifußball – Am 23. Juni spielt er in einer Prominentenelf auf dem Kunstrasen in Kornwestheim
Kornwestheim. 340 Fußball-Bundesligaspiele, davon 68 in der ersten Liga, hat Ralf Vollmer in den Jahren 1983 bis 1994 für die Stuttgarter Kickers bestritten. Am Samstag, 23. Juni, wird der heute 44-Jährige zusammen mit Walter Kelsch, Zoltan Sebescen, Dieter Dollmann, Marcus Ziegler und Stefan Minkwitz in einer Prominentenmannschaft stehen, die zu Gunsten autistischer Jugendlicher ein Benefizspiel auf dem Kunstrasen in Kornwestheim gegen eine Ludwigsburger AH-Auswahl austrägt. Lutz Selle sprach mit Ralf Vollmer über Profifußball früher und heute und die Partie kommenden Samstag in Kornwestheim.
Herr Vollmer, was war für Sie der Höhepunkt Ihrer sportlichen Karriere? Der Aufstieg in die erste Liga oder das DFB-Pokalendspiel gegen den HSV im Juni 1987?
Wir sind ja zweimal in die erste Liga aufgestiegen. Für mich war der zweite Aufstieg das schönste Erlebnis. Das Pokalendspiel war natürlich auch klasse – vor 80 000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion. Aber das haben wir ja verloren. Beim ersten Aufstieg in die erste Liga waren wir lange überlegen Tabellenführer in der zweiten Liga. Beim zweiten Aufstieg sind wir aber nur Tabellendritter in der zweiten Liga gewesen und mussten in die Relegation gegen den Drittletzten der ersten Liga, FC St. Pauli. In Hamburg und zu Hause haben wir Unentschieden gespielt. Es musste also ein drittes Spiel auf neutralem Platz entscheiden. Wir haben auf Schalke gegen St. Pauli mit 3:1 gewonnen. Da der Aufstieg so lange auf Messers Schneide stand, ist es das schönste Erlebnis gewesen.
Was bleibt Ihnen negativ aus Ihrer Fußballprofizeit in Erinnerung?
Ich habe im Alter von 32 Jahren mit dem Profifußball aufgehört, obwohl ich noch ein Angebot vom 1. FC Nürnberg hatte. Das Fußballgeschäft ist nicht mehr meine Welt gewesen. Jede Woche wurden die Spieler im Trainingslager beaufsichtigt wie Kinder. Alle mussten die gleiche Kleidung tragen und früh ins Bett gehen. Alle wurden über einen Kamm geschert, die über 30-Jährigen genauso behandelt wie die 18-Jährigen. Zu den jungen Spielern hatte ich auch keinen Bezug mehr, das war eine ganz andere Generation. Wenn du am Wochenende einmal schlecht spielst, musst du gleich ein Straftraining über dich ergehen lassen. Es kamen im Abstiegskampf neue Trainer, die meinten, die Peitsche auspacken zu müssen. Zudem gab es Spieler, denen es egal war, ob der Verein den Bach runtergeht, und die sagten: „In vier Wochen bin ich sowieso weg.“ Es hat keinen Spaß mehr gemacht, und das ist die wichtigste Voraussetzung, um Leistung zu bringen. Ich bin froh, dass ich nicht mehr professionell kicke.
Würden Sie demnach heute einem Kind mit dem Wunsch, Fußball-Profi zu werden, davon abraten?
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Insgesamt ziehe ich ein absolut positives Fazit aus meiner Fußballzeit. Ich würde es heute jedem Jugendlichen empfehlen, Fußballprofi zu werden, wenn er das Zeug dazu hat – auch vom Kopf her. Einstellung, Willenskraft und Beharrlichkeit sind ganz wichtig. Jeder sollte sich aber ein Hintertürle offen halten und damit rechnen, dass es auch nicht funktionieren kann. Im anderen Fall gibt es heute mit Fußball richtig Geld zu verdienen. Und du erlebst Dinge, die du in keinem anderen Beruf erlebst.
Was machen Sie denn heute beruflich?
Ich bin Bezirksdirektor bei einem Versicherungskonzern, betreue dabei externe Geschäftspartner und baue Geschäftsbeziehungen auf.
Nach der Fußballkarriere zurücklehnen und dann allein von den Zinsen leben, das geht also nicht?
Heute sind das ganz andere Dimensionen. Über das, was wir damals in der ersten Bundesliga verdient haben, lachen sich die heutigen Zweitligaspieler kaputt. Ich sehe das ohne Groll. Aber es gibt nicht wenige unter denen, die vor zehn oder 15 Jahren gekickt haben, die heute nichts mehr haben. Der heutige Erstligaprofi verdient das Fünffache von den damaligen Spielern. Heute bekommt ein durchschnittlicher Bundesligaprofi 500 000 Euro – und das ist noch kein gut bezahlter.
Skizzieren Sie einmal Ihre sportliche Laufbahn!
In der Jugend habe ich beim VfR Heilbronn, dem heutigen FC Heilbronn, gespielt. Ich bin dann für ein Jahr zum Landesligisten Bad Wimpfen gegangen. Es folgte ein Jahr beim FV Lauda in der Oberliga Baden-Württemberg. 1983 bin ich dann zu den Kickers gekommen. Ab 1994 habe ich noch drei Jahre beim SV Bonlanden in der Verbandsliga und Oberliga und als WFV-Pokalsieger sogar im DFB-Pokal gespielt. Das war noch einmal eine schöne Zeit.
Und heute bestreiten Sie Benefizspiele. Kommt das oft vor?
Oft ist übertrieben. Das konzentriert sich auf den Sommer. Über das Jahr sind es acht bis zehn Spiele mit unterschiedlichem Hintergrund. Unter anderem spiele ich für die Mexikohilfe vom DFB. Was mir an der b-log-Stiftung gefällt, zu deren Gunsten wir in Kornwestheim spielen: Man kann den Leuten vor Ort helfen.
Haben Sie auch schon einmal auf Kunstrasen Fußball gespielt?
In Bonlanden haben wir die ganze Zeit auf Kunstrasen trainiert. Allerdings war das damals noch eher ein Betonplatz. Die neuen Plätze sind richtig klasse. Ich habe mit Kunstrasen überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Ich spiele lieber auf einem guten Kunstrasen als auf einem schlechten Naturrasen.
Waren Sie denn schon einmal in Kornwestheim?
Natürlich. In meinem ersten aktiven Jahr bei Bad Wimpfen haben wir gegen Salamander Kornwestheim Punktspiele ausgetragen. Der FVK spielte damals auch in der Landesliga. Damals hat mit Ralf Forster ein späterer Mitspieler bei den Kickers für Kornwestheim gespielt. Salamander hatte eine gute Fußballmannschaft, die nahe dran war am Aufstieg. Aber Fußball war in Kornwestheim schon damals nicht die Sportart Nummer eins. Da gab es tolle Leichtathleten.
Was wird denn das Prominententeam in einer Woche den Kornwestheimer Zuschauern bieten?
Auch bei solchen Spielen ist es für uns erst einmal wichtig zu gewinnen. Wir sind alle ehrgeizig. Wir wollen aber auch schöne Spielzüge, schöne Tore und ein paar Kabinettstückchen zeigen und zusammen mit dem Gegner ein attraktives Spiel bieten. Aber unser Gegner will auch gewinnen. Wie ich mich informiert habe, muss das eine gute Mannschaft sein. Da müssen wir uns warm anziehen.
Stuttgarter Zeitung