Der Ungarnmeister auf der Kampfbahn

Stuttgarter Kickers – Ferencvaros Budapest 0:2 (0:0)

Man hat vor Jahren den Begriff „Lehrspiel“ geschaffen und bezeichnete damit das Zusammentreffen ausländischer Berufsspieler mit deutschen Amateurmannschaften. Nicht alles, was unter dieser Flagge segelte, erfüllte wirklich die in dem Namen gegebenen Voraussetzungen. Aber auf das Gastspiel des ungarischen Fußballmeisters FFC. Budapest am Erscheinungsfest in Stuttgart traf dieser Name zu. Man konnte lernen mustergültigen Flachpaß, pausenlose Ballführung, Vorlagen auf den Mann und auf den freien Raum, die zentimetergenau das Ziel trafen, eine Körperbeherrschung, die schon an Akrobatik erinnerte, einen ebenso kurz entschlossenen, wie kraftvollen und zielsicheren Schuß, überhaupt alles, was so die Eigenschaften eines guten Fußballes sind. Einschließlich einer vornehmen Ritterlichkeit, deren man sich nicht zu „bemühen“ brauchte, sondern die beiderseits offensichtlich eine Selbstverständlichkeit ist! Und wie immer bei solchen Gelegenheiten gingen die Kickers prächtig mit, übertrafen fast ausnahmslos ihre letzten Leistungen und waren den Ungarn in der ersten Halbzeit ein völlig gleichwertiger Gegner. Erst als die Ungarn nach der Pause mit dem größeren Kraftreserven das Zeitmaß noch erhöhen konnten und ihrer in der ersten Halbzeit gezeigten spielerischen Kunst noch einen Schuß Energie verliehen, gerieten die Einheimischen vorübergehend aus der Fassung. In dieser Zeit stellte die internationale Schußkanone Takacs durch zwei Treffer für die Ungarn den Sieg her.

Das außerordentlich schöne Spiel hatte auch einen würdigen Rahmen. 12 000 Zuschauer wohnten ihm auf der Adolf-Hitler-Kampfbahn bei, darunter auch an der Spitze zahlreicher Vertreter der Behörden und der Partei der württ. Reichsstatthalter Muss sowie der württ. Fußballgauführer Ritzen – Ulm. Bei dem üblichen Wimpeltausch begrüßte der stellvertretende Vereinsführer der Stuttgarter Kickers, Reg.-Rat Maurer die Ungarn als die Sendboten eines Volkes, das mit uns Schulter an Schulter vier Jahre im Kampfe stand und das die Erinnerung daran noch nicht begraben hat.

Die Ungarn verdienten sich als Mannschaft und als Einzelkönner ein Gesamtlob. Ausgezeichnet war die Hintermannschaft mit Hada im Tor, der keinen Wunsch offen ließ, und den beiden Verteidigern Polgar und Papp, die mit schier unfehlbarer Sicherheit eingriffen und mit ihren weiten Schlägen die Gefahr sofort wieder in des Gegners Hälfte verlegten. Die Läuferreihe mit dem überragenden Mittelmann Sarossy ist im Aufbau und Deckung gleich gut. Glänzend, wie übrigens bei der gesamten Mannschaft, ihre Körperbeherrschung, die sie befähigt, aus jeder Lage den Ball zu treffen, ohne mit dem Gegner zusammenzuprallen. Im Sturm enttäuschte in der ersten Halbzeit Takacs, der seine berühmte Schußkraft nur selten einsetzte, dafür aber um so besser verteilte. Toldi und More ließen gleichfalls nur hinsichtlich es Schießens Wünsche offen. Gegenüber dem starken Innentrio fielen die Flügel Kemeny und Tänzer etwas ab, ohne jedoch schwach zu sein. In der zweiten Halbzeit gab Sarossy als Mittelstürmer eine glänzende Vorstellung, bis er nach kurzer Zeit infolge einer alten Verletzung den Platz verließ.

Die Kickers standen, wie gesagt, ihrem großen Gegner kaum nach. Die Hintermannschaft Schaible-Baier-Mihalek hatte wieder einen ganz große Tag. In der Läuferreihe hat Vosseler jetzt wohl endgültig die Nachfolgeschafts Links angetreten. Er war wohl der beste Mann der Kickers. Ruf und Ubrich ergänzten ihn zuverlässig wie immer. Auch die Kickers hatten in dem Innentrio Link-Gröner-Merz den stärksten Teil des Angriffs. Stickrodt auf dem Linksaußenposten glückte diesmal fast gar nichts so erfolgreich wie sonst. Schiedsrichter Glaser – Neckarsulm war ein unauffälliger und im ganzen recht guter Leister des Spieles, wenn er bei den Torerfolgen der Ungarn vorher doch einige Regelverstöße übersah.

Beilage zum Schwäbischen Merkur, Stuttgart, Nr. 5 vom 9. Januar 1934

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