Nach mehreren schweren Verletzungen will sich Angelo Vaccaro bei den Stuttgarter Kickers für höhere Aufgaben empfehlen
Zum Auftakt der Fußball-Regionalliga treten die Stuttgarter Kickers im Derby am Samstag (14.30 Uhr/Schlienzstadion) beim VfB Stuttgart II an. Mit dabei ist der Neuzugang Angelo Vaccaro, der einst zweimal im VfB-Profiteam stürmte – und noch immer von der Bundesliga träumt.
Von Marko Schumacher
Vieles wird so sein wie damals, als Angelo Vaccaro die große weite Fußballwelt noch zu Füßen lag. Wie früher wird er am Samstag von Mössingen hinunter nach Cannstatt zum VfB-Gelände fahren, er wird den schmalen Weg von der Umkleidekabine ins Schlienzstadion laufen, versuchen, ein Tor zu schießen, und hinterher mit seinen Bekannten quatschen. Mit Rainer Adrion zum Beispiel, seinem früheren Trainer, mit Hilmar Müller, seinem früheren Betreuer, mit Jochen Schneider, seinem früheren Manager.
Nur von seinen früheren Mannschaftskollegen bei den VfB-Amateuren wird niemand mehr da sein. Kein Hleb, kein Hinkel, kein Kuranyi, kein Hildebrand, kein Amanatidis, kein Tiffert. Alle sind sie längst gestandene Profis mit millionenschweren Verträgen, manche sind Nationalspieler. Angelo Vaccaro verdient sein Geld in der dritten Liga, seit der Winterpause bei den Stuttgarter Kickers. „Ich gönne den Jungs den Erfolg von Herzen“, sagt er: „Aber natürlich denkt man sich manchmal: da könnte ich doch auch stehen.“
Angelo Vaccaro, 25, war einst die große Sturmhoffnung beim VfB, ihm wurde unter all den Hochbegabten die größte Zukunft vorausgesagt. Mit 18 Jahren feierte er im Jahr 2000 bei den Profis unter Ralf Rangnick sein Debüt in der Bundesliga und bekam einen Vierjahresvertrag. Da wächst ein neuer Toptorjäger heran, sagten alle – doch dann wurde Rangnick entlassen und durch Felix Magath ersetzt. Und der ließ den jungen Italiener im Abstiegskampf links liegen, weil er ihm nicht zielstrebig genug erschien. „Vielleicht hätte ich mich damals durchbeißen müssen“, sagt Vaccaro – und genau so sieht es auch Rainer Adrion: „Er hat es zu locker gesehen. Ihm hat die Härte gegen sich selbst gefehlt.“ Vaccaro sei der nächste Kandidat für den Sprung nach oben gewesen: „Aber so ist es oft im Fußball: wenn du eigentlich dran bist, dann bist du noch lange nicht drin.“ Drin war wenig später Kevin Kuranyi – und Vaccaro landete wieder bei den Amateuren und wechselte 2002 nach Unterhaching.
Dort begann die Leidenszeit erst so richtig. Vaccaro hatte gut begonnen und war zum Publikumsliebling geworden, als das Kreuzband im linken Knie riss. „In der 58. Minute beim Spiel gegen Offenbach, nachdem ich in der 54. Minute das 2:1 erzielt hatte.“ Vaccaro kämpfte sich heran, kam schneller zurück, als alle glaubten – dann riss dasselbe Kreuzband erneut. Wieder Operation, Krankenhaus, Krücken, Reha und die Frage: „Was bringt das alles überhaupt?“ Insgesamt 18 Monate fiel Vaccaro aus, und als er wieder gesund war, dauerte es Wochen, bis die Form zurückkam. Er habe etwas Neues gebraucht, sagt er, und wechselte im Sommer 2005 nach Augsburg in die Regionalliga.
Das Verletzungspech holte ihn auch dort ein. Wieder begann er gut, schoss Tore und bereitete welche vor – dann rissen im Wintertrainingslager zwei Bänder im Sprunggelenk. Er kam zurück – und lag bald wieder flach. Diesmal rissen die Adduktoren. Wieder acht Monate Pause, die Rückrunde in Augsburg war futsch, die Vorbereitung auf die neue Saison ebenfalls, eine echte Chance bekam er nach dem Aufstieg in die zweite Liga nicht. Andere Stürmer waren vor ihm, zu mehr als Kurzeinsätzen reichte es nicht. Er sah in Augsburg keine Perspektive mehr und schaute sich nach Alternativen um. Im Winter hatte er ein paar Anfragen – und entschied sich schließlich für den Wechsel zu den Kickers. Weil er ein sehr gutes Gespräch mit dem Trainer Robin Dutt hatte; und weil er hier ein intaktes Umfeld vorfindet, die Familie in Mössingen, die alten Freunde, all das eben, was den Einstieg erleichtert.
„Für mich ist das kein Rückschritt, für mich ist das so etwas wie ein Neuanfang“, sagt Vaccaro, der mit Sean Dundee die bisherigen Stürmer Mirnes Mesic und Christian Okpala ersetzt. Er will spielen, er will endlich von Verletzungen verschont bleiben, er will zeigen, dass er noch immer ein guter Angreifer ist. „Ich brauche jemanden, der mir Vertrauen schenkt und an mich glaubt“, sagt er.
Robin Dutt hat ein gutes Gefühl: „Im Laufe der Vorbereitung ist er immer fitter geworden und macht einen körperlich hervorragenden Eindruck“, sagt der Kickers-Trainer, der an dem Neuzugang vor allem dessen hohe Laufbereitschaft und den vorzüglichen Torabschluss schätzt. Ein kompletter Stürmer sei Vaccaro, einer, der den Kickers weiterhelfen werde, da ist sich Dutt ganz sicher.
Bis 2009 hat Vaccaro in Degerloch unterschrieben. Dann ist er mit 27 im besten Fußballeralter, dann will er wieder oben spielen, mindestens in der zweiten Liga. „Wenn man einmal die Luft dort oben geschnuppert hat, dann will man immer wieder da hin“, sagt Angelo Vaccaro. Den Traum von der Bundesliga jedenfalls, „den habe ich noch lange nicht aufgegeben“.
Stuttgarter Zeitung