Realitätsvernebelung setzt sich fort

Ach, wie war das schön. Die Blauen ungeschlagener Tabellenführer der Regionalliga Süd. Ein grandioser Pokalauftritt gegen den Hamburger SV. Der Höhenflug sorgte für Selbstbewustsein. Oder Realitätsvernebelung?

Die Kickers sind finanziell weiterhin äußerst bescheiden ausgestattet, der Etat liegt im Mittelmaß der Regionalliga Süd, der Schuldenberg drückt weiterhin. Das Mäzenatentum war jahrzehntelang die Lebensversicherung der Kickers. Danke ADM! Sogar zu Bundesligazeiten wohlgemerkt. Und das Mäzenatentum ist die Lebensversicherung der Kickers. Danke Hans Kullen!

Der Umbau des Vereins weg vom Mäzenatentum hin zu einem professionall vermarkteten Profiverein ist für die Stuttgarter Kickers langfristig wünschenswert. Wer hängt schon gern am Tropf einer Einzelperson. Ein ausreichendes Argument. Doch für einen Verein der Größe der Stuttgarter Kickers ist ein solcher Umbau erstens langwierig und zweitens äußerst schwierig wenn gar nicht im Bereich des Machbaren. Welche Unternehmen sponsoren ein Regionalligateam in Stuttgart mit kaum Präsenz in Radio und Fernsehen? Was hat ein Porsche, ein Daimler oder sonstige Unternehmen davon, ihr Geld bei den Kickers anzulegen? Nichts. Kein Regionalligaverein hat einen solchen Sponsor. Liga Drei ist Mäzenatentum.

Doch die Kickers waren trotz widriger Umstände drauf und dran. Nach einem Drittel der Saison Tabellenführer, Pokalhelden und Aufstieg so gut wie sicher. Die Fans auf Wolke Sieben, die Spieler auf Wolke Sechs, die Gönner konnten sich zurücklegen. Es funktioniert doch auch so. Die Kickers bald wieder da wo sie hingehören. Wenn nicht gleich in der Bundesliga dann wenigstens in Liga zwei. Unkenrufe von Präsident Hans Kullen, er habe auf gut deutsch die Schnauze voll, immer die Tasche aufzumachen, wenn irgendwo was fehlte, interessierten keine. Bald sprudeln die Gelder im Profifußball.

Der Ball ist rund. Ein Spiel dauert 90 Minuten. Und eine Saison ist lang. Der Einbruch kam. Und zwar in allen Bereichen. Im Pokal das über die Jahre aufgebaute Image innerhalb kürzester Zeit zerstört, in der Liga der sportliche Einbruch, dazu die aus sportlicher Sicht nicht zu erklärenden Abgänge von Mesic und Okpala. Die Wechselgerüchte um Trainer Robin Dutt.

Das entscheidende „aus sportlicher Sicht nicht zu erklären“. Hier liegt der Hase begraben. Die Lizenzunterlagen für kommende Saison mussten zum 01. März abgegeben werden. Der Vertrag mit dem Hauptsponsor nicht unterzeichnet, ein Darlehen wurde wiederum benötigt um die Lizenz überhaupt zu erlangen. Ein Präsident und Mäzen, der von vielen Seiten unter Beschuß steht. Mangelnde Führungsqualitäten, mangelnde Kommunikation innerhalb des Vereins, einige für das Image schwierige Fanindividuen, was wird ihm nicht vorgeworfen.

Doch die Realität will nicht gesehen werden: Das Mäzenatentum. Ohne Kullens Geld war der Verein am Ende. Und wird es womöglich auch wieder sein. Der Verkauf von Mesic war kein Zufall, das Geld war bitter nötig. Die Hinhaltetaktiv von Robin Dutt in Sachen Vertragsverlängerung. Warum möchte keiner seine Beweggründe sehen? Robin Dutt möchte in die 2. Bundesliga. Am liebsten mit den Kickers. Durch Talentförderung und Ausschöpfen der eigenen Fähigkeiten allein ist es in den Profifußball nicht zu schaffen. Qualität muss auch hinzu gekauft werden. Das weiß auch Robin Dutt. Und für diese Qualität werden Mäzen benötigt. Cash. Bargeld. Das was Wehen und Hoffenheim seit Jahren investiert, bekommen Sie nun anhand ihrer Tabellensituation zurück. Und was bewegt sich bei den Kickers? Nichts. Nichtmal die Spieler, so würden zumindest die Bruddler auf der Haupttribüne zustimmen.

Die Kickers dagegen sind in der Regionalliga wieder da angekommen, wo sie hingehören. Das Saisonziel ist und war Platz Eins bis Sechs. Aktuell stehen die Kickers auf Platz Vier. Sportliches Saisonziel erreicht. Sie stehen da, wo sie aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten maximal hingehören. Höhenflüge sind selten und oft von kurzer Dauer. Ein Schweben auf Wolke Sieben kann manchmal die Realität vernebeln.

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