StZ: Es scheint, selbst Gott will ein Blauer sein

FUSSBALLFEST Die Stuttgarter Kickers sind bei ihrer ersten Hocketse volksnah und siegessicher

Degerloch. Die Stuttgarter Kickers wollen

zurück zu ihren Wurzeln. Und zudem so hoch hinaus, wie Degerloch liegt. Bei

ihrer ersten Hocketse geben sie sich als Fußballer zum Anfassen – und mit einer Vision, die nicht viele Worte braucht.

Von Andrea Jenewein

Es ist ein Abend der Superlative – allein schon deshalb, weil mit Superlativen um sich geworfen wird, als handele es sich dabei um Falschgeld. Auch an Omen glaubt plötzlich ganz Degerloch, beginnen doch sogar die Glocken der Michaelskirche gerade dann zu läuten, als der Bus um die Straßenecke gen Bezirksrathaus gebogen kommt. „Wir haben Gottes Segen“, jubelt Guido Dobbratz, der bekannte ehemalige SWR-Sportreporter, der heute durch den Abend der Kickers-Hocketse führt.

Auch der blau-weiße Himmel wird als ein positives Zeichen gedeutet – und um die aufdringliche Sonne hat der Veranstalter sich gleich noch mit gekümmert: „Wir haben beim Wetteramt angerufen: In 42 Minuten liegt der Platz hier im Schatten“, verkündet Dobbratz merklich stolz. Götterbestechung, das alles? Oder nur gute Planung: War doch die Einfahrt des Kicker-Busses für 18 Uhr vorgesehen gewesen – und da läuten die Kirchenglocken nicht gerade selten.

Egal, sie sind da. Die Blauen entspringen unter Jubel und Applaus dem Mannschaftsbus. Dann werden sie erst einmal verhaftet und auf die Bank abgeführt: zur Autogrammunterzeichnung. Das bedeutet bei dem riesigen Andrang eine halbe Stunde Arrest – der ihnen von den Fans auferlegt wird.

Dabei werden weniger die Spieler, mehr die restlichen Fans unruhig, wollen sie doch nun endlich ihre blau-weißen Götter, wie sie angekündigt wurden, leibhaftig erleben dürfen. „Wir müssen ein bisschen improvisieren“, sagt Dobbratz, „auf Grund der Bühnengröße können wir immer nur vier Spieler auf die Bühne holen.“ Der Torhüter David Yelldell stürmt als Erster die Bretter, als den „beliebtesten Mann der letzten Saison“ stellt Dobbratz ihn vor. Es folgen Moritz Steinle, der neue Kapitän Jens Härter, „der die Mannschaft zusammenhält, und der „badische Import“ Marco Wildersinn.

Wie es nun weitergeht, will Dobbratz wissen und kann sich glücklich schätzen ob der aus mehreren Sätzen bestehenden Antwort Härters: „Am Dienstag fahren wir ins Trainingslager. Bisher verläuft alles recht gut.“ Verweise des Käptens auf den ehemaligen Blauen Jürgen Klinsmann können natürlich auch nicht ausbleiben, hat er doch gezeigt, wie wichtig Teamgeist ist.

Mustafa Akcay, mit dem Fußballer-typischen Wippen in den Waden, postiert sich als nächster neben Dobbratz. Der wieder für das Team gewonnene Sascha Benda ist ein „Freistoßspezialist, Mirnes Mesic „herausragend im Angriff“ und Bashiru Gambo, der Ghanaer, „ein Spaßvogel mit Rhythmus im Blut.“ Die bestimmten Fragen Dobbratz“ tragen nicht eben dazu bei, den sowieso recht wortkargen Fußballern ausgiebige und differenzierte Antworten zu entlocken: „Glaubt ihr daran, in dieser Saison aufzusteigen?“ – „Ja, klar.“

Dafür redet Dobbratz gern und viel. Und teilweise sagt er dabei auch Lustiges. Etwa, als das „Eigengewächs“ Recep Yildiz mit einem Vokuhila-Haarschnitt die Bühne entert: „Hier können Sie schon an den Haaren erkennen, dass er ein sehr junger Spieler ist.“ Vor Yildiz besteigt aber noch Timo Schlabach das Podest, als einer „der immer zuverlässig im Angriff ist“. Oliver Stierle wird als der Cousin des Bürgermeisters von Botnang angekündigt, Mustafa Parmak sei ein „eigenwilliger Spieler“, während Nico Kanitz einfach nur „der Sachse ist, der die schwäbische Küche mag“. Es folgen noch Manuel Hartmann und ein Neuzugang: Laszlo Kanyuk, „ein großartiger Techniker im Mittelfeld“. Der Ersatztorhüter Manuel Salz ist „das Salz in der Suppe“. Es folgen noch Sven Sökler, Bastian Bischoff und der dritte Neue: Christian Okpala, der sich sicher ist, dass „die Kickers in die zweite Liga aufsteigen werden“.

Das hören die Trainer und Funktionäre, die sich danach die Ehre geben, gerne. Der Cheftrainer Robin Dutt wünscht sich dann nur noch Public-Viewing an Kickers-Spieltagen – eine Idee, die auch der Manager Joachim Cast und der Präsident Hans Kullen unterstreichen. Die Sonne steht noch immer über dem Platz, als David Hanselmann und seine Band zum musikalischen Teil des Abends übergehen. Ein schlechtes Omen?

Stuttgarter Nachrichten

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