31. Mai 2007
Als Nico Beigang vorigen Samstag gegen Ingolstadt gegen Markus Beierle ausgewechselt wurde, sind die Besucher auf der Haupttribüne aufgestanden und haben dankbar applaudiert. Für Beigang sind diese Sekunden eine kleine Entschädigung für die Würdelosigkeit des Vereins, einen verdienten Spieler vor seiner letzten Partie im eigenen Stadion nicht formvollendet zu verabschieden.
Der SV Darmstadt 98 wird diesen Akt für alle, die gehen, vor dem Hessenpokalfinale gegen Klein-Karben kommenden Mittwoch in Hanau nachholen. Doch selbst Beigang findet, dass so ein Zeremoniell nicht auf neutralem Boden, sondern im Stadion am Böllenfalltor stattzufinden habe.
Es gilt, die Bayern zu schlagen
Bei den „Lilien“ gibt es nicht nur bei Verabschiedungen Defizite – deshalb steht der abermalige Abstieg aus der Fußball-Regionalliga Süd bevor. Nur ein Wunder kann diesen Fall noch verhindern: Selbst ein Darmstädter Sieg im Saisonfinale beim FC Bayern München II am Samstag um 14.30 Uhr dürfte die Hessen nicht retten. Trotzdem will Beigang alles dafür tun, damit die Darmstädter ihren Anteil an diesem Wunder schaffen. Es gilt, die Bayern zu schlagen.
Wahrscheinlich spielen die Darmstädter am Samstag zum vorerst letzten Mal in der Regionalliga – Beigang bleibt auch nach seinem letzten Spiel für Darmstadt drittklassig. Nach acht Jahren am Böllenfalltor stürmt er in der neuen Runde für die Stuttgarter Kickers. Für ihn ist das ein bewegender Schritt, vor der Partie gegen Ingolstadt fühlte er „ Gänsehaut“. Unterschrieben hatte Beigang den Kickers-Vertrag Anfang Mai, unmittelbar vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern II. Die „Lilien“ gewannen 4:0 – Beigang schoss drei Tore. Eine Woche später traf er beim 2:1 beim VfB Stuttgart II, und vorigen Samstag, als Darmstadt mit dem 2:2 gegen Ingolstadt fast alle Chancen auf den Klassenverbleib verspielte, köpfte er die Führung.
Beigang: „Ich möchte mich weiterentwickeln“
Zwölf Saisontore hat Beigang mittlerweile geschossen. Das ist nicht übel, und es wirkt, als sei er seit der Gewissheit seines Wechsels wie befreit. Der Angreifer gilt am Böllenfalltor als bester Stürmer – aber auch als Mann der vergebenen Chancen. „Vorbeigang“ nennen ihn manche Fans und halten die Luft an, wenn er mit dem Ball am Fuß Richtung Tor sprintet. Über den Satz von Sportmanager Tom Eilers („Beigang ist einer der besten Stürmer der Regionalliga“) in der Winterpause wurde allenthalben geschmunzelt.
Beigangs Wechsel nach Stuttgart kommt zur rechten Zeit. „Ich möchte mich dort weiterentwickeln“, sagt er. Er weiß, dass seine Karriere bei den Kickers in zwei Extremen verlaufen kann: Entweder gelingt dem ewigen Darmstädter Azubi der Durchbruch in der Fremde, weil man ihm ohne Vorbehalte begegnet. Oder der Verlust der kuscheligen „Lilien“-Atmosphäre drückt derart aufs Gemüt, dass er in der neuen Umgebung gar nicht zurechtkommt. Denn Beigang ist ein überzeugter Darmstädter. Das schätzen die Leute in der Stadt, und sie haben ihm alles Gute gewünscht für sein neues Leben, das er sich ohne das alte aber nicht vorstellen kann: „Einmal in der Woche werde ich nach Darmstadt kommen.“
Text: F.A.Z.