Nach fünf Spieltagen führen drei Klubs aus dem Großraum Stuttgart die Fußball-Regionalliga an
STUTTGART. In der dritten Liga sind gleich drei Vereine aus der Region vorne dabei: die Stuttgarter Kickers als Tabellenführer vor dem SSV Reutlingen und dem VfB II, der Vierter ist. Alles nur eine Momentaufnahme?
Von Joachim Klumpp
Die Tabelle der Fußball-Regionalliga steht Kopf. Während die Favoriten, allen voran die TSG Hoffenheim, aber auch Aalen, nicht so recht in die Gänge kommen, bestimmen die drei Vereine aus der Region das Geschehen.
Stuttgarter Kickers: Zwar zählte der Traditionsklub aus Degerloch schon vor Saisonbeginn zum erweiterten Favoritenkreis, doch dass die Mannschaft nach fünf Spieltagen ungeschlagen an der Spitze steht, kommt dennoch überraschend. Bisher ist die Strategie der Verantwortlichen voll aufgegangen, die da heißt: Qualität statt Quantität.
Der Kader besteht zwar nur aus 18 Mann, doch die können sich sehen lassen. Im Sturm hat sich die Verpflichtung des letztjährigen Regionalliga-Torjägers Christian Okpala (bisher vier Treffer) ausbezahlt, „zusammen mit Mirnes Mesic bilden beide wahrscheinlich das beste Duo der Liga“, sagt Rainer Adrion vom Lokalrivalen VfB. Auch der Rückkehrer Sascha Benda erweist sich als Volltreffer, fünf Tore hat der Ex-Augsburger bereits vorbereitet, und damit die neue Stärke der Kickers bei Standardsituationen dokumentiert.
Außerdem harmoniert die Mannschaft bestens, weil nur drei Neuzugänge (einschließlich des verletzten Laszlo Kanyuk) hinzukamen. Dadurch entfiel auch der Ausbildungs- und Schulungsprozess, der in der Vergangenheit in der Vorrunde ein Schwerpunkt war. Ingolstadts Trainer Jürgen Press jedenfalls sagte am Samstag nach der 2:4-Niederlage: „Bei den Kickers sieht man, dass sie eine eingespielte Elf haben und nicht umsonst zum Favoritenkreis zählen.“
Die Frage wird sein, ob der relativ kleine Kader über die gesamte Saison ausreicht. Doch der Präsident Hans Kullen sagt: „Wir können auch noch auf Spieler der zweiten Mannschaft zurückgreifen.“ So haben sich Recep Yildiz und auch Sven Sökler im Sommer in die erste Mannschaft gespielt. Und vielleicht bald auch in die zweite Liga?
SSV Reutlingen: Der Aufsteiger steht schon wieder auf einem Aufstiegsplatz – die Überraschung schlechthin, nachdem die Lizenzerteilung lange am seidenen Faden hing. „Die Mannschaft lebt sicher noch von der Euphorie“, sagt Stuttgarts Rainer Adrion. Das Team verfügt zwar nicht über herausragende Einzelspieler, dafür über einen großen Kader von 26 Mann, sodass Ausfälle gut kompensiert werden können.
Hinzu kommt: in Peter Starzmann besitzt der SSV einen äußert akribischen Trainer, der viel Wert auf taktische Disziplin und Teamgeist legt. Mit Erfolg – bei den letzten beiden Siegen war der SSV läuferisch überlegen und konnte so jedes Mal in der Schlussphase noch zulegen. Doch Starzmann betont: „Wir heben nicht ab. Irgendwann wird uns das Glück auch mal verlassen.“ Dann wird man sehen, wie die Mannschaft reagiert. „Schließlich sind wir noch nie in Rückstand geraten.“ Der Präsident Wolfgang Moeck jedenfalls schwärmt schon: „Der Verein und seine Mitglieder sind am Zusammenwachsen, da ist einiges am Entstehen.“ Auch wenn der Sprung in die zweite Liga in dieser Saison vielleicht zu früh käme und Starzmann sagt: „Mit elf Punkten steigt man nicht auf.“
VfB Stuttgart II: Die Mannschaft von Rainer Adrion genießt einen gewissen Sonderstatus, da sie als Ableger des Bundesligisten gar nicht aufsteigen darf. „Unser erstes Ziel ist es deshalb, Spieler an die Profis heranzuführen.“ Das ist zuletzt gelungen: mit Gomez und Gentner, Beck, Tasci oder Nehrig. Trotz dieses Aderlasses mischt die Mannschaft in der Spitzengruppe mit: „Ein Grund dafür ist, dass die Spieler sich gut verstehen, das ist nicht immer selbstverständlich.“
Auf dem Platz tun das besonders zwei Akteure, von denen man das vor der Saison in dieser Form nicht erwarten konnte. Zum einen Sami Khedira, der wegen Verletzung fast die gesamte Rückrunde ausgefallen war und sich nun auf Anhieb zur dominanten Figur im Mittelfeld entwickelt hat; zum anderen der kleine Tobias Weis, der im Sommer Abwanderungsgedanken hegte, weil er keine Perspektive sah. Nach seiner Vertragsverlängerung blüht er förmlich auf und zählt bisher zu den Aktivposten und Torschützen (drei Treffer) gleichermaßen.
Dass die Überraschungsmannschaften der Regionalliga nicht unverwundbar sind, hat der WFV-Pokal gezeigt, in dem Reutlingen und der VfB bereits ausgeschieden sind. Lediglich die Kickers stehen im Achtelfinale, in dem sie am 27. September auf den VfR Aalen treffen. Das 3:0 am Dienstag beim FSV Bissingen war für den Trainer Robin Dutt ein wichtiger Fingerzeig: „Das zeigt, dass es in der Mannschaft keine Anzeichen von Übermut gibt.“ Der tut bekanntlich selten gut.
Stuttgarter Zeitung